"Muss nichts mehr beweisen"#
Klaus Maria Brandauer feiert am Samstag, 22. Juni 2013, mit einem Burg-Gastspiel seinen 70. Geburtstag#
Von der Wiener Zeitung (Donnerstag, 20. Juni 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Petra Paterno
Ein Porträt des österreichischen Schauspielers mit Weltkarriere.#
Ein Mann blickt in den Abgrund seines Lebens, es schwindelt ihn, die Haare stehen ihm zu Berge. Er hört sich Tonbänder an, die er im Lauf seines langen Lebens besprochen hat, um sich Rechenschaft für seine Taten abzulegen; lauschend und sinnierend reist er zurück in die eigene Vergangenheit. Krapp heißt der Mann, und er ist Samuel Becketts berühmtem Monolog "Das letzte Band" (1958) entsprungen.
Krapp ist zum Zeitpunkt des Geschehens 69 Jahre alt. Klaus Maria Brandauer wird die Rolle am kommenden Samstag für einen Abend im Wiener Burgtheater spielen. Mit Starkstromfrisur und Knollnase feiert der österreichische Schauspieler mit internationaler Reputation, der am 22. Juni 1943 in Bad Aussee geboren wurde, seinen 70. Geburtstag auf der Bühne. Im Gegensatz zu der Bühnenfigur, die regelrecht am Vermodern und am Versacken ist, scheint sich Brandauer in Bestform zu befinden. Erst jüngst zeigte sich der Großschauspieler in einem TV-Interview von seiner humorvollen, gelassenen Seite; dem "Zeit"-Reporter Peter Kümmel vertraute er an: "Ich möchte dabei sein, so lange es geht. Ich möchte zu allem Möglichen noch etwas beitragen. Deshalb ernähre ich mich vernünftig, deshalb rauche ich nicht mehr." Im Rahmen eines weiteren ORF-Auftritts meinte Brandauer ebenfalls kürzlich: "Ich muss nichts mehr beweisen."
"Pflichtbewusstsein bis in die Knochen"#
Dem war wohl nicht immer so. Klaus Michael Brandauer eilt bis heute der Ruf voraus, schwierig zu sein; er gilt als eher arrogant, unbeherrscht im Umgang mit Kritikern. "Mich aufregen ist mein Talent", so einst der Akteur. Begonnen hat die Laufbahn von Klaus Georg Steng, so Brandauers Taufname, an der Schauspielschule in Stuttgart, die er nach zwei Semestern abbrach; Engagements in Tübingen, Salzburg und Düsseldorf folgten, sein Wien-Debüt in einer Studiobühne der Josefstadt machte ihn über Nacht stadtbekannt; seit 1972 ist der Künstler Ensemblemitglied am Burgtheater, doch in den 41 Jahren hat er hier bloß elf Rollen gespielt.
Das Kino kam ihm dazwischen, es verhalf ihm zu einer internationalen Karriere. 1981 lief István Szabós Verfilmung von Klaus Manns NS-Schlüsselroman "Mephisto" an - Brandauer verkörperte Hendrik Höfgen, jenen Opportunisten, der sich willfährig den Nazis andient, von Mann nach dem Vorbild des Schauspielers und Theaterleiters Gustaf Gründgens erschaffen. Zwei weitere Zusammenarbeiten mit Szabó folgten: "Oberst Redl" (1985) und "Hanussen" (1988). Alle drei Filme wurden für den Oscar nominiert, "Mephisto" wurde als bester ausländischer Film ausgezeichnet. Eher publikumswirksam setzte sich Brandauer in der James-Bond-Reihe ("Sag niemals nie", 1983) und als geknickter Kolonialist Baron Bror von Blixen-Finecke in "Jenseits von Afrika"
Trotz der Spielfilm-Erfolge mit Millionenpublikum zog es den Schauspieler immer wieder auf die Bühne. 1983 verkörperte er den "Jedermann" in Salzburg; zwei Jahre darauf übernahm er (in der Regie Hans Hollmanns) am Burgtheater seine Lebensrolle: Ganze hundert Mal trat Brandauer als Shakespeares Dänenprinz "Hamlet" auf die Bühne. "Der Brandauer reiste von Kapstadt an oder aus Rio de Janeiro oder was weiß ich, von wo", zitiert die Journalistin Christine Dössel in ihrer Monografie "Klaus Maria Brandauer - die Kunst der Verführung" (2003) den damaligen Burg-Direktor Claus Peymann: "Immer auf eigene Kosten. Kam morgens um sechs in Wien an und hat am Abend einen hervorragenden, Hamlet‘ gespielt. Pflichtbewusstsein bis in die Knochen! Von seinem Ethos und seiner Moral her ist er ein absolut erster Spieler."
Brandauers Talent gibt es nicht ohne seinen Sturkopf#
"Hamlet", immer wieder: Brandauer inszenierte sein Lieblingsstück auch 2002 an der Burg, mit Michael Maertens in der Titelrolle - worauf es in zahllosen Kritiken Verrisse hagelte. Der seinerzeitige Generalvorwurf: virtuoses Spiel ohne Regieidee.
Brandauer und das Gegenwartstheater scheinen sich ohnehin zunehmend zu entfremden, seine Tiraden gegen das Regietheater sind Legende. Gleichwohl ist der Mime auf der Bühne wie im Film (zuletzt: "Die Auslöschung", 2013) nach wie vor bestens im Geschäft, vor allem in Peter Stein hat er einen künstlerischen Kompagnon gefunden. Mit "Wallenstein" (2007), dem "Zerbrochenen Krug" (2008), "Ödipus auf Kolonos" (2010) und dem Wiener Geburtstags- und Gastspiel "Das letzte Band" hebt sich das Duo mit konservativ geformten Theateraufführungen vom zeitgenössischen Bühnengeschehen deutlich ab - und hat sich zugleich in eine eigene Liga katapultiert, die unleugbar eine breite Fangemeinde hinter sich versammelt. Klaus Maria Brandauer dürfte genaue Vorstellungen davon haben, was gutes Theater, was einen guten Film ausmacht. Wer mit ihm arbeiten will, muss seine Mitsprache akzeptieren. Brandauers Talent gibt es nicht ohne seinen Sturkopf. Seinem ausgeprägten Selbstwertgefühl mag es geschuldet sein, dass er während seiner Laufbahn wohl mehr Rollen abgesagt als angenommen hat. Er kann es sich offenbar leisten, ist persönlich und finanziell unabhängig. Entscheidet er sich für eine Sache, ist er für diese ganz und gar entflammt. Nicht wenige Kollegen schwärmen von Brandauers Kollegialität, Witz und seinem unbedingten Arbeitsfuror.
In der kommenden Spielzeit wird Stein am Burgtheater "König Lear" mit Braundauer in der Titelrolle inszenieren: für Peter Stein ein unerwartetes Burg-Debüt, für Klaus Maria Brandauer ein Burg-Comeback nach fast zehn Jahren Pause. Stein streut dem Freund und Jubilar schon jetzt Rosen: "Brandauer ist meine einzige Motivation, im deutschsprachigen Theater zu arbeiten." Die Begegnung mit Brandauer sei eine "ganz wundersame".