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Ein Etablissement für Hernalser#

170 Jahre altes Kulturzentrum wird renoviert und sperrt nach mehr als 60 Jahren im November 2014 wieder auf#


Von der Wiener Zeitung (Samstag/Sonntag, 22./23. Juni 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt

Von

Bernd Vasari


Die Veranstalter erwarten jährlich mehr als 100.000 Besucher.#

Etablissement Gschwandner damals und heute
So wie in früheren Zeiten soll das Etablissement Gschwandner nun wieder die Kultur in die Vorstadt bringen.
© BWM Architekten und Partner

Wien. Die Zwischennutzung des mehr als 170 Jahre alten Etablissements Gschwander in Hernals sollte eigentlich nur ein Antesten für den Regelbetrieb ab 2014 werden. Die Erwartungen wurden hingegen weit übertroffen: Seit Beginn der Testphase im März 2012 gab es an 300 Kalendertagen etwa 30 öffentliche Veranstaltungen und Festivals, die insgesamt mehr als 100 Veranstaltungstage dauerten. Die Events - eine Mischung aus traditionellem und zeitgenössischem Kulturgeschehen - lockten etwa 25.000 Besucher an. Ab August wird das Etablissement bis November 2014 umgebaut. Dann werden jährlich rund 300 Programmtage im großen Saal stattfinden und mehr als 100.000 Besucher vorbeikommen, so die Erwartungen des Geschäftsführers Oliver Jauk. Insgesamt wird es in allen Veranstaltungsräumen 800 öffentliche Veranstaltungen pro Jahr geben. Clubbings, Kabaretts oder Stehkonzerte seien aber nicht geplant.

"Wir wollen die Kultur wieder in die Vorstadt bringen", sagt Jauk. Das sei bereits jetzt gelungen, denn mit der Testphase konnte sich das Etablissement als fixer Bestandteil der Wiener Kulturlandschaft etablieren. Daher seien viele Besucher ob des Umbaus nun verwundert, erzählt der Geschäftsführer. "Sie dachten, dass wir bereits im Regelbetrieb sind."

Heizungsrohr als Kabelkanal#

Einige seien auch skeptisch und befürchten den Wegfall des derzeitigen "Berlin-Flairs" in den Veranstaltungsräumen mit seinen bröckelnden und unverputzten Wänden. Das Etablissement soll keine zweite Arena oder ein zweites Flex werden, es soll aber auch nicht elegant sein, sagt Jauk. "Der alte Bestand wird möglichst schonend renoviert werden, die historischen Säle stehen auch unter Denkmalschutz."

Ein Beispiel für die schonende Renovierung seien die an der Wand entlang verlaufenden Heizungsrohre, die nicht mehr zum Heizen verwendet werden können. Sie werden aber belassen, da man sie als Kabelkanäle verwenden könne. Adaptiert werden hingegen die technischen Möglichkeiten, es fehle etwa eine Lüftungsanlage und der derzeit nicht vorhandene Lärmschutz.

In die drei historischen Säle kommen ein bestuhlter Veranstaltungsraum mit zirka 400 Sitzplätzen sowie ein Wirts- und ein Kaffeehaus. Zwischen den Räumen werden mobile Wände eingebaut, die je nach Veranstaltungsart zur Seite geschoben werden können. Dann kann man beim Wirt sitzen und mit Blick auf die Bühne ein Bier trinken und ein Gulasch dazu essen, sagt Jauk. Neben den denkmalgeschützten Sälen werden weitere Veranstaltungsräume und Büros für lokale Initiativen geschaffen. Als permanenter Mieter fix eingeplant sind bereits das Kulturnetz Hernals. Auch die Zukunftsorte, Plattform für innovative Gemeinden Österreichs, will man in das Etablissement bekommen. Weiters geplant sind konsumfreie Zonen mit Gratis-Internetanschlüssen, ein Greißler mit regionalen Produkten und einem leistbaren Angebot und weiters eine Weinbar in den originalen Weinkellern der Familie Gschwander, die selbst Weinbau betrieben hat. Insgesamt werden dem Etablissement 4500 Quadratmeter zur Verfügung stehen.

Der Umbau wird 12 Millionen Euro kosten. Getragen werden die Kosten von den Eigentümern Daniel Jelitzka und Reza Akhavan. Ob sich die Stadt auch daran beteiligt, stehe noch nicht fest, sagt Anna Resch von der für das Etablissement zuständigen Kunst- und Kommunikationsagentur Art phalanx. Derzeit werde über ein Beteiligungsmodell der Stadt Wien verhandelt.

Das Etablissement Gschwandner soll eine Anlaufstelle für Hernalser werden. Das fange bei der Küche des Wirtshauses an, so Oliver Jauk. Deswegen werde es eine Wiener Küche in alter und neuer Variante, vom Schwarzen Meer bis Mexiko geben. Es soll aber auch preislich nicht zu teuer sein. "Die Hernalser sollen schließlich nicht von außen durch die Scheibe reinschauen."

Kulturzentrum der Vorstadt#

Das Etablissement verstehe sich nicht als Konkurrenz zum naheliegenden Veranstaltungsort Metropol, sondern als Ergänzung. Von der Thematik werde es wenig Überschneidungen geben, sagt Jank. "Gemeinsam werden wir Hernals zum Kulturzentrum in der Vorstadt machen." Belebend will man auch auf die unmittelbare Nachbarschaft einwirken. Der sogenannte Hernalser Spitz, in dem sich das Etablissement befindet, gelte ja als "Problembereich mit vielen leerstehenden Geschäftslokalen", sagt Jauk. Durch das Kulturzentrum sollen auch viele junge Wirtschaftstreibende angezogen werden, die etwa die Hernalser Hauptstraße mit neuem Leben erfüllen. Die Strahlkraft des Etablissements soll aber auch über die Bezirksgrenzen hinausgehen.

Vor der Zwischennutzung wurde das Etablissement mehr als 60 Jahre als Lager für Transistorradios der Radiofirma Ingelen und danach als Filmrequisitenlager der Firma Schmiedl genutzt.

Von 1838 bis 1960 war das Etablissement eine der lebendigsten Vergnügungsstätten in der Vorstadt, so die Autoren Erich Bernard und Astrid Göttche in dem Buch "Das Gschwandner". Neben Konzerten gab es etwa Wäschermädel- und Fiakerbälle, kinematographische Vorführungen, Gartenschauen und Boxkämpfe.

Vier Generationen lang betrieb die Familie Gschwandner das Etablissement und empfing mehr als 25 Millionen Gäste. Das Gschwandner war in ganz Wien bekannt, heißt es in dem Buch, niemand hätte gedacht, dass es je aus dem Gedächtnis der Wiener verschwinden könnte. Nach mehr als 60 Jahren in Vergessenheit sperrt es nun im November 2014 wieder auf.

Wiener Zeitung, Samstag/Sonntag, 22./23. Juni 2013


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