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Heftchen#

(Auftakt einer Serie)#

von Martin Krusche

Im Austria-Forum ist nun ein Auftakt markiert, wonach das Kuratorium für triviale Mythen gelegentlich Hefte publizieren wird, von denen einige Linien unserer regionalen Wissens- und Kulturarbeit begleitet werden. Dabei handelt es sich primär um elektronische Publikationen, von denen aber einige auch als Druckwerke erscheinen werden. Es ist also eine Mischform der Ereignisse zwischen der alten Gutenberggalaxis und den neueren virtuellen Räumen, auf jeden Fall sehr stark in der Bücherwelt verankert.

Die ersten Hefte der neuen Reihe. – (Foto: Martin Krusche)
Die ersten Hefte der neuen Reihe. – (Foto: Martin Krusche)

Durch die Digitalisierung, schließlich auch die Implementierung im Web, wurde die konventionelle Textform um einige Optionen von Hyptertext erweitert. Der Begriff ist ein wenig in Vergessenheit geraten, mutmaßlich weil uns digital codierte, webgestützte Medienformen heute so alltäglich vertraut sind, daß über derlei Zusammenhänge nicht mehr nachgedacht wird.

In den 1980ern war es für uns im Kulturbetrieb noch recht staunenswert, daß mit Hyptertext eine Dokumentenart aufgetaucht ist, bei der ich an fast jeder Stelle einen Querverweis (Link) zu bestimmten Stellen in anderen Dokumenten anbringen kann, egal, ob das Text, Ton oder Bild betrifft.

Als Anfang der 1990er Jahre die Internetzugänge billiger wurden und sich das World Wide Web (WWW) als einer der beliebtesten Online-Dienste breit machte, befaßten wir uns außerdem mit dem Phänomen der Medienkonvergenz. Das bedeutet, plötzlich begannen verschiedene Medienarten ineinander aufzugehen.

Da sich zum Beispiel Text, Bild und Ton digitalisieren lassen, also mit den gleichen binären Codes notiert und mit den gleichen Maschinensystemen verarbeitet werden, ergaben sich damals völlig neue mediale Situationen. Die 1990er Jahre bescherten uns außerdem Erfahrungen, daß die dazu nötigen technischen Ausrüstungen sprunghaft billiger und auch leichter bedienbar wurden. Das bedeutet, ursprünglich sehr kostenintensive Vorgänge wurden quasi demokratisiert.

Es war durch die Benutzerführung bei der Software immer weniger hochkarätiges Expertenwissen nötig, um die Maschinen zu bedienen. Die Maschinen wurden preiswerter, die Software teilweise auch. Viele Menschen halfen sich dabei mit illegalen Raubkopien.

Es kamen Mischformen der Software-Nutzung auf, Begriffe wie Shareware, Freeware oder Public Domain klebten auf allerhand Disketten, die sich aus Katalogen ordern ließen oder diversen Fachzeitschriften beigelegt waren. Mit dem Avancieren von Compact Discs veschoben sich die Angebote massiv, da für uns plötzlich ganz andere Datenmengen handhabbar wurden.

Allerdings blieb genug an kulturellen Kompetenzen übrig, die man sich erarbeiten sollte, um in dieser völlig veränderten Info-Sphäre interessante Ergebnisse zu produzieren, welche nicht auf heftige Wow-Effekte gebaut waren, sondern auf relevante Inhalte. (Mehr dazu an anderer Stelle.)

Nun zurück zur dieser kleinen Reihe von Booklets, die einige Aktivitäten begleiten werden, wobei sich unter anderem auch das Austria-Forum stellenweise aus dem Web heraus in den analogen Raum verzweigt.

Wer (wie ich) Anfang der 1960er Jahre zur Volksschule ging, wird sich daran erinnern, daß Hefte und Heftln zweierlei Arten der Medien waren. Schulhefte galten beispielsweise als die gute Sorte. Eine andere Form war mit dem Begriff Schundheftln klar adressiert, was sich auf die Idee von „Schmutz und Schund“ bezog, die sich in unserer Gesellschaft finden ließ.

Wer mit Heftln erwischt wurde, mußte Sanktionen hinnehmen. Das meinte vorerst einmal Comic-Heftln, denn Comix galten als „Kulturschande“. (Vom Genre Graphic Novel wußten wir damals nichts.) Damit waren aber auch Romanheftln gemeint, also Trivialliteratur, die man uns abgewöhnen wollte.

Wir Proletenkinder sollten auf die kulturellen Ideale des Bildungsbürgertums eingestellt werden, um später zu erleben, daß genau dieses Bildungsbürgertum seine kulturellen Ideale weitgehend aufgegeben hat, um merkwürdigen Simulationen von Kulturgeschehen Platz zu machen.

Solche Ressentiments gegenüber „Schmutz und Schund“ trichterten uns damals Erwachsene ein, die Readers Digest abonniert hatten, eventuell auch den Lesezirkel mit seinem Sortiment an Illustrierten. (Wie ironisch diese Pose war, konnte ich als Volksschulkind noch nicht verstehen.)

Da meine Großmutter Marianne am Grazer Franziskanerplatz eine Trafik betrieb, war mir beides gut vertraut, Comic-Heftln und Romanheftln. Das kollidierte in keiner Weise mit der Kuriosität, daß mich andererseits eine hellwache Bibliothekarin in einem Kiosk der Stadtbücherei, welcher neben dem Rechbauerkino stand, systematisch mit Weltliteratur vertraut machte, indem sie mir Bücher vorlegte, von denen ich zuhause nie etwas gehört hatte.

Für mich sind daher Heftln eine Medienform, mit der ich vergnügt umgehe, auch wenn das derzeit sehr antiquiert erscheinen mag, zumal ich ja fast täglich sehe, wie dominant offenbar allerhand elektronische Devices geworden sind, wo Menschen lesen und kommunizieren.

Einige der Hefte werden auch als reale Drucksorte verfügbar sein. – (Foto: Martin Krusche)
Einige der Hefte werden auch als reale Drucksorte verfügbar sein. – (Foto: Martin Krusche)
Vor wenigstens zwei Jahrzehnten war eine Flut von Software zu erproben. – (Foto: Martin Krusche)
Vor wenigstens zwei Jahrzehnten war eine Flut von Software zu erproben. – (Foto: Martin Krusche)

Lassen Sie mich eine Vermutung deponieren, die vielleicht eine Art verkleideter Hoffnung ist. MP3-Player haben die Schallplatte aus Vinyl nicht abgeschafft. Es hat auch Video das Kino nicht versenkt, obwohl im Gegenzug Tonband- und Videokassetten heute definitiv zu den bedrohten Arten zählen. Menschen gehen in der Mediennutzung also eigenwillige Wege. So möge diese Heftl-Reihe als quasi Nischenereignis in eine unklare mediale Zukunft weisen, von der wir momentan noch keine gar so klare Vorstellung haben.

Das Kuratorium für triviale Mythen, Trägersystem dieser Publikationsreihe, habe ich übrigens 2009 konstituiert. Damals ging es mir darum, in unserer aktuellen Wissens- und Kulturarbeit Zusammenhänge aufzuspüren, die historisch vom Mythos zum Fetisch geführt haben, schließlich zur Kunst. Zitat: „Das bedeutet praktisch, wir haben nach einem plausiblen Zusammenhang gesucht, wie Alltagskultur, kreative Praktiken und Gegenwartskunst in einem gemeinsamen, soziokulturellen Projekt bearbeitet werden können. Und zwar so, daß sie nicht gegen einander aufgestellt und nicht zu einander hierarchisch geordnet werden müssen.“ (Quelle)

Inzwischen bezieht sich diese Arbeit auf mögliche Verbindungen zwischen Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst. Davon wird in dieser Publikationsreihe erzählt. Die ersten beiden Booklets in dieser Reihe beziehen sich auf die Arbeit in einem regionalen Vorhaben, das unter dem Titel „Dorf 4.0“ zusammengefaßt wird und von der kulturellen Kooperation dreier kleiner Gemeinden in der Oststeiermark handelt: Albersdorf-Prebuch, Hofstätten an der Raab und Ludersdorf-Wilfersdorf.


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