WALD- UND WIESENGÜRTEL#
Bereits im Jahr 1904 berichtet die Österreichische Forstzeitung über einen Wald- und Wiesengürtel für Wien. „Die schöne Kaiserstadt an der Donau soll eine neue, besondere Bereicherung seiner landschaftlichen Vorzüge erhalten, einen Wald- und Wiesengürtel an ihrer Peripherie. Dr. Lueger will im Interesse einer dauernden Sicherung der Gesundheitsverhältnisse der Stadt, sowie zur Erhaltung des landschaftlich schönen Rahmens, der Wiens Grenzen schmückt, angepasst den heute dort bestehenden Verhältnissen, in entsprechender Breite von den Hängen des Leopolds- und Kahlenberges gezogen bis zur Donau im Bezirksteil Kaiser Ebersdorf für alle Zeiten festlegen...“
Auch der Gebirgsfreund zeigte sich erfreut und schreibt zu diesem Thema: „Es lässt sich nicht leugnen, dass in neuerer Zeit auch bei uns in Wien die Wertschätzung der Natur sich in praktischen Plänen und Taten äußert. Das Volks darf sich freuen, denn immer mehr kleinere und größere Gartenanlagen durften sie benutzen. Zwei neue Tageserholungsstätten für arme Kinder waren hinzugekommen
Durch den Wald- und Wiesengürtel würde die Wiener Bevölkerung einen Schmuck erhalten der einiges kostet, daher wäre dieser Smaragdring eine Pflicht der Wiener diesen mehr zu schützen und zu schätzen. Das Lagern auf Wien und selbst in Getreidefeldern war verwerflich und rücksichtslos“.
Am 14. August 1904 wird gemeldet, dass die k.k. Forstliche Versuchsanstalt dem Projekt des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger betreffs des Wald- und Wiesengürtels um Wien zustimmen werde, und zwar dazu Stellung genommen, dass mit der Ausführung des Projektes gleichzeitig eine Erhöhung des Schutzpersonals erfordere damit das Publikum, die Sonntagsausflügler zu einer größeren Schonung von Wald und Wiese herangezogen werden. Man war sich bewusst, dass die Erhaltung des Wald- und Wiesengürtels bedeutende Summen kosten werde, denn es waren nicht nur Verwaltungsbeamte notwendig sondern eine größere Anzahl von Schutzpersonal erforderlich. Denn man kannte die Wiener nur zu gut, welche Pflanzen aus dem Wald entwendeten um sie zu Hause einzusetzen, andere wieder trampeln in den Wiesen umher um sich einen Blumenstrauß für die Heimfahrt zu binden, oder schöne Bäume, Bänke und Tische werden mit hässlichen Initialen ruiniert. Mit derlei Übelstände war daher zu rechnen.
Die Vorlagen zu diesem Plan wurden dem Stadtrat noch im Jänner 1905 vorgelegt, dann folgte der Gemeinderat.
Der Wald- und Wiesengürtel soll sich vom Kahlenberg nach Altmannsdorf erstrecken, von dort in den 10. Bezirk, weiter nach Simmering, 11. Bezirk, über die Donau in den Prater. Seine Fortsetzung erfolgte bis in die Lobau. Es wurden auch keine Kosten gescheut und man war bereit dreißig Millionen Kronen dafür zu veranschlagen.
Das Projekt sah nicht nur eine Hochstraße vor, mit einer herrlichen Aussicht auf Wien, sondern Anlegung von Wiesenflächen, Benützung der Waldbestände, sowie weitere neue Aussichtspunkte.
Der geplante Gürtel zerfällt in Bezug seiner Länge in drei Teile, deren erster vom Leopoldsberg bis zum Wienfluss , der zweite von hier bis zur Kreuzung der Gemeindegrenze mit der Wien-Pottendorfer Bahn, der dritte endlich bis zum Donaustrom bei Albern reicht. Die kürzlich neu einbezogenen Gebietsteile wurden in den Entwurf noch nicht einbezogen doch erscheint die Lobau als großes unverbrauchtes Luftreservoir von mehr als 2000 Hektar schon berücksichtigt
Für die Deckung der Kosten wurden zwei Projekte erörtert. Zuerst wurde ein „Gartenheller“ vorgeschlagen, der auf die Zinskrone eingehoben werden sollte. Das andere Projekt sah vor eine eigene Baustellensteuer zu gründen.
Voraussichtlich erhoffte man sich durch die Anlage des Wald- und Wiesengürtels eine bedeutende Wertsteigerung eines großen Teiles des in Betracht kommenden Gebietes.
Von jenen Grundeigentümern die an dieser Wertsteigerung teilnahmen soll nun die Baustellensteuer eingehoben werden. Die Berichterstatter hielten die gesamte Idee des Bürgermeisters für eine kostspielige Laune.
Im Mai 1905 hat der Stadtrat Stellung genommen über das vom Stadtbauamt ausgearbeiteten Generalprojekt für einen Wald- und Wiesengürtel. Bezüglich der ersten beiden, vom Leopoldsberg bis zur Eisenbahn Wien – Pottedorf reichenden Teile ergaben sich keinerlei Schwierigkeiten. Doch die letzte Strecke bis zur Lobau wurde eine große Gartenanlage von 119.000 m² in Aussicht genommen. Die Kosten dafüt belaufen sich auf 25.5 Millionen Kronen, die als Anlehen aufzunehmen wären, zu dessen Verzinsung und Amortisation eine I p r o.zehntige Umlage vom Mietzins (Gartenheller) und 12- bis 15% Wertzuwachssteuer von Gründen beantragt, die durch Ivestition der Gemeinde an Wert gewonnen. Der Stadtrat hält dafür, dass diese beiden Modalitäten durch ein in zahlreichen Jahren erst zu amortisierendes Anlehen zu ersetzen seien. Also die Hausbesitzer sollen dafür aufkommen.
Aus der Architektenzeitung wird erste Kritik vernehmbar. „...Nun lässt sich darüber streiten, ob es notwendig ist, eine Stadt, die auf einer Seite von einem breiten Luft reinigenden Strom, auf der anderen durch eine bewaldete Bergkette umgeben ist, die naturgemäß niemals verbaut werden kann, zur Hebung ihrer gesundheitlichen Verhältnisse mit einem Wald- und Wiesengürtel zu umgeben, und ob es nicht vielleicht notwendiger wäre, etwas mehr Geld auf Verbesserung der Kanalisation, eine ordentliche Straßenpflege und eine staubfreie Kehrichtabfuhr anzuwenden.,,“
Die „Wiener Hausfrau“ schwärmt wieder „Wien als Gartenstadt“ zählt auf Volksgarten, Kaisergarten, der nur mit Erlaubnisschein zu betreten war und aus Terrassen besteht mit einem Reitermonument Franz I., von Lothringen, welches aus dem alten Paradiesgärtchen hierher versetzt wurde. Dann der Votivkirchenpark der sich seit seinem Bestehen wenig verändert hatte, an dessen Stelle sich in alter Zeit die Holzplätze befanden, sowie an Stelle der Votivkirche ehemals die Richtstätte ihren Platz hatte. Vor dem Palais Coburg erstreckten sich einst die Glacisgründe nun die Gartenbaugesellschaft gelten wohl wie der Schiller Park, der Rudolfspark rings um das Beethoven Monument am Kantplatz, längs des Wienflusses erstrecken sich die Anlagen des Stadtparks, dann der nur in den Sommermonaten geöffnete Fürst Schwarzenberggarten, dem angeschlossen der Belvederegarten mit dem Schloss, das kürzlich eröffnete Museum des botanischen Garten mit der seltenen Flora, der Ahrenberg Park wiederum vermittelt dem Besucher weit außerhalb der Residenz zu sein, mit dem dichten Baumbestand und lauschigen Plätzen., beim Südbahnhof eröffnet sich dem Besucher der Maria Josepha Park, ferner darf noch der Drasche- und Rubenspark erwähnt werden. Manche Bezirke müssen sich nur mit dem Esterhazy- und Schönbornpark begnügen. Der Alsergrund erfreut sich an dem Liechtensteinpark. Bei der Stadterweiterung kamen nun der Schönbrunner Vorpark, der Kaiser Franz Josephs Park sowie der Rudolfsheimer Park hinzu. Einer der noch nicht so bekannte Park mit der Paulinenwarte war der 1888 eröffnete Türkenschanzpark. Und dazu käme nun noch der Wald- und Wiesengürtel.
Die Grundeinlösungen im 1906 für den Wald- und Wiesengürtel sind gegenwärtig in vollem Zuge. In der letzten Zeit wurde über die Erwerbung der den Stiften Klosterneuburg, Schotten, St. Peter in Salzburg der Pfarre Hütteldorf gehörigen Gründe ein Übereinkommen getroffen. Auch in der letzten Sitzung des Vereines der Hausbesitzer im 19. Bezirk wurde über den Wald- und Wiesengürtel verhandelt und mit Rücksicht darauf, dass sehr viele Mitglieder Gründe innerhalb jener Zone haben, beschlossen, es mögen Schritte unternommen werden, um zu erfahren, wie man mit den Entschädigungen an die Grundeigentümer vorgehen will, deren Gründe mit dem Bauverbote belegt wurden. Das ist auch sehr notwendig.
Der Arbeiter Zeitung wurde im Juli 1906 eine Zuschrift zugespielt in der es hieß: „Der Wald- und Wiesengürtel, dem Lueger seit einigen Jahren auf - Karten und Plänen geschaffen hat, ist bis nun nur den Grundspekulanten an der Peripherie der Stadt zugute gekommen. Dass gerade ein solches Werk still vorbereitet und plötzlich getan werden muss – für Demagogen unbedingt eine harte Zumutung -. dafür kann man jeden Tag die ärgerlichsten Beweise sammeln, wenn man die Gegenden zwischen Hemannskogel und Leopoldsberg durchstreift. Auch jene Grundbesitzer an diesen schönsten Bezirken Wiens, die sich nicht an Grundspekulationen beteiligen, bereiten sich auf kuriose Art auf den künftigen Wald- und Wiesengürtel vor. Wie? Durch die frevelhaften, niedertächtigsten Abholzungen! Jedem Wiener kann das Herz weh tun, wenn er Sonntags bei einer Kahlenbergpartie gewahrt, wie unverschämt die schönsten Buchenwälder hier förmlich wegrasiert werden! Wenn dereinst der Wald- und Wiesengürtel verwirklicht werden soll, dann wird zwar das magistratische Elaborat vermutlich schon fertig sein, aber zu dem Waldgürtel wird eines fehlen – der Wald! Die schönen Buchenwälder verschwinden ohnehin im ganzen Wienerwald von Jahr zu Jahr mehr und mehr, weil sich das Nadelholzgeschäft besser rentiert. Aber so erbarmungslos wie im Kahlenberggebiet wird an wenigen Stellen abgeholzt, die Besitzer fürchten vielleicht, dass sie, wenn der Wald- und Wiesengürtel erst einmal Gesetz ist, den Waldmord nicht mehr so bequem werden betreiben können. Also schleunigst abgeschlagen,, was Platz hat!Die Gemeinde Wien hätte in diesen Frevel, der die Stadt um die Schönheit ihrer lieblichsten Umrahmung beraubt, ein gewichtiges Wort dreinzureden, aber da schweigt Herr Dr. Lueger höflich still, und doch würde er seine Mahnung an gute Freunde zu richten haben. Am ungeniertesten arbeiten nämlich an der Abholzung des Kahlengebirges die Brüder vom Klosterneuburg Stift. Eine kräftige Mahnung im Gemeinderat und die Klosterneuburger Stiftsherren würden im wilden Holzgeschäftseifer vielleicht doch ein wenig nachlassen. Schließlich wäre es doh wünschenswert, dass Wald- und Wiesengürtel dereinst, wenn er sich aus einer gaukelnden Agitationshoffnung in lebendige Wirklichkeit verwandeln soll, auch noch einige wirkliche Wälder vorfinden“.
Im März 1908 beantragte Stadtrat Hölzl den Ankauf einer Anzahl von in den Wald- und Wiesengürtel fallenden Parzellen in Heiligenstadt, Nußdorf und Kahlenbergerdorf im Ausmaß von zusammen 126.857 m² um 121.500 Konen. Auch auf dem Hackenberg erwarb man mehrere Grundstücke nicht nur für den Waldgürtel sondern auch für die zweite Hochquellenleitung.
Die Arbeiterzeitung im November 1908 betrachtet die bis zu dieser Zeit entwickelte Situation des Wald- und Wiesengürtels. “Wie viele Köpfe hat der Gedanke berauscht, Wien in einen Grüngürtel zu erhalten. Rudolf Hawel hat die Spekulanten dieses Vorhabens in seiner Komödie „Der Naturpark“ an den Pranger stellen wollen – und die Pläne blieben Pläne. Das bisschen Kobenzl wurde, damit es nicht zum Hundefriedhof werde, angekauft. Die meisten der Grundstücke, soweit sie nicht Spekulanten mit der weißen Nelke erworben, reichen Klöstern, den Stiftsherren von Klosterneuburg und den Schotten. Die dicke Freundschaft mit den Pfaffen hätte der Gemeinde bei der Verwirklichung des Wald- und Wiesengürtels nützen sollen. Die Wiener die es in die Natur hinaus trieb, mussten mit wahrem Ingrimm feststellen, wie lieblos die rohe Hand Natur fremder Pfaffenseele gewütet hat. Von Hütteldorf bis Neuwaldegg gibt es einen viel begangenen Spazierweg der durch einen 20 Meter breiten Waldstreifen eingesäumt werden soll. Hier darf nicht geschlagen werden. Als der Holzhändler Hirschl den Wienerwald bedrohte, da stand Ferdinand Kürnberger zu seiner Rettung auf. Heute gibt es leider keinen Kürnberger. Wer hilft dem Wald- und Wiesengürtel aus seiner theoretischen Planexistenz zu lebendigem Leben? Wie kann der Bürgermeister dieses wichtige Gebiet den Holzhändlern des Schottenstiftes sorglos überlassen, nachdem sie es gewagt, die Axt an dem ganzen Schottenwald zu legen? Diesen Waldmordversuch hätte Lueger zum Anlass nehmen müssen, sich der bedrohten Landschaft anzunehmen! Ganz Wien hätte ihm gedankt, wenn er dieses Gut geborgen hätte! So aber bleiben uns vom Wald- und Wiesengürtel – die Pläne.
Der 1905 beschlossene Wald- und Wiesengürtel war der erste Grüngürtel der Welt und umschließt heute das gesamte Stadtgebiet. Wie beschlossen so wurde die Grünoase durchgeführt und wird durch die Donau, Donauinsel und Alte Donau ergänzt, und wird weiter ausgestaltet und gesichert und daher von der UNESCO anerkannt.
QUELLEN: Österr. Forst Zeitung, 17, Juni 1904, S 5, Österr. Frauenzeitung 14. August 1904,, S 5, Architekt und Baumeister Zeitung 1. Jänner 1905, S 3, 30: September 1906, S 4. Arbeiter Zeitung 25. Juli 1906, S 6, 24. November 1908, S 5, Neue Zeitung 12. März 1908, S 8.ANNO Österreichische Nationalbibliothek
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