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Roboter Robert#

(Ein Zimmer als Knecht)#

von Martin Krusche

Als ein Kind der 1960er Jahre, 1956 geboren, hatten Roboter für mich stets ein irgendwie humanoides Aussehen. So kam zum Beispiel das einschlägige Spielzeug daher. So sahen wir es schließlich in Science Fiction Filmen. So wurde es uns in den beliebten „hobby-Heften“ gezeigt. Ob sie nun Quadratschädel hatten, Kugelköpfe oder konische Köpfe, es wurde bestenfalls zugunsten von Fahrwerken auf Beine verzichtet, aber pittoreske Roboterarme und Roboterköpfe mußten sein. Ferner allerhand Antennen und blinkende Lichter, freilich auch Laserkanonen. Bei manchen waren sogar kleine Feuersteine eingebaut, auf daß sie Funken sprühen konnten. Scheppernde und schnarrende Geräusche schienen unverzichtbar zu sein.

Der Roboter sieht uns nicht an, er macht einfach seinen Job – (Foto: Martin Krusche)
Der Roboter sieht uns nicht an, er macht einfach seinen Job – (Foto: Martin Krusche)

Später war gelegentlich von Industrierobotern zu lesen. Die sahen natürlich ganz anders aus, hatten keine Gesichter. Das meiste, was ein Laie gelegentlich zu sehen bekam, waren mächtige Arme auf großen Sockeln, die eine Bewegung der Werkzeuge über mehrere Achsen zuließen. Als besonders ansehnlich erwiesen sich Schweißroboter, weil die von prächtigen Funkenregen umgeben sind.

Im Alltag ist immer noch wenig Robotertechnik auf anschauliche Art präsent. Wer sich für das Eigenheim einen Roboterstaubsauger leistet, wird vielleicht im Garten einen Mähroboter einsetzen. Die wiederum findet man gelegentlich auch im öffentlichen Raum, in Parkanlagen. Was noch? Immerhin hat sich herumgesprochen, daß in Lagerhallen und Industriebetrieben allerhand Arten von Robotern den Menschen Arbeit abnehmen, wahlweise wegnehmen, wie man es eben sehen möchte.

Die Maschine kommt natürlich ohne Licht aus – (Foto: Martin Krusche)
Die Maschine kommt natürlich ohne Licht aus – (Foto: Martin Krusche)

Dazu gehören selbstfahrende Hubstapler. Von den großen Logistiksystemen gibt es inzwischen auch kleinere Varianten, die sich im Einzelhandel bewähren können. Als ich mitbekam, wie in der Stadtapotheke von Gleisdorf so eine Anlage installiert wurde, hatte ich erstmals das Gefühl, nun seien solche Systeme in der Mitte der Gesellschaft angekommen, konkret auch in der Mitte der Stadt, also mitten im Alltag. Hausherr Richard Mayr war so freundlich, meiner Neugier nichts in den Weg zu legen und gewährte mir umgehend Zutritt, damit ich diese Gerätschaft in Augenschein nehmen konnte. Im Gegensatz zu Menschen braucht Robert der Roboter kein Licht. Mayr hat die Lampen eingeschaltet, weil ich sonst kaum hätte sehen könnten, was da vorging. Man hört die elektrischen Servos arbeiten. Das Singen der Schrittmotoren ist etwas gewöhnungsbedürftig.

Durch aktuelle Technologiesprünge haben wir längst begonnen, in eine Vierte Industrielle Revolution zu gehen. Die ist so radikal vorangeschritten, daß uns viele vertraute Vorstellungen und Begriffe aus einschlägigen Branchen um die Ohren fliegen. Wir geben in Riesenschritten allerhand Arbeiten, die eben noch Menschen vorbehalten waren, an Maschinensysteme ab.

Unternehmer Ewald Ulrich, ein Mann aus der IT-Branche, sagte in einem der Arbeitsgespräche von Kunst Ost: „Die Industrialisierung ist nichts im Vergleich zu dem, was seit 1990 passiert ist. Und es hört nicht auf.“ Damit bezog er sich auf die ersten Phasen der Industriellen Revolution. Zwei dieser entscheidenden Umbrüche vollzogen sich innerhalb unserer Lebensspannen. Dieses Tempo ist neu. Was man subjektiv wahrnehmen kann: Derlei atemberaubende Beschleunigung im Ankommen technischer Neuerungen wurde mir in letzter Zeit von allen Arten Profis bestätigt.

Es ist ein Faktum und es herrscht Übereinkunft: Das läßt sich nicht aufhalten. Eines unserer Hauptprobleme dabei: Die Gesellschaft hat keine ausreichenden Adaptionsphasen mehr, um sich mit den Innovationen vertraut zu machen. Die Politik scheint ebenso hinterherzuhinken, tut sich etwa bei Wahlen lieber mit populistischeren Themen hervor, statt uns zu demonstrieren, daß sich der Sache kompetente Leute widmen.

In der Gleisdorfer Stadtapotheke arbeitet nun schon einige Zeit eine Miniaturversion dessen, was in Fabriken und großen Lagern Standard ist. Dafür wurde quasi ein Zimmer eingebaut, das besonderen Anforderungen entspricht. Der verschlossene Raum mit seinem Regalsystem und der herumhuschenden Roboter-Komponente ist gerüstet, rund sechzehntausend Packungen zu verwalten. Ist die Anlage in Betrieb, hat niemand was in diesem Zimmer verloren, denn dieser raumhohe Roboterarm, der inzwischen um ein zweites Exemplar ergänzt wurde, bewegt sich sehr schnell.

Das neue Zimmer ist Lager und Maschinenraum – (Foto: Marin Krusche)
Das neue Zimmer ist Lager und Maschinenraum – (Foto: Marin Krusche)
Die Ausgabe-Sektion im Kundenraum – (Foto: Marin Krusche)
Die Ausgabe-Sektion im Kundenraum – (Foto: Marin Krusche)
Das Fließband zur Wareneingabe – (Foto: Marin Krusche)
Das Fließband zur Wareneingabe – (Foto: Marin Krusche)

Am 27. Oktober 2015 wurde dieses System hochgefahren. Mayr: „Ich erspar mir im Monat über hundert Stunden beim Warenverräumen.“ Was geschieht mit der gewonnenen Zeit? Sie wird für qualitativ höhere Tätigkeiten in der Begegnung mit der Kundschaft genutzt. Gerade bei Medikamenten ist Detailgenauigkeit wichtig. Das neue System steht für sich und gleicht sich jeden Morgen mit der hauseigenen EDV ab. Das bedeutet keinesfalls, der Roboter dürfe machen was er will. „Du kannst einem Automaten nicht blind vertrauen, damit das Lager in Ordnung ist“, sagt Mayr. (Ein interessanter Aspekt!)

Ich bin gelernter Buchhändler. Mein Lehrherr hatte mir eingetrichtert: Was falsch eingeordnet ist, ist nicht da, denn man findet es nicht, wenn Kundschaft danach verlangt. Ich kann es also nicht verkaufen. Mit Robert dem Roboter läuft nun ein fundamental anderes Ordnungskonzept. Auch wenn Mayr daran festhält, daß das sein Lager sei. Das nimmt er persönlich. Und er zieht es vor, Herr im Haus zu bleiben. Die Maschine ist ihm nachgeordnet. Aber die Maschine pflegt ein System, das ein Mensch nicht beherrschen könnte. Das hat seinerzeit schon mit den Taschenrechnern begonnen. Die rechnen einfach schneller und genauer als wir. So Robert der Roboter. Er ordnet schneller und genauer als wir.

Mayr will menschliche Kontrolle und Verantwortung gewahrt wissen. Das verlagert sich aber auf eine andere Ebene. Innerhalb des Maschinenraumes ist der Roboter Boss. Mayr: „Er macht drinnen keine Fehler. Zählen kann er.“ Und ordnen, schlichten, die Abläufe organisieren, reorganisieren. Nein, die Packungen sind nicht wie in einer Bibliothek fix an bestimmten Plätzen deponiert. Wo etwas liegt, bestimmt die Maschine laufend neu. Das heißt übrigens, bei einem kompletten Stromausfall und fehlender Mensch-Maschinen-Kommunikation wäre niemand in der Lage, unter den Tausenden Packungen jene zu finden, die gerade gebraucht würde. Man hätte Stunden zu tun, falls einem der Zufall nicht hilft.

Der Roboter räumt zwischendurch auf und um. Mann kann ihm nachts dabei zusehen. Was wird oft gebraucht? Was hat demnächst sein Ablaufdatum? Wo dürfen Lücken bleiben? Wo wird geputzt? Genau! Robert ist seine eigene Reinigungskraft. Man muß ihm dazu bloß frische Putzelemente zurechtlegen, die holt er bei Bedarf.

Manchmal fährt die mobile Einheit mit solchem Tempo auf einen zu, daß man zurückschreckt. Manchmal hält die Maschine inne und… denkt? Natürlich nicht! Sie rechnet, tüftelt, arbeitet einen Klärungsprozeß ab. Das ist noch kein Denken, sondern das blitzschnelle Durchgehen vieler Wenn-Dann-Ketten. Ja-Nein. Null-Eins. Aber andrerseits, wenn es einmal passieren sollte, daß Maschinen denken, weil sie zum Beispiel begonnen hätten, eine Art Wahrnehmung von sich selbst zu bekommen, warum sollten wir das überhaupt mitkriegen? Warum sollten Maschinen sich damit befassen, was in Menschen vorgeht und sich mit uns darüber verständigen? Welchen Grund hätten sie, mit uns Kommunikation einzugehen, irgendeine Art von Beziehung zu erwägen?

Roboter Robert schlichtet, ordnet, organisiert – (Foto: Marin Krusche)
Roboter Robert schlichtet, ordnet, organisiert – (Foto: Marin Krusche)
Tastatur und Bildschirm als Mensch-Maschinen-Schnittstellen – (Foto: Marin Krusche)
Tastatur und Bildschirm als Mensch-Maschinen-Schnittstellen – (Foto: Marin Krusche)
Hausherr Richard Mayr am Terminal zur Wareneingabe– (Foto: Marin Krusche)
Hausherr Richard Mayr am Terminal zur Wareneingabe– (Foto: Marin Krusche)

Zurück zur menschlichen Gemeinschaft. Wie hat die Belegschaft der Apotheke auf die Neuerung reagiert? „Der Teamgeist hat merklich gewonnen“, sagt Mayr. „Meine Leute zeigen sich sehr motiviert.“ Derlei leuchtet ein, wenn man bedenkt, daß der innovative Schritt im günstigsten Fall bedeutet, die Maschine nimmt den Menschen Routinearbeiten ab und macht damit Arbeitszeit für den Umgang der Menschen miteinander fei. Die meisten Menschen kommen ja in die Apotheke, weil sie ein Leiden, ein Problem haben. Deshalb auch die abgeteilten Arbeitsplätze statt einer durchgehenden Theke zwischen Angestellten und Kundschaft. Es soll ein Stück Intimität, Privatheit möglich sein, wenn jemand ein Anliegen vorbringt.

Es ist mehr als fraglich, ob nächste Roboter-Generationen für uns in irgendeiner Weise ansehnlich sind und zugänglich erscheinen– (Foto: Martin Krusche)
Es ist mehr als fraglich, ob nächste Roboter-Generationen für uns in irgendeiner Weise ansehnlich sind und zugänglich erscheinen– (Foto: Martin Krusche)

Dieser Situation arbeitetet der Roboter zu. Nun muß das Personal nicht mehr ins Lager rennen, weil Roboter Robert die benötigte Ware anliefert. Robert schafft eine neue Situation. Mayr sagt: „Den Namen haben ihm meine Leute gleich in den ersten Tagen gegeben.“ Dazu fällt mir allerdings ein: Ich wäre wohl auch sehr motiviert, wenn an meinem Arbeitsplatz plötzlich derart effiziente Konkurrenz auftauchen würde. (Fußnötchen: Im Journalismus sind auch schon Automaten tätig, um Meldungen zu produzieren. Ich hab inzwischen allerhand schreibendes Personal erlebt, das sich damit nicht messen kann.)

Was aber macht nun dieses Ereignis, den Einzug des Roboters, über das Ortszentrum hinaus so bedeutungsvoll? Ulli und Richard Mayr haben mit dieser Anschaffung einen Technologieschritt vollzogen, wie er bisher im Einzelhandel der Stadt Gleisdorf noch nicht vorgekommen ist. Dieses Stück EDV-gestützter Infrastruktur wird in den kommenden Jahren noch einige Entwicklungsschritte durchmachen, doch vielleicht werden Mayrs nicht alles umsetzen, was dann technisch machbar ist. Gut, die Erweiterung auf zwei Arme hat, wie erwähnt, inzwischen stattgefunden. Die Maschinerie ist ein markanter Schritt in Richtung Internet der Dinge. Die Anlage macht deutlich, daß wir die Koexistenz von Menschen mit Maschinen neu überdenken sollten.


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