Persönliche Erinnerungen an Wendelin Schmidt-Dengler#
Von der Wochenzeitschrift Die Furche, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. (Donnerstag, 11. September 2008)
von
Brigitte Schwens-Harrant
Respekt und Aufmerksamkeit#
Der Titel „Literaturpapst“, den man ihm verlieh, passte nur insofern, als Schmidt-Dengler das österreichische Gesicht der Literaturkritik im Fernsehen darstellte (etwa als Gast im „Literarischen Quartett“). Sein Auftreten als Kritiker aber war keinesfalls päpstlich. Mir fiel auf, dass er zwar, wenn man mit ihm persönlich über Bücher sprach, manchmal harte Kritik üben konnte, dass diese dann aber in der schriftlichen, also öffentlichen Form weicher ausfiel – wohl eine Auswirkung des Respekts, der zu einer seriösen Literaturkritik gehört. Daran mangelte es ihm nicht, auch nicht an Aufmerksamkeit. Bei unserem letzten Treffen im August holte ich ihn von der Universität ab. Der Aufzug war außer Betrieb. Es war ihm unangenehm, dass ich all die Stufen hinaufsteigen musste in sein Institutskämmerchen, das stets vollgestapelt war mit Büchern. Zu diesen legte ich ihm noch Olga Flors „Kollateralschaden“ und Günter Grass’ „Die Box“ dazu, und wurde Zeugin, wie er sich mit Engelsgeduld der Studierenden und so mancher Selbstüberschätzung annahm: freundlich, zuhörend, hilfsbereit. In einem kleinen Café gegenüber der Universität trank ich nichtsahnend den letzten Kaffee mit ihm. Er zahlte, obwohl ich zahlen wollte, mit den Worten: „Den nächsten dürfen Sie übernehmen. Wir müssen uns jetzt unbedingt öfter treffen!“ „Literatur“ und „Feuilleton“ der Furche schätzte er sehr, und er hatte mir regelmäßige Kolumnen versprochen. Er hätte sie schreiben sollen, er hätte im Herbst den „Preis der Kritik“ entgegennehmen sollen, er hätte die Laudatio auf Josef Winkler halten sollen, er hätte noch so manches kostbare Stück für das Österreichische Literaturarchiv, das er leitete, erwerben sollen, er hätte mit mir unbedingt noch Kaffee trinken sollen – er hätte überhaupt noch viele Jahre wirken und leben sollen.