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Otto Wagner (1841 - 1918)#


Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem Buch: Große Österreicher. Thomas Chorherr (Hg). Verlag Carl Ueberreuter, Wien. 1985.


Kirche am Steinhof
Kirche am Steinhof
© P. Diem

Der Architekt Otto Wagner, von 1894 bis 1913 Professor an der Wiener Kunstakademie, stellte Wien zu Beginn des Jahrhunderts in die erste Reihe jener Weltstädte, die in der architektonischen Erneuerung ganz weit vorne standen - wobei es weit mehr seine Ideen, Entwürfe und Planungen waren, die Aufsehen erregten, als die realisierten Projekte. Otto Wagners erste bekannte Arbeit war die Beteiligung am Wettbewerb für den Neubau des Kursalons; er gewann zwar den ersten Preis, aber ein anderes Projekt wurde verwirklicht - ein Schicksal, das ihm später noch sehr oft widerfahren sollte. Vielleicht ist es diese Enttäuschung gewesen, die sein späteres Wirken unter eine Devise gesetzt hat, welche zwar Semper erstmals formuliert, die aber Wagner erst zu realisieren imstande war: Artis sola domina necessitas. Einzige Beherrscherin der Kunst ist der Nutzen. Es war das Bekenntnis zum reinen »Nutzstil«: Schön ist, was praktisch ist. Und doch ist auch Otto Wagner in diesen Nutzstil erst hineingewachsen, seine architektonischen Anfänge sind noch stark dem Wiener Barock verwandt, und auch der Gegensatz Wagners, daß jedes Bauwerk so beschaffen sein müsse, daß es für einen bestimmten Blickwinkel wirke, von einer bestimmten Seite her gesehen werden müsse, wurzelt im Barock. Für die Silberhochzeit des Kaiserpaares hat er 1879 Festdekorationen geschaffen, die noch ganz diesem Prinzip anhafteten. Und in seinem Grundsatzprojekt »Artibus«, dem Entwurf eines Museumsbezirks für Wien, der 1880 auf dem Reißbrett entstand, hat Wagner Ideen mitklingen lassen, die an Fischer von Erlach gemahnen, wenngleich er sich da schon dem Neuklassizismus näherte, der dem Ringstraßenstil seiner Lehrer eigen war.

Wagner beteiligte sich immer wieder an Wettbewerben - und kam nie zum Zug. Er rang um Anerkennung, auch international, und konnte sich doch vorerst »nur« verwirklichen, indem er Villen und Miethäuser baute, letztere im übrigen auch als Bauherr, nicht nur als Architekt. Hier freilich hat sich Wagners Stilwandel, die Wendung hin zur Moderne, bereits deutlich bemerkbar gemacht. Noch beim Haus Stadiongasse 6-8 meinen Experten barocke Spuren zu entdecken. Ganz anders hat Wagner bereits sein eigenes Wohnhaus am Rennweg konzipiert, wieder anders entwarf er die beiden Miethäuser in der Linken Wienzeile, die berühmten »Wagner-Häuser«, die ein Projekt vorwegnahmen, welches nie verwirklicht worden ist. Entlang des überwölbten Wienflusses sollte ein »Wien-Boulevard« entstehen, gleichsam das, was man im ausgehenden 19. Jahrhundert als »Westeinfahrt« zu verstehen glaubte. Die Dekoration der beiden Häuser, die Wagner für diesen projektierten Boulevard baute, entsprechen ganz dieser Idee - und noch einer zweiten. Auch in einer Häuserreihe sollte das Einzelbauwerk als künstlerische Individualität bestehen bleiben. Vollendet hat Wagner diese Idee in seinen Villenbauten entwickelt, vor allem in den beiden Häusern in der Hüttelbergstraße. Noch hat der dekorative Stil den Höhepunkt nicht überschritten, aber der Übergang zu Wagners Grundprinzip des Nutzens im Bau deutet sich bereits an. Wie er dies in der Praxis verstand, hat Otto Wagner dann auf wunderbare Weise in seinen Stadtbahnbauten zu beweisen versucht. Mit ihnen ist ihm der Durchbruch in die erste Reihe der damaligen architektonischen Weltelite gelungen. Nur bei einem einzigen dieser rund dreißig Stationsgebäuden ist Wagner von seinem Prinzip des Funktionalismus abgegangen: als er, in rein imperialem Stil, den Schönbrunner Kaiserpavillon baute.

Engel an der Steinhofkirche
Engel an der Steinhofkirche
© P. Diem

Es sind freilich mehr seine Mietshäuser und seine Bürobauten gewesen, die von seinen Zeitgenossen geschätzt wurden, als die Monumentalentwürfe. Obwohl Bürgermeister Lueger dem großen Architekten zugetan war, ist es selbst dem Stadtoberhaupt nicht gelungen, das Wagnersche Projekt eines Städtischen Museums am Karlsplatz durchzusetzen. Zu heikel war für die damaligen Expertengremien die Randverbauung der riesigen, durch die Überwölbung des Wienflusses entstandenen und von der barocken Karlskirche dominierten Fläche. Nur mit seinem Doppelbau der Stadtbahnpavillons hat sich Wagner hier verewigen können - wie er überhaupt nur ein einziges Mal, mit dem Postsparkassengebäude, in unmittelbarer Ringstraßennähe einen seiner geliebten Monumentalbauten aufrichten konnte.

Entwurf blieb sein preisgekrönter Generalregulierungsplan für Wien, Entwürfe blieben seine Projekte für das Technische Museum, den Neubau der Universitätsbibliothek und der Kunstakademie. Sein Hang zum imponierend monumentalen Sakralbau, den er durch das Projekt eines Neubaus der Kapuzinerkirche samt Kaisergruft manifestierte, konnte nur ein einziges Mal Früchte tragen. Er baute die grandiose Kuppelkirche der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof. Aber sein Drang, Ideen weiterzugeben und Zündfunken entstehen zu lassen, ist voll verwirklicht worden: Für eine Generation von Architekten ist Otto Wagner Lehrer, Mentor und geistiger Vater gewesen. Viele entstammten jenem Planungsbüro, das Wagner zusammenstellte, als er die Stadtbahnbauten errichtete. Viele kamen aus dem Dunstkreis der Secession, der auch Wagner angehörte. Etliche, wie etwa Josef Hoffmann, schufen selbst einen neuen Stil. Sie alle aber setzten jene Richtung fort, die Otto Wagner begonnen hatte: die Wendung hin zur Moderne, als »Nutzstil« beschrieben, als Auftakt des 20. Jahrhunderts empfunden.

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