Paul Schmidtbauer– Von Kunst und Tragik#
Von
Ein ehemaliger Kollege schenkte mir irgendwann einmal einen Kunstkatalog über den steirischen Maler Paul Schmidtbauer , dem 1993 in der Neuen Galerie des Landesmuseums Joanneum eine Gedächtnisausstellung gewidmet worden war. Ich war von den Abbildungen sofort fasziniert, die zwischen fast magischer Neuer Sachlichkeit und unbedingter Expressivität oszillieren. Vor allem hatte es mir dabei die Vielzahl der Kunsttechniken angetan, Ausdrucksweisen also, die einen dann und wann so vollkommen anzufassen vermögen. Ebenso freilich war ich auch von seiner Biografie berührt, die hart, ja steinig war und tragisch endete. Natürlich sind wir es zumeist gewohnt, Werk und Leben mehr oder weniger voneinander zu trennen, doch manchmal gelingt das eben gar nicht, vor allem dann, wenn die Lebenslinien so vorzeitig in den Abgrund zu gleiten scheinen, wie es bei Paul Schmidtbauer der Fall gewesen ist. Unzweifelhaft gilt Schmidtbauer als typischer Altösterreicher, 1892 im kroatischen Ort Lividraga geboren, in der steirischen Kunstgeschichte als wesentlicher Impulsgeber für die malerische Avantgarde der Zwischenkriegszeit. Stets hatte er sich auch für die sozialen Belange der Künstlerschaft insbesondere organisatorisch eingesetzt und galt dem NS-System gerade deswegen als verdächtig, da er dabei niemanden ausschließen wollte, der zu seiner Kunst und Form stand.
Spannend ist, dass die Steiermark – ganz ohne Nabelbeschau - in der Zwischenkriegszeit ein vielfältiges und illustres Experimentierfeld für die darstellende Kunst abgab. Dieses reichte von betont Altmeisterlichem, Stimmungsimpressionismus, Expressionismus bis hin zu einem eigentümlichen Realismus, der manches Mal das Phantastische oder Surreale durchaus zum Thema nahm. Schmidtbauer schien hier irgendwie als Polystilistiker eine Zwischenstellung eingenommen zu haben, dennoch werden die Kenner seine Handschrift zumeist wahrnehmen, die oft nur das Skizzenhafte, Ungefähre zeigt, um dann umso wuchtiger mit einer malerischen „Pranke“ zuzuschlagen.
Der Künstler wurde, wie gesagt, an der sogenannten Militärgrenze der Monarchie geboren, fand eine erste Ausbildung in der Grazer Landeskunstschule bei A. Marussig und A. von Schrötter-Kristelli. Später studierte er noch an der Wiener Akademie der bildenden Künste, ehe er 1914 in Sarajewo gar eine Malschule eröffnete. Den Ersten Weltkrieg machte er als junger Offizier in Galizien und an der Isonzo-Front mit, wo er schwer verwundet wurde. Nach dem Krieg schloss er Freundschaft u. a. mit F. Silberbauer, W. Thöny, A. Wickenburg und A. Leskoschek, gründete die Grazer Sezession mit, trat aus ihr dann wieder aus, wobei sein ganzes Engagement für die verschiedenen steirischen Kunstvereine überhaupt ein stetes Auf und Ab war, das bis in die 50er Jahre hinein reichte. Er muss wohl ein ziemlich ruppiger, schwieriger Mensch gewesen sein, dem es um Gerechtigkeit um jeden Preis gegangen ist. Möglichweise zog er deswegen Intrigen geradezu an, was nach dem Zweiten Weltkrieg dann besonders evident geworden war.
In der Zwischenkriegszeit entwickelte der Maler seine allergrößte Aktivität. Schon 1921 erhielt der den Österreichischen Staatspreis für das Gemälde „Wasserfall“ und in München 1922 die Goldene Staatsmedaille für das Bild „Bogenhausen“. Es schlossen sich schließlich viele Aufträge an, doch reich wurde er davon nicht. Daher schuf er zahlreiche, eher repräsentative Wandgemälde z. B. für die Grazer Arbeiterkammer oder die Eisenerzer Montandirektion, ja sogar in London war er diesbezüglich tätig. Ebenso sind noch in so manchen steirischen Gasthäusern burleske volkstümliche Szenen von ihm erhalten. Tatsächlich waren aber die 30er Jahre seine „Hochzeit“, die ihm nicht nur lokale Anerkennung einbrachte. Seine Motive reichten von Porträts bis zu Landschaften, wovon das Gemälde „Semmering (1930) ein besonders faszinierendes Zeugnis abgibt. Die Semmeringbahn bzw. deren Viadukte ziehen sich dabei durch eine farbenprächtige Berglandschaft, die sich in einem immer phantastischer werdenden Horizont verliert. Auch schuf er viele geniale, kubinesk anmutende Radierungen und Holzschnitte. Schmidtbauer trat 1938 wohl gezwungenermaßen der „Reichskulturkammer der bildenden Künste“ bei und stellte auch während der Kriegszeit aus. 1940 war dann ein Schreckensjahr für ihn: Nacheinander starben seine Frau Eva, sein Bruder Rudolf Karl, die Schwester Olga und seine Schwägerin Dora. Von diesen Schicksalsschlägen erholte er sich nicht mehr und verfiel fortan gänzlich dem Alkoholismus. Er bildete gegen Kriegsende hin einen Zirkel der inneren Emigration im weststeirischen Giessenberg bei Mooskirchen und wurde noch 1945 groteskerweise dort zum Bataillonsführer des Volkssturms ernannt. Nach Kriegsende bezog er wieder seine alte Grazer Adresse nebst Atelier in der Kastellfeldgasse 25. Sogleich erfolgten wieder diverse Streitigkeiten in Sache Künstlervereinigungen, deren Schilderung hier wohl zu weit führen würde. Schmidtbauer arbeite zwar noch weiter, doch sein künstlerischer Ruf verblich allmählich, so wie das übrigens auch beim Wahlgrazer Constantin Damianos der Fall war. Gleichsam den existentiellen Todesstoß erhielt er durch das Ableben seiner zweiten Frau Alma 1964. Noch im selben Jahr wurde er wegen seiner schweren Alkoholerkankung in das Landessonderkrankenaus „Feldhof“ eingeliefert, woselbst er 1974 mit 82 Jahren verstarb. Man hatte dem Künstler natürlich dort kein eigenes Atelier eingerichtet, so wie dies bereits Mitte des 19. Jahrhunderts für den großen englischen Maler Richard Dadd geschehen war. Umso erschütternder sind Schmidtbauers Zeichnungen mit Kugelschreiber (!) und Bleistift aus seinen letzten Jahren, die u.a. auch sterbende Mitpatienten zum Thema haben.
Abschließend seien dazu noch dazu einige persönliche Bemerkungen erlaubt. Vor langer Zeit erstand ich im Kunsthandel ein Ölbild Paul Schmidtbauers mit dem Titel „Waldlichte“. – Eine seiner typisch schnell hingeworfenen Landschaften voll bunter Farblichkeit, wo Grün, Braun und preußisch Blau regieren, sich vermengen, aber nicht vermischen. Später kam mir, wie erwähnt, jener retrospektive Ausstellungskatalog der Neuen Galerie am LMJ in die Hände und ich suchte schließlich noch nach anderen seiner Werke. Tatsächlich hatte ich dann noch weiteres „Jagdglück“ mit drei Grafikblättern und einem Aquarell. Vor kurzem streifte ich wieder via Internet durch Angebote diverser Wiener Kunstgalerien und fand dabei zu meiner Verblüffung das Pendant zur „Waldlichte“, nämlich Schmidtbauers Ölbild „Im Schatten“ (1923), das nichts weiter zeigt als einen ziemlich abgedunkelten “Waldinnenraum“ , gehöht mit blauen Himmelsflecken, einer nur angedeuteten Wiese und mehr oder weniger dunklem Gezweig mit ein bisschen Sonnenglast darauf. Ich war von dem Motiv und vor allem diesem seltsamen Zufall hingerissen und schrieb die Galerie sofort an. Das Werk hatte einen relativ günstigen Preis und entstammte noch dazu aus einer aufgelösten, recht prominenten Kunstsammlung. Also griff ich rasch zu, wie es Jäger eben solcherart zu tun pflegen. Seit einigen Tagen schmückt es als Pendant zur „Waldlichte“ eine Zimmerwand, die schon der „Petersburger Hängung“ einigermaßen nahe kommt. Das Seiende des Kunstwerks ist der Anblick, das Unvergessene und Eigentliche im flüchtigen Dasein. Und so möchte ich auch Paul Schmidtbauers Bilder nur vorderhand im Eigentum wissen.