Ryznars Rede#
Zur Pressekonferenz für den Steyr-Puch 500, anno 1957#
von Martin Krusche
Am 30.9.1957 hielt Richard Ryznar, Generaldirektor der Steyr-Daimler-Puch AG, in Graz einen Vortrag. Der Anlaß dazu war die Pressekonferenz, in welcher der Steyr-Puch 500 vorgestellt wurde. Ryznar betonte: „Seit Kriegsende ist dies der erste Personenkraftwagen, den unsere Gesellschaft wieder nach eigener Konstruktion und eigener Erzeugung im eigenen Werk geschaffen hat; lediglich die Karosserie wird in Teilen von Fiat aus Turin geliefert und in Graz zusammengebaut.“
Die ersten Nachkriegsjahre Österreichs waren von Devisenknappheit und Materialmangel bestimmt. Unter diesen Bedingungen mußte in teilweise zerstörten Fabriken vorangekommen werden. Heute sagen mir alte Puchianer, man habe sich damals im Werk fast gefreut, daß die Sieger des Kriegs Anlagen demontiert und abtransportiert haben, „denn dafür haben wie neue Maschinen bekommen und nicht mit dem alten Krempel arbeiten müssen“.
Ryznar sprach davon, daß die Mechanisierung der bäuerlichen Betriebe und das Transportwesen Vorrang gehabt habe. Deshalb wurden in Steyr vor allem einmal Dieseltraktoren und Diesellastkraftwagen gebaut. Er nennt bis zum Tag seines Vortrages 88.000 Traktoren und 25.500 LKW, welche für die heimische Wirtschaft und den Export produziert worden seien. Das war eine Zeit, als noch „insbesondere aber die Landwirtschaft, als Trägerin der Ernährungslage“ betont wurde.
Die PKW-Produktion in Steyr stütze sich bis dahin auf Fiat-Lizenzen und das Assembling von italienischen Autos in Österreich. Um Devisen zu sparen, wurde Fiat wesentlich mit österreichischen Waren bezahlt. Ryznar legte bei dieser Pressekonferenz das konkrete Volumen aus zehn Jahren Konzern-Produktion vor: 47.000 Steyr-Fiat PKW, 22.300 Jagdwaffen, 67 Millionen Stück Wälzlager, 252.000 Motorräder, 82.000 Roller, 1,250 Millionen Fahrräder, 213.000 Mopeds, 3,360 Millionen Freilaufnaben und 487.000 Dreigangnaben.
Mit Blick auf die internationale Konkurrenz, von der in den 1950er Jahren die „Mittel- und Kleinwagenklasse“ ausgebaut wurde, setzte man in Steyr nun auf einen „Kleinstwagen“, also eine Kategorie unter dem Kleinwagen. Warum in Graz-Thondorf?
Kleiner Einschub: Das Thondorfer Werk wurde 1941 für de Rüstungsindustrie in Auftrag gegeben. Ende dieses Jahres begannen die Bauarbeiten. Noch während des Baus begann dort die Fertigung von Flugzeugmotoren-Teilen. Betriebswirt Jörg Borstnar schrieb: „Nach Fertigstellung wurde das Werk per 13. Oktober 1942 als Bestandteil des Steyr-Daimler-Puchwerkes Graz und nicht als selbstständiger Rüstungsbetrieb ausgewiesen.“
Ryznar begründete die Entscheidung des Autobaus in Graz schlüssig. Die „Besserung des internationalen Lebensstandards“ habe sich auch in einem Verlangen nach bequemeren, wettergeschützten Fahrzeugen ausgedrückt. Das führte unter anderem zu einem „Rückgang der Nachfrage nach Motorrädern und Rollern“, was folglich im Grazer Werk zu spüren war, welches ja nach dem Ersten Weltkrieg (seit der Empfehlung von Ingenieur Marcellino an den Spekulanten Castiglioni) als Produktionsstätte für den Zweiradbereich forciert worden war.
Ryznar erläuterte, die in Frage kommenden Käuferkreise, eben noch per Zweirad unterwegs, seien „jedoch finanziell nicht so leistungsfähig, um einen Wagen der bisherigen Mittel- und Kleinwagenklasse zu kaufen“.
Die Steyr-Daimler-Puch AG ging also daran, den Absatzschwund in Graz zu kompensieren und das bisherige Publikum nach Möglichkeit zu halten, indem dort, in der steirischen Landeshauptstadt, ein neues Produkt eingeführt werden sollte.
In Ryznars Worten: „Mit diesem Fahrzeugtyp wird, soweit möglich, die freiwerdende Kapazität des Zweiradsektors ausgefüllt.“ Der Kundenkreis solle behalten, an die Marke gebunden und vom Zweirad- zum Automobilbesitz begleitet werden.
Ryznar machte sich über die Konkurrenzsituation keine Illusionen. Vor allem der Karosserie-Deal mit Fiat hatte zu einer schmerzlichen „Sperrklausel“ geführt, wonach das „Pucherl“ nur in Österreich vertrieben werden sollte. Der Generaldirektor stellte eine Grazer Jahresproduktion von 15.000 Stück in Aussicht und nannte zum Vergleich bezüglich des Fiat Nuova 500 einen „Jahresausstoss von rund 125.000 Stück“.
Man habe für die Produktion des Steyr-Puch 500 „rund 100 Millionen Schillinge“ investiert und mußte nun eine schwierige Kalkulation bewältigen. Das führte zu einem Verkaufspreis von „S 23.800.- ab Werk“.
Das „Puch-Schammerl“ hatte also zu seiner Zeit einen sehr beschränkten Entfaltungs-Spielraum. Es konnte in den wenigen Jahren, bis es auf dem Markt von neuen Automobil-Konzepten überholt wurde, keine großen Eintrag in Europas Automobilgeschichte schaffen.
Was dieses Auto alledings im privaten Einsatz nicht erreichen konnte, auch als Flottenfahrzeug diverser Dienstleister, glichen beherzte Fahrer im Rennsport aus. Allen voran Johann Ortner, der mit Jochen Rindt und Niki Lauder in einem Atemzug zu nennen wäre… Zum Thema Rennsport siehe: "Scharfe Puch-Versionen" (Von Rennsemmeln und hinreißenden Krawallmaschinen)!
+) Ein Beitrag zu "2017: 60 Jahre Steyr-Puch 500"