Die Modernen auf der Sprungmatte#
Das 21er Haus zeigt die Schau "Peter Baum - Fotografien" - das 20er Haus im Aufbruch der 1960er Jahre.#
Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung (Mittwoch, 21. Mai 2014)
Von
Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Er war eigentlich Maler und als solcher liebte er den abstrakten Expressionismus, schrieb 1962- 1973 für drei Tageszeitungen und ein Kunstmagazin als Kunstkritiker, und zuletzt wurde er, 1974, der Gründungsdirektor der Neuen Galerie in Linz (heute Lentos Museum): Peter Baum. Ganz nebenbei arbeitete er auch als Ausstellungsorganisator für zwei Wiener Galerien und fotografierte seit seiner Schulzeit immer selbst. Nun hat er dem 21er Haus sein Konvolut an künstlerischen Fotodokumenten der frühen Zeit des 20er Hauses geschenkt und damit dem Archiv einen besonderen Zuwachs beschert.
Viele bekannte Gesichter sind hier zu finden, eigentlich ein Teil der Wiener Kunstgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber auch so manches außergewöhnliche Kunstwerk wie Walter Pichler mit seinem "Tragbaren Schrein" oder Peter Pongratz mit seinen Querschnitten. Baum hatte einen Blick für das Avantgardistische und seine Protagonisten.
Aufbruchstimmung#
Nachdem der Pavillon der Weltausstellung 1958, Baums Maturajahr, nicht nach Linz, sondern nach Wien kam und endlich, sehr spät, 1962 ein Museum des 20. Jahrhunderts gegründet wurde, beginnt die Serie natürlich mit Gründungsdirektor Werner Hofmann und seiner aparten Gattin Jacqueline, einer französischen Dichterin, die in einem Gespräch mit dem legendären Galeristen Daniel Henry Kahnweiler zur Pressekonferenz einer Ausstellung mit Bildern von Fernand Léger von Baum abgelichtet wurde.
Hofmanns distanzierte Gestik - auch mit dem international bekannten Architekten Richard Neutra 1969 - kann man mit der lockeren Art seines Nachfolgers Alfred Schmeller, selbst im Gespräch mit Bruno Kreisky und Arik Brauer, vergleichen. Die sozialistischen Politiker waren damals offenbar mehr im Museum als heute, aber auch Monsignore Otto Mauer scheint unter den Gästen auf. Seine Galerie nächst St. Stephan war der zweite Ort der Entdeckungen neuer Kunst.
Zudem traten unter Hofmann internationale Größen wie Antoni Tàpies auf, aber auch Roland Goeschl und Arnulf Rainer bekamen erste Personalen. Rainer bemalte sich 1968 kurz vor der Eröffnung das Gesicht wie ein schwarzes Surrealistengemälde, und Baum überredete ihn, sich von drei Seiten wie für eine Verbrecherkartei aufnehmen zu lassen. Als einem der wenigen gelang dem Fotografen auch ein Tausch von Werken mit diesem Künstler.
Von Hundertwasser zu Jelinek#
Unter Schmeller war die Hüpfwiese von Haus-Rucker-Co zur Ausstellung "Live" eine Sensation, Friedensreich Hundertwasser forderte die "Baumpflicht" für jede Fensterreihe, es gab aber auch zur Landung von Apollo 11 eine Weltraumausstellung 1969; nicht nur rein bildende Kunst also, selbst die Dichter und der Jazz waren im 20er Haus beheimatet. Das Programm wechselte häufig, die Besucherzahlen waren im Vergleich zu heute gering, aber damals sensationell. Er sei im 20er Haus zu Hause gewesen, meint Baum zu fotografierten Lesungen von H. C. Artmann und Elfriede Jelinek. Oft ging er in den ersten Stock und fing von oben mit der Kamera die Stimmung ein, bevor er mit 34 Jahren in Linz der jüngste Museumsdirektor Österreichs wurde. Sein Engagement für die Avantgarde hat bis heute nicht nachgelassen, doch nun geht er auch daran, sein Archiv zu öffnen.
Im langen Korridor zwischen Lokal und Wotrubastiftung sind 36 Schwarz-Weiß-Aufnahmen zu finden, von denen einige schon zu Ikonen der Kunstgeschichte zählen. In der Artothek darunter gibt es fast ein Dutzend Malereien Baums, die auf die Vielseitigkeit dieses wichtigen Zeitzeugen hinweisen.
Ausstellung
Peter Baum - Fotografien
Alfred Weidinger (Kurator)
21er Haus
Bis 19. Oktober 2014