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John Steinbeck, der kalifornische Klassiker#

Vor 50 Jahren starb der US-Autor. Seine Romane sind bis heute populär.#


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung, 16. Dezember 2018

Von

Bernhard Wenzl


John Steinbeck 1962
John Steinbeck 1962
Aus: Wikicommons

Am 20. Dezember 1968 starb der US-Autor John Steinbeck. Mit seinem Tod verlor das Land einen prominenten Zeitgenossen und literarischen Großmeister. Im Laufe seiner Karriere war Steinbeck nicht nur als Verfasser von Romanen, Novellen und Kurzgeschichten erfolgreich gewesen, sondern hatte sich ebenso als Dramatiker, Journalist, Drehbuchautor und Essayist einen Namen gemacht. Längst waren seine populärsten Romane zu Standardwerken der modernen Erzählkunst geworden und hatten als Hollywood-Verfilmungen für Publikumserfolge im Kino gesorgt.

John Steinbeck wurde am 27. Februar 1902 im 150 km südlich von San Francisco gelegenen Salinas geboren. Die wohlhabende Kleinstadt trug den Beinamen "Salatschüssel der Welt", weil sie im Zentrum eines landwirtschaftlich fruchtbaren Anbaugebiets lag. Zu Beginn der Jahrhundertwende zählte sie 2500 Einwohner unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Dort hatten sich der deutschstämmige Finanzangestellte John Ernst Steinbeck und die irischstämmige Lehrerin Olive Hamilton zur Familiengründung niedergelassen.

Politisierung#

Nach seinem Schulabschluss ging Steinbeck im Alter von 17 Jahren zum Literatur- und Journalismusstudium an die Stanford University. Obwohl er als Student voller Begeisterung war, behagte ihm die akademische Ausbildung nicht. Seine Studienjahre waren von Unterbrechungen geprägt, in denen er Gelegenheitsarbeiten in Bau, Industrie und Landwirtschaft verrichtete.

Zu jener Zeit lernte Steinbeck das Alltagsleben der besitzlosen Wanderarbeiter kennen. Nach dem Studienabbruch 1925 versuchte er sich erfolglos als Journalist in New York. Schon ein Jahr später kehrte er enttäuscht nach Kalifornien zurück und übernahm die Betreuung eines Ferienhauses am Lake Tahoe. Im abgelegenen Urlaubsort wollte der angehende Schriftsteller an seinem Romandebüt arbeiten.

Mit Carol Henning geriet John Steinbecks Leben und Denken in Bewegung. Die junge, aufgeweckte und politisch interessierte Frau war ihm bei einem Ausflug an den Lake Tahoe im Sommer 1928 begegnet. Steinbeck verliebte sich sofort und folgte ihr nach San Francisco, wo sie in der Werbeabteilung des "San Francisco Chronicle" beschäftigt war. Unter ihrem Einfluss kündigte sich ein Wandel in Steinbecks Schreiben an. War "Eine Handvoll Gold" (1929) als historisch-exotischer Abenteuerroman angelegt, öffneten sich seine neuen Schreibprojekte allmählich der kalifornischen Lebenswirklichkeit.

Nach ihrer Hochzeit im Sommer 1930 zogen Steinbeck und Henning zunächst nach Los Angeles und später ins Sommerhaus seiner Eltern bei Pacific Grove. Erst die Erlöse aus der Kurzgeschichtensammlung "Das Tal des Himmels" (1932) und den Romanen "Der fremde Gott" (1933) und "Tortilla Flat" (1935) ermöglichten es den beiden, ein Haus bei Monterey zu erwerben.

Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren führten bei John Steinbeck zur Politisierung. Auf Anregung seiner Ehefrau, die ab 1933 als Sekretärin für ein unter Präsident Franklin D. Roosevelt eingerichtetes Emergency-Relief-Programm arbeitete, verfolgte er die katastrophalen ökonomischen und sozialen Entwicklungen der Depres- sionszeit. Arbeitslosigkeit brachte weiten Bevölkerungsteilen Hunger und Armut. Gewaltsame Konflikte zwischen den gesellschaftlichen Gruppierungen waren die Folge. Steinbeck selbst konnte die sich verschärfenden Arbeitskämpfe zwischen Plantagenbesitzern und Saisonarbeitern im sogenannten Salatstreik von Salinas 1934 miterleben. Während er in "Stürmische Ernte" (1936) die kollektiven Mechanismen der Solidarität und Mobilisierung schilderte, porträtierte er in seiner Novelle "Von Mäusen und Menschen" (1937) Individuen im Spannungsfeld zwischen persönlicher Erfüllung und wirtschaftlicher Machtlosigkeit.

Die zeitgenössische Arbeitsmigration ließ John Steinbeck nicht los. Damals zwangen Staubstürme hunderttausende Menschen, ihre Bauernhöfe und Betriebe im amerikanischen Westen zu verlassen und nach Kalifornien zu ziehen.

Die Flüchtlinge aus Oklahoma und angrenzenden Bundesstaaten hausten oft in verschmutzten Zeltlagern und wurden meist nur als verhasste Streikbrecher in der regionalen Landwirtschaft beschäftigt. Kaum hatte Steinbeck Partei für die Benachteiligten ergriffen, wurde er von den "San Francisco News" mit einer Artikelserie über die missliche Lage der Arbeitsmi-granten beauftragt. Im Zuge seiner Recherchen lernte er den Sozialarbeiter Tom Collins kennen, der ein durch den New Deal finanziertes Auffanglager für die notleidenden Menschen leitete. Die Eindrücke jener Zeit verarbeitete Steinbeck in seinem epochalen Meisterwerk "Früchte des Zorns" (1939).

Der sozialkritische Protestroman über die Entbehrungen und Anfeindungen einer Okie-Familie wurde 1940 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und noch im selben Jahr von Regisseur John Ford mit Henry Fonda in der Hauptrolle verfilmt.

Die Arbeit an seinem Opus magnum hatte John Steinbeck an den Rand der Erschöpfung gebracht und seine Ehe zerstört. Zur Erholung entschloss er sich, mit dem Meeresbiologen Ed Ricketts eine Schiffsreise in den Golf von Kalifornien zu unternehmen. Die beiden Männer verband eine fast zehnjährige Freundschaft, die sie bei Gesprächen und Getränken intensiv pflegten. Ihre Expedition auf einem Kutter im Frühjahr 1940 erwies sich für Steinbeck und Ricketts als unbeschwertes Abenteuer, das sie im wissenschaftlichen Essay "Logbuch des Lebens" (1941) dokumentierten. Ihre Beziehung blieb auch in späteren Jahren so innig, dass der Autor seinem verunglückten Freund als Hauptfigur der Schelmenromane "Die Straße der Ölsardinen" (1945) und "Wonniger Donnerstag" (1954) ein humoriges Denkmal setzte.

Die Kriegs- und Nachkriegsjahre waren für Steinbeck eine herausfordernde Zeit. Er verfasste im Auftrag des Foreign Information Service ein Propagandastück, berichtete über das Leben der amerikanischen Soldaten an der Front, bereiste mit dem Fotografen Robert Capa Russland und schrieb Drehbücher für Hollywood ("Lifeboat", "Viva Zapata!").

"Jenseits von Eden"#

Und er veröffentlichte die Erzählung "Die Perle" (1947), den Roman "Autobus auf Seitenwegen" (1947) und die Novelle "Die wilde Flamme" (1950). So viel kreative Anstrengung führte auch zum Scheitern seiner zweiten Ehe mit der Sängerin Gwendolyn Conger. Zur Bewältigung dieser Krise machte sich Steinbeck 1948 an den Entwurf eines neuen Monumentalromans. Das Salinas-Valley-Projekt sollte die Familienbiografie und die Regionalgeschichte zu einem kalifornischen Epos mit biblischen Anspielungen verbinden.

Vier Jahre später erschien "Jenseits von Eden" (1952), das den moralischen Kampf zwischen Gut und Böse als Panorama zweier Großfamilien über zwei Jahrhunderte hinweg inszenierte. Die Verfilmung des Romans durch Elia Kazan mit James Dean als Hauptdarsteller sorgte 1955 für Furore auf der Leinwand.

John Steinbeck galt bereits als Klassiker der modernen Erzählkunst, bevor er seinen Lebensmittelpunkt für seine Heirat mit der Inspizientin Elaine Scott 1950 von Kalifornien nach New York verlegte. Das Eheglück wurde indes schon bald durch die Sorge um seine nachlassende Gesundheit getrübt. Trotz eines leichten Schlaganfalls gelang es Steinbeck, die Romane "Lasst uns König spielen" (1957) und "Geld bringt Geld" (1961) sowie das Reisejournal "Meine Reise mit Charley" (1962) fertigzustellen.

Für den alternden Steinbeck war es eine überraschende Genugtuung, als ihm 1962 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde. Sechs Jahre später erlag der Autor in New York einem Herzversagen.

Wiener Zeitung, 16. Dezember 2018