Otto Wagner – Ein österreichischer Baukünstler der klassischen Moderne#
Von Ernst Zentner
Otto Wagner kam 1841 in Penzing bei Wien zur Welt. Es war die Epoche des Biedermeiers und des Vormärz‘. Er starb im letzten Jahr der Donaumonarchie 1918. Er lebte in der Ära Kaiser Franz Josephs von Österreich-Ungarn.
Wagner entstammte großbürgerlichen Verhältnissen. Er studierte zuerst in Berlin (Bauakademie) und danach in Wien (Technische Hochschule). Damals besuchte er Vorlesungen von Sicardsburg und Van der Nüll – Im gleichen Jahr 1861 erhielten sie den Auftrag das k. k. Hofoperntheater zu errichten. Wagner unternahm auch eine Maurerlehre bei einem Wiener Stadtbaumeister. 1862 trat er einem Atelier bei. Jedenfalls stand er im Kreis der Historismus-Architekten Ludwig Förster und Theophil von Hansen (Parlament!). 1864 Selbstständig: Wagners Architektenleben war von der Erneuerung der Residenzstadt gekennzeichnet. In den 1850er Jahren entstand der Prachtboulevard Ringstraße mit seinen repräsentativen – konservativen – Historismus-Bauten. Er reichte Wettbewerbsbeiträge ein. Ohne Erfolg. Aber zumindest schuf er in Wien-Alsergrund ein Theater (1864/65; nur mehr Fassade erhalten) und in Budapest gestaltete er eine Synagoge (1871/72). In den 1870er und 1880er Jahren schuf er Wohn- und Geschäftshäuser sowie Villen. Jedoch waren sie eher rudimentär vom Historismus gekennzeichnet. Sein eigener Stil begann.
1879 baute er die Dekorationen für das Festzelt vor dem Burgtor für die Silberne Hochzeit des Kaiserpaares (Makart-Festzug). Danach nahm er an Wettbewerben für den Berliner Reichstag und das Budapester Parlament und Amsterdamer Börse teil.
Für seine Familie baute er im Westen Wiens eine Villa ("Villa Wagner I"). Sie steht am Rande des Wienerwaldes. Sie wirkte historisierend.
Wien war damals von dörflich beeinflusste Stadtteile geprägt. Wagner entwarf einen Generalregulierungsplan für die Stadt. Sie sollte zu einer Metropole mit vier Millionen Einwohner werden. In den 1890er Jahren erhielt Oberbaurat Professor Wagner den Auftrag die Bauten für die Wiener Stadtbahn zu entwerfen und zu realisieren. Sogar Personenwaggons entwarf er (TMW), die europaweit eingesetzt wurden. 1901 wurde die Stadtbahn vollendet. Jedoch ihre Architektur (Hochbauten, Stationen, Brücken) wurde erst in den 1960er Jahren als wertvoll erkannt.
Zu seinen Schülern zählten Josef Hoffmann (Architektur und Design), Adolf Loos (Architekt) und Joseph Maria Olbrich (Secession).
Wagner wurde 1897 Mitarbeiter im Museum für Kunst und Industrie (MAK). Seine Vorschläge für die Neue Burg und Kaisergruft wurden ignoriert.
Zumindest am Naschmarkt errichtetet er drei – inzwischen wichtige Wienfotomotive – Wohn- und Geschäftshäuser (1898/1899). Für den Donaukanal errichtete er das Nußdorfer Wehr. Ein Bau der Niederösterreichischen Landesirrenanstalt am Steinhof (!) folgte und die dazugehörige Kirche (1904-1907) – mit vergoldeter Kuppel weithin sichtbar und eines der Wahrzeichen Wiens.
Das k. k. Postsparkassenamt (1903-1906 und 1910-1912) nahe der Ringstraße gilt als weiteres Hauptwerk. Gegenüber befindet sich das imperiale k. u. k. Kriegsministerium, das nicht von Wagner geschaffen wurde und den Zeitgeist widerspiegelte.
Bis 1910 legte er mehrere Entwürfe für das Kaiser-Franz-Josef-Stadtmuseum vor. Aber erst Ende der 1950er Jahre wurde ein eher karger Neubau am Karlsplatz hochgezogen. Ein Projekt für den Platz wurde genauso wenig verwirklicht wie andere Vorhaben: Friedenspalast (1905) in Den Haag, Brunnenkollonade (1907/1908) in Karlsbad, "House of Glory" in San Franzisco, Technisches Museum (1909) in Wien, Entwürfe für die Wiener Universitätsbibliothek (1910-1914) und ein Austria-Denkmal (1915) am Wiener Schottenring.
Seine Villa Wagner verkaufte er 1911 und zog daneben im spätsecessionistischen Stil eine zweite Villa Wagner (1912/1913) hoch. Sie sollte als Witwensitz für seine wesentliche jüngere Frau dienen. Jedoch sie starb 1915. Während der Weltkrieges schuf er Studien für eine Friedenskirche auf der Schmelz (1917; Wien 15). Auch dieses Projekt blieb unausgeführt. 1917 erhielt er das Ehrendoktorrat der Technischen Hochschule Dresden.
Wagners letzte Zeit verbrachte er in seiner – natürlich von ihm entworfenen – Stadtwohnung (Wien 7). 1918 starb Otto Wagner 76-jährig und wurde auf dem Hietzinger Friedhof bestattet. Fast zeitgleich starben Gustav Klimt, Koloman Moser und Egon Schiele. Die Ära des Jugendstils endete allmählich.
Jedenfalls war Otto Wagner der bedeutendste Architekt der Belle Epoque und des Fin de siècle – und sein erhaltenes Werk, sei es theoretisch und praktisch, beweist seine Weltgeltung über die Gegenwart hinaus.
Copyright Ernst Lanz 2017
Quellen
- Otto Wagner/Wissenssammlungen/Essays/Kunst
- Wagner, Otto Koloman/Biographien
- Otto Wagner\Wien Geschichte Wiki
- Andreas Nierhaus - Eva-Maria Orosz (Hrsg.): Otto Wagner. Wien Museum, Salzburg/Wien 2018 (Ausstellungskatalog)
- Sebastian Hackenschmidt - Iris Meder - Ákos Moravánzszky: Post Otto Wagner – Von der Postsparkasse zur Postmoderne. Österreichisches Museum für Angewandte Kunst, hrsg. von Christoph Thun-Hohenstein und Sebastian Hackenschmidt Wien 2018 (Ausstellungskatalog)
- Jugendstil/AEIOU
- Andreas Lehne: Jugendstil in Wien. Wiener Bezirkskulturführer. Hrsg.: Felix Czeike. Wien - München 1985
- Traum und Wirklichkeit. Wien 1870-1930. 28. März 1985 bis 6. Oktober 1985 Künstlerhaus Wien. Historisches Museum der Stadt Wien (Wien Museum) (Ausstellungskatalog). Hrsg.: Robert Waissenberger u. a.
- Jugendstilausstellung im Wiener Künstlerhaus (1985) – Versuch einer Betrachtung einer Epoche in Wien zwischen 1870 und 1930 (Essay von Zentner E.)
Abbildungen