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Wie sich die IT doch änderte#

G. A. Gamauf, Sommer 2017


1964 maturierte ich in ‘Little Oxford’, aka Oberschützen im Südburgenland. Den Ausdruck ‘Datenverarbeitung’ hatte ich bis dahin noch nie gehört.

Schule
BRG Oberschützen
Zeugnis
Zeugnis

Studium an der Technischen Hochschule in Graz. Professor Florian liest ‘Einführung in die Datenverarbeitung’ und ‘Algol’, eine eher mathematisch orientierte Programmiersprache. Wie wir heute wissen, hat er das extra für seine Studenten erst selbst gelernt.

Übungen zu ‘Markow-Ketten’. Wir konnten einen Computer in Köln - via Telefon - anwählen und via Lochstreifen mit ihm ‘sprechen’. Ich vermute sein Output ratterte als Liste auf Endlos-Papier aus einem Drucker.

Keinerlei praktische Anwendung von Datenverarbeitung in den Fächern Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen. Heute konstruiert man mit CAD/CAM!

Ich fand noch zwei Zeugnisse von damals.

Erste praktische Anwendung in meinen letzten Sommerferien, 1970 bei IBM in Graz.

Lochkarte
IBM 80 Spalten Lochkarte. Foto: Alexander Mayer 1975 aus Wikicommons, unter CC0 1.0 Universal

Zweiwöchige Ausbildung in 'RPG', das war eine Programmiersprache für die Erstellung von Listen, Berichten.

Sommerlicher Einsatz bei der Maschinenfabrik Andritz in Graz. Ich programmierte einen neuen Lohnzettel.

Eifrig wie ich war, marschierte ich auch an einem Wochenende in die Firma, vorbei am Pförtner, allein in den Maschinenraum. (Man denke an heutige Security-Richtlinien!)

Der Compiler, ein Programm, das ‘source code’ in Maschinensprache übersetzt, musste aus einer Schachtel von Lochkarten in eine IBM S/360 geladen werden.

IBM S/360
IBM S/360 im Deutschen Museum in München. Foto: Ben Frankse, August 2006 aus Wikicommons, unter CC BY-SA 2.5

Das war schon eine sehr moderne Maschine, wahrscheinlich so ‘mächtig’ wie heute jedes Smartphone.

Allerdings drückte ich auf den falschen Knopf und es wurde in die (Compiler-)Lochkarten gestanzt, statt dass diese gelesen wurden. Ich stellte sie still und leise wieder an ihren Aufbewahrungsort, ein offen zugängliches Regal an der Wand mit sehr vielen solcher Schachteln. Ebenso still und leise ging ich heim in mein sommerliches Zimmer. (Im Studentenheim konnten wir über den Sommer nicht bleiben, wir mussten sogar alle unsere Habseligkeiten mitnehmen.)

Mein schlechtes Gewissen wurde Montag Früh von den Mitarbeitern der EDV-Abteilung der Firma Andritz mit gutmütigem Gelächter belohnt. Offenbar gab’s noch einen zweiten Satz Lochkarten mit dem RPG-Compiler.

Übrigens, alles Obige am Großrechner; PC und Internet waren noch nicht erfunden.

Weil ich mit Andritz’ Gehaltszettel nicht ausgelastet war, brachte ich mir im IBM-Büro in der Kaiserfeldgasse 'Fortran' und 'Cobol' bei, mit damals modernsten Selbstlern-Büchern, dicken Wälzern, keine Rede von ‘Computer Aided Education (CAE)’ auf einem PC. Jedenfalls beeindruckte das meinen Vorgesetzten, den SE-Manager und den Geschäftsstellenleiter sehr. ‘Wenn Sie dann mit dem Studium fertig sind, rühren Sie sich bitte wieder bei uns!’

Was ich auch tat. Leider widerfuhr mir inzwischen ein Schiunfall und ich konnte nicht wie geplant gleich nach Abschluß des Studiums meinen Wehrdienst absolvieren. ‘Schade, wir nehmen nur Leute mit absolviertem Wehrdienst’, reagierte der Geschäftsstellenleiter. ‘Dann fang ich halt inzwischen bei einer anderen Firma an’, war meine Reaktion. Daraufhin griff er zum Telefon und wenige Tage später begann ich bei IBM in Wien meine Laufbahn, die 30+ Jahre dauern sollte.

IBM Haus Wien
Das IBM Haus am Donaukanal, Foto: E. Judt, 2013

Ausbildung in PL/1 und JCL in Stuttgart Böblingen, zusammen mit ca. dreißig ähnlich jungen Männern. Ich kann mich nur an eine einzige Frau erinnern, die war unter den Instruktoren. Wir wohnten alle in einem noblen (im Vergleich zu meinem Einzelzimmer im Studentenheim, das ich auch schon als enormen ‘Aufstieg’ empfunden hatte) im Hotel gleich neben dem IBM-Ausbildungszentrum. Danach erstes Büro im IBM-Haus am Donaukanal, im zehnten Stock, mit Blick auf St Stephan. Wieder ein ‘Aufstieg’.

Unter anderem mein erstes Online-Programm, Zugriff mit DL/I auf IMS-Datenbanken. Eingabe einer Kundennummer, auf dem schwarz-grünen Bildschirm erscheinen Kundenname, Adresse, etc .

Programme schrieben wir auf 80-spaltigen Formularen. Die wurden in die ‘Locherei’ geschickt. Du kriegtest eine Schachtel von Lochkarten retour, kontrolliertest was die Damen in der Locherei aus deiner schlechten Schrift gemacht hatten und korrigiertest.

Dann wurde die Schachtel mit den Lochkarten in den Maschinenraum geschickt (zwei Mal pro Tag mit Wagerl), zurück kamen Listen, du kontrolliertest die formalen Programmierfehler. Dann erster Lauf des Programms (ebenfalls mit Wagerl in den Maschinenraum), du kontrolliertest deine Denk- oder Logikfehler.

Dieser Zyklus wurde oftmals durchlaufen. Noch immer finde ich es un-erklärlich, dass Aufgabenstellungen in (fast) der gleichen Zeit erledigt wurden wie heute.

Portsmouth
Portsmouth

Nach viereinhalb Jahren in Wien, für mich Portsmouth in England. In einer Gruppe von ca. tausend Mitarbeitern, ca. zehn Prozent davon aus (wirklich) aller Herren Länder.

Statt Lochkarten, Wagerl und Listen - Terminals (noch immer schwarzer Bildschirm mit grünem Text, TSO statt Batch-Verarbeitung).

Nach einem Jahr mein erstes Team, bestehend aus zwölf Mitarbeitern, jeder aus einer anderen Nation (England, Südafrika, Kanada, Ungarn, Schweden, Norwegen, Indien, Australien, USA, Japan, … ), sehr unterschiedlich gut, kostete mich viel Schweiß und Nächte.

Das bescherte mir auch bald mein erstes ‘burn-out’, damals noch nicht so genannt und verschämt verschwiegen, solange wie möglich. In dem Zusammenhang: englische Vorgesetzte verstanden es viel besser als (später) österreichische, einen dezent aber wirksam wieder ‘aufzubauen’.

Zurück in Österreich installierten und betrieben wir das weltweit ‘umfangreichste (an ‘lines of code’)’ Administrationssystem ‘WTAAS’ ein-mal in Wien und unterstützten damit das IBM business für 40+ kleinere Länder. Schlagwort ‘do once - run many’, ‘MCO’ - Multi Country Operation. Das sollte sich später zu ‘do once - run once’ weiter entwickeln, eine Installation für ‘alle’ IBM-Länder der Erde. Möglich war das, weil Großrechner und Netze immer ‘mächtiger’/leistungsfähiger wurden.

In all dieser Zeit waren Benutzer via ‘dumb terminals’ mit den Anwendungen am Großrechner verbunden, Client-Server-Anwendungen, mit zumindest einem ‘front-end’ am PC waren noch in weiter Ferne.

Aber schön langsam erhielten eifrige Mitarbeiter PCs, die man in der IBM abschätzig ‘Spielzeuge’ nannte und wir probierten diese ‘standalone’, also nicht vernetzt, aus, z.B. für Text- und Tabellenverarbeitung. IBM hatte dazu ein eigenes Betriebssystem entwickelt, OS/2, in Anlehnung an ihr PS/2-Gerät. Nach Aussagen von Experten besser als MS ‘Windows’, aber es setzte sich nicht durch, obwohl schon mit grafischem User-Interface. Auch wir Mitarbeiter installierten ‘heimlich’ schon Windows.

Ins Internet bin ich im Rahmen eines Kurses, gehalten übrigens von einem eifrigen Bibliotheks-Mitarbeiter der ‘BOKU’, zu Beginn der 90er Jahre (des 20. Jahrhunderts) eingestiegen, Antworten kamen in grüner Schrift auf schwarzem Schirm zurück. Grafik kam später.

Rasant ging die technologische Entwicklung weiter. Vielleicht folgt eine Fortsetzung meinerseits.


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