Kulturpolitik: Kritik#
(Nennen Sie Ihre Gründe!)#
Von Martin Krusche#
Aus der Antike ist uns ein Trick bekannt, der bis heute nichts an Popularität verloren hat. Wer sein Gegenüber möglichst in den Graben fahren möchte, verzichtet auf Argumente zur Sache und konzentriert sich auf Argumente zur Person.
Wird da auf Trennschärfe verzichtet, ist das ein verläßlicher Hinweis, daß man sich die Debatte sparen kann, denn wo verdeckte Intentionen wirken, ist zwischen unterschiedlichen Leuten kein Nutzen zu erarbeiten.
Wir befinden uns in einem epochalen Umbruch, von dem ich annehme, daß er so gravierend ist, wie zuletzt das Aufkommen der Schriftkultur. Was da an Veränderungsschüben wirkt, beschert uns interessante Krisen, in denen wir herausfinden müssen, ob wir es Richtung Katastrophe oder Richtung Katharsis schaffen werden. Wäre aktuell noch zu klären, ob wir uns zu kritischen Debatten aufraffen möchten, oder ob sich der Kulturbetrieb in Lamenti und Suderei erschöpfen darf.
Nachdem ich vor einer Weile per Post vom Anwalt eine Klagsdrohung erhalten habe, wo sich zwei exponierte steirische Funktionstragende von meinen kulturpolitischen Glossen behelligt und in ihrem Ruf geschädigt fühlten, aber lieber darauf verzichtet haben, in der Sache zur Sache zu kommen, bin ich nicht mehr sicher, welche Tendenzen in meinem Metier aktuell vorherrschen. Vor allem, weil diese Klagsdrohung a) aus der Kulturabteilung des Landes Steiermark und b) aus dem Vorstand der IG Kultur Steiermark kam. Dem hätte eigentlich ein Gespräch, eine Debatte vorausgehen müssen. Aber die Zeiten haben sich offenbar geändert.
Sortenreine Debatten?#
Ich mißtraue Leuten, die Einwände gegenüber ihren eigenen Ansichten in „konstruktive Kritik“ und „destruktive Kritik“ einteilen. Ich halte derlei Sortenbezeichnungen für Schwindel und die Zuschreibung „konstruktiv/destruktiv“ (bei schlampigem Denken auch „negative Kritik“), identifiziere ich als Anspruch auf Definitionsmacht; oder mindestens als Gefühlsduselei.Kritik ist Kritik, die entweder seriös/kompetent oder polemisch/inkompetent vorgebracht wird. Kritik heißt vor allem einmal: vergleichen, damit ich auf Grund von nachvollziehbaren Kriterien etwas beurteilen kann. Daher sollten meine Position, meine Gründe, meine Maßstäbe und meine Einwände halbwegs transparent sein. Sonst bleiben davon bloß Tratsch und Denunziation. Mein bevorzugte Modus läßt sich so skizzieren:
- Ich zitiere, was ich kritisieren möchte.
- Ich nennen die Quelle, damit bei Bedarf überprüft werden kann, ob ich korrekt zitiert habe und mein Einwand überhaupt Relevanz hat.
- Ich nenne meinen Einwand, lege also meine Gründe dar.
Wer dazu nicht bereit ist, bespielt den Boulevard, produziert Tratsch und Kolportage. Kritik wird daraus keine. Ist es also vor allem Spannungsabfuhr und liegt darin kein Angebot zu Erkenntnis, nützt mir das nichts. Diese boulevardeske Suderei ist bloß ein hilflos zusammengeklitterter Beitrag, um bestehende Problemlagen zu befestigen...
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