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Der sympathische Grantler#

Vor hundert Jahren wurde der Schauspieler und Schriftsteller Fritz Eckhardt geboren, der jahrzehntelang zu den Publikumslieblingen des österreichischen Fernsehens gehörte.#


Von der Wiener Zeitung freundlicherweise zur Verfügung gestellt. (Samstag, 1. Dezember 2007)

von

Friedrich Weissensteiner


Fritz Eckhard
Fritz Eckhard
© Wiener Zeitung

Er war keineswegs telegen, und doch war er auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Schauspieler und Autor, von den sechziger bis hinein in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ein TV-Star, so widersprüchlich das auch klingen mag. Damals verging kaum eine Woche, in der der korpulente, Bonhomie ausstrahlende Mime mit seinem Humor, seiner Schlagfertigkeit und seinem ideensprühenden Witz nicht das österreichische wie das deutsche Fernsehpublikum faszinierte. Eckhardts Fernsehserien waren Serienerfolge, machten ihn ungeheuer populär und füllten sein Portemonnaie.

Die Krimi- und Unterhaltungsserien, die aus den offenbar unerschöpflichen Quellen seiner Phantasie sprudelten, hatten etwas gemütlich Österreichisches an sich, aber sie wirkten keineswegs langweilig. Sie waren nicht knallhart und bluttriefend, sondern witzig und unterhaltsam, sie lebten von klugen Einfällen und überraschenden Wendungen, einem Mix aus Humor und Spannung, der die gesamte Gefühlsskala der Zuseher ansprach und beanspruchte.

Fritz Eckhardt schrieb sich in diesen Fernsehspielen auch gleich maßgeschneiderte Rollen auf den Leib. Den Fabrikanten Haslinger in "Wenn der Vater mit dem Sohne" mit Peter Weck etwa, den Portier in "Hallo. . . Hotel Sacher. . . Portier" mit Maxi Böhm, den Oberinspektor Marek im "Tatort", der unzählige Male über die Fernsehschirme flimmerte. Er schrieb außerdem 75 Folgen der populären ORF-Serie "Familie Leitner", insgesamt mehr als zweihundert Film- und TV-Drehbücher, verfasste etwa dreißig Theaterstücke und führte Regie. Das verlangte viel Fleiß und große Arbeitsdisziplin, Eigenschaften, die essenziell zum Charakterbild des vielseitig Begabten gehörten. Der pointenschleudernde Witzbold, den er vordergründig mimte, verbrachte viele Stunden des Tages am Schreibtisch. Fritz Eckhardt, die Personifikation des Wiener Schmähs, war bis ins hohe Alter ein nimmermüder Workaholic.

Der einzige Sohn eines unverheirateten Schauspielerehepaares erblickte am 30. November 1907 in Linz an der Donau das Licht der Welt. "Das war damals eine kleine Katastrophe ", schreibt er in dem von Georg Markus herausgegebenen Band "Mein Elternhaus", "vor allem für meine Mutter, denn eine uneheliche Geburt galt noch als Schande und Verworfenheit."

Die Eltern heirateten bald, um den Buben kümmerten sie sich wenig. Sie hatten viel zu tun, hasteten von einer Vorstellung in die nächste, wechselten oft den Wohnsitz. Für das körperliche Wohlbefinden und die Erziehung des Kindes sorgten eine Kinderfrau, die Großeltern mütterlicherseits und vorübergehend eine Familie in Pressburg, die den kleinen Fritz in Kost und Quartier nahm.

Die Mutter, zu der er keinerlei Bindung hatte, starb, als er neun Jahre alt war, der Vater heiratete ein zweites Mal. Jetzt erst wurde dem Bub die Liebe und seelische Wärme zuteil, die er benötigte, denn die Stiefmutter war eine fürsorgliche Frau. "Ich verdanke ihr mehr als jedem anderen Menschen, der in meinem Leben eine Rolle gespielt hat. Sie hat einen Menschen aus mir gemacht", erinnerte er sich Jahrzehnte später. Und diesen erzieherischen Erfolg erreichte sie nur mit Güte.

Unruhige Kinderjahre#

Im Ersten Weltkrieg wurde Eckhardts Vater mit der Leitung des Fronttheaters in Triest betraut. Das bedeutete einen neuerlichen Wohnungswechsel der Eltern, den der Filius jedoch nicht mitmachen durfte. Er wurde der Obhut der Großmutter stiefmütterlicherseits übergeben, die ihm ebenfalls eine warme Fürsorglichkeit angedeihen ließ.

Der oftmalige Erziehungs - und Domizilwechsel wirkte sich auf die schulischen Leistungen des Knaben ungünstig aus. Am Gymnasium in Horn (NÖ) fiel der Konviktschüler in der dritten Klasse mit Bomben und Granaten durch. Schließlich gelang ihm an der Heidehof-Schule in Stuttgart, wo er mit dem Besuch einer Aufführung des "Lohengrin" den Grundstein für seine Opernbegeisterung legte, dann doch der Abschluss der mittleren Reife.

Den Entschluss, in die Fußstapfen der Eltern zu treten, fasste Fritz Eckhardt bereits als Jüngling. Er absolvierte die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien und trat am 1. September 1924 in das Deutsche Volkstheater ein, übrigens gemeinsam mit Paula Wessely, Siegfried Breuer (der zeitlebens einer seiner besten Freunde war) und Karl Paryla. Mit der Wessely an der Hand stellte er sich zum allerersten Mal dem Wiener Publikum vor, allerdings nur, um sich artig zu verbeugen. Die Rollen, die er dann bekam, waren unbedeutend, aber er lernte viel, machte Bekanntschaft mit großen Schauspielern und lernte zwei Dichter persönlich kennen: Gerhart Hauptmann und Arthur Schnitzler.

Nach der Elevenzeit ging es ab in die Provinz, nach Reichenberg, Aussig und Karlsbad, wo es damals deutschsprachige Theater gab. Große Rollen, von denen er träumte, den Don Carlos etwa oder den Prinzen von Homburg, vertrauten ihm die Direktoren aber nicht an. Er musste sich mit Nebenrollen begnügen, mit seufzenden Liebhabern und komischen Adeligen. Über Hannover und Den Haag gelang ihm dann der Sprung an die Rotter-Bühnen in Berlin. Die Brüder Fritz und Alfred Rotter beherrschten damals in der betriebsamen deutschen Kulturmetropole ein riesiges Theaterimperium.

Fritz Eckhardt betätigte sich in Berlin jedoch nicht nur als Schauspieler, sondern erstmals auch als Autor. Gemeinsam mit seinem Freund Fredi Frank schrieb er das Libretto des Millöcker-Singspiels "Das verwunschene Schloss" um, das in Weimar ein großer Erfolg wurde. Seine Mitarbeit blieb allerdings unerwähnt. Die NS-Ära war angebrochen, und Fritz Eckhardt wurde als Halbjude beziehungsweise als "Mischling ersten Grades", wie das im nationalsozialistischen Rassenwahnjargon hieß, zur persona non grata. Sein BerlinAufenthalt fand ein abruptes Ende. Fritz Eckhardt kehrte in seine österreichische Heimat zurück.

Vom deutschen Kulturleben ausgeschlossen, erkor der politisch Verfemte Wien zu seinem Betätigungsfeld. Er schrieb Sketches für die legendäre, von Stella Kadmon gegründete und geleitete Kleinkunstbühne "Der liebe Augustin", führte im Kabarett "ABC" (Alsergrund Brettl City) Regie und lebte im Übrigen von der Hand in den Mund. Bis ihn im März 1938 die Weltgeschichte in Gestalt von Adolf Hitler abermals einholte, was ihn zur sarkastischen Bemerkung veranlasste: "Jetzt kommt mir der auch nach Österreich nach. Ich weiß nicht, was der Kerl an mir findet."

Vor die Alternative gestellt, zu emigrieren oder zu bleiben, entschloss er sich für Letzteres. Mit Einwilligung seines Freundes und Mitarbeiters Franz Paul gestaltete er Programme für den arisierten "Simpl" und die vom Schauspieler Adolf Müller-Reitzner im Jänner 1939 gegründete Kleinkunstbühne "Wiener Werkel", der er mit dem Stück "Das chinesische Wunder" einen Riesenerfolg verschaffte. Die Handlung, die sich scheinbar um die Besetzung Chinas durch die Japaner drehte, war eine witzige Glossierung der deutschen Besetzung Österreichs.

Es grenzte an ein Wunder, dass die Nazis gute Miene zum bösen Spiel machten. Das "Wiener Werkel" durfte bis zur allgemeinen Theatersperre im Herbst 1944 weiter machen. Franz Paul blieb ungeschoren, Fritz Eckhardt wurde bei der Firma Duhan als Dreher kriegsdienstverpflichtet und überlebte das Dritte Reich um ein halbes Jahrhundert.

Der Neubeginn#

Das Jahr 1945 markierte für den Überlebenskünstler einen zwar nicht unbeschwerlichen, aber politisch unbeschwerten Neubeginn. Am 4. August 1945 heiratete er die Dentistin Hildegard Pribitzer. Einer der standesamtlichen Trauzeugen war Viktor Matejka, der legendäre Stadtrat für Kultur und Volksbildung. In den nächsten Jahrzehnten war Hilde, die sein Privatleben in Ordnung brachte, seine Gagen aushandelte und seine Termine koordinierte, der sichere Ankerplatz, das große Glück seines Lebens.

Beruflich legte sich der passionierte Frühaufsteher und Kettenraucher gehörig ins Zeug. Er übernahm die Direktion des Wiener Künstlertheaters, das jedoch bald pleite machte, leitete kurzzeitig auch den wieder eröffneten "Lieben Augustin", schrieb in seiner Wiener Wohnung und später in seinem Haus in Klosterneuburg mit Arbeitszimmerblick auf das herrliche Stift Rundfunkhörspiele und Drehbücher, spielte Theater und wirkte in Filmen mit, beispielsweise in Helmut Käutners "Die letzte Brücke" mit Maria Schell oder mit Paula Wessely in "Ich und meine Frau". 1955 landete er mit dem Lustspiel "Rendezvous in Wien", einer blitzgescheiten Parodie auf die vier Besatzungsmächte, das von der Josefstadt an zahlreiche europäische Bühnen ging und sogar am Broadway aufgeführt wurde, einen riesigen internationalen Erfolg. Ein Drehbuch für einen Hollywood-Film über Johann Strauß blieb bloß Episode.

Mit seiner Arbeit für das Fernsehen begann dann einige Jahre später der Aufstieg zum Gipfel der Popularität. Es waren seine erfolgreichsten und glücklichsten Lebensjahre. 1987 traf den erfolgsverwöhnten, sympathischen Grantler ein schwerer privater Schlag, als seine geliebte Frau Hilde aus dem Leben schied. Fritz Eckhardt kam zwar seinen vertraglichen Verpflichtungen weiter nach, seine Schaffenskraft war aber gebrochen. Er entzog sich immer mehr der Öffentlichkeit.

Der Schauspieler, Regisseur und Autor, dem der ORF seine erfolgreichsten Unterhaltungsserien verdankt, schied am Silvestertag des Jahres 1995 im Altersheim der Caritas in Klosterneuburg aus dem Leben.

Friedrich Weissensteiner, geboren 1927, hat sich als Autor zahlreicher Sachbücher einen Namen gemacht.

Vor kurzem ist sein letztes Werk erschienen:

Diese Sammlung biographischer Skizzen bildet den Schlusstein von Weissensteiners reichem publizistischen Werk, denn ein weiteres Buch möchte er nicht mehr schreiben.

  • Berühmte Österreicher. 50 Porträts von Maria Theresia bis Helmut Qualtinger (Kremayr & Scheriau, Wien).

Wiener Zeitung, Samstag, 1. Dezember 2007


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