Scharfe Puch-Versionen#
Von Rennsemmeln und hinreißenden Krawallmaschinen#
von Martin Krusche
„Was Räder und einen Motor hat, ist auch für Rennen geeignet. Davon sind nicht einmal Rollstühle und Rasenmäher ausgenommen.“ Das war in „Wir sind Ikarier“ zu notieren und hat seine spezielle österreichische Spielart, die ich hier vorerst knapp skizzieren möchte, um sie später noch detaillierter darzustellen.
Wer heute vor einem Puch-Schammerl steht oder sich darin niederlassen darf, staunt auf Anhieb, wie klein das Fahrzeug ist. Wer meiner Generation angehört, weiß aber, darin konnte man auch zu viert unterwegs sein.
Basis-Versionen des Pucherls liefen dank bescheidener 16 bis 20 PS. (Eine 300er Vespa hat heute mehr.) Mit etwas handwerklichen Geschick konnte man damit allerdings sehr schnell werden. Professionals wußten einige Zeit sogar Porsche-Fahrer bei Bergrennen einzuschüchtern.
Altmeister Johann Puch setzte vom Beginn seiner Unternehmerlaufbahn an auf Rennsporterfolge, um den Absatz ziviler Fahrzeuge zu fördern. Er war persönlich als Radrennfahrer aktiv, später vor allem als Sponsor, der ins Renngeschehen investierte, um seine Produkte bekannt zu machen.
Das hielt Puch auch in der Motorsport-Ära so. Rekordfahrten und Rennsiege wurden markant hervorgehobene Argumente in Zeitungsinseraten. Zu all dem paßt, daß sein Nachruf in der Allgemeinen Automobil Zeitung mit dem einzigen Foto versehen ist, auf dem ich ihn je lachen sah. Dieses Foto stammt vom Rennen Trieste Opicina.
Grob betrachtet war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwischen Werksfahrern und Herrenfahrern zu unterscheiden. Herrenfahrern waren gut situierte Leute, die sich den Rennsport selbst leisten konnten. In den Anfängen des Automobilismus verstand man unter Herrenfahrern die Selbstfahrer, während sich technisch weniger versierte Leute von professionellen Chauffeuren fahren ließen.
Der Werksfahrer ist dagegen ein mechanisch und fahrtechnisch versierter Mensch, der als Angestellter des jeweiligen Werkes nicht auf eigene Geldmittel angewiesen war, um an Rennen teilzunehmen. Mit der Volksmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich das Renngeschehen, bekam ein viel breitere Basis.
In der Zweiten Republik waren dann ausreichend preiswerte Kleinwagen zur Verfügung, die eine Teilnahme am Rennsport ermöglichten, ohne daß man Millionär oder Werksangehöriger sein mußte. Das Puch-Schammerl eignete sich vorzüglich zur Adaption. Der standfeste Puch-Motor hatte enorme Leistungsreserven. Werksfahrzeuge und private Umbauten eröffneten das Terrain für Menschen, die vorher keine Chance gehabt hätten, Rennen zu fahren.
Zugleich lag in dieser Entwicklung ein Potential, private Raser von den öffentlichen Straßen wegzubekommen, sie auf Rennstrecken zu verweisen. Das hatte davor schon Amerika durchgemacht. Illegale Straßenrennen und andere Wettbewerbe ohne spezielle Sicherheitsmaßnahmen waren Anlässe für die Gründung der National Hot Rod Association (NHRA) und ähnlicher Körperschaften. (Illegale Straßenrennen sind bis heute ein wiederkehrendes Sicherheitsproblem in manchen unserer Städte.)
In der Nachkriegsgeschichte hat das Puch-Schammerl eine kurze, aber schillernde Rennkarriere. Bei heutigen Klassiker-Rennen sind die brüllenden Krawall-Semmeln wieder öfter zu sehen. In der Oberliga vergangener Tage haben freilich Werksfahrzeuge dominiert, wobei zwei der historisch wichtigsten Pucherln erhalten geblieben sind. Sie befinden sich heute im Besitz von Peter und Christian Piffl-Percevic.
Diese Fahrzeuge haben eine prominenten Renngeschichte, welche mit Triest Opicina und Monte Carlo verknüpft ist. Neben solchen international notierten Prachtstücken gibt es auch Fahrzeuge mit etwas bescheidenerem Background, wie etwa den grauen TR 2, den heute Thomas Ludwig besitzt.
Das Pucherl hat einen geländegängigen Cousin mit vollkommen eigenständiger Konstruktion, den AP 700, genannt Haflinger. Diese Allrad-Plattform rollt auf einem Zentralrohrahmen mit Pendelachsen und luftgekühltem Boxer-Motor.
Davon gibt es eine sehr spezielle Version. Der vormalige Motorradrennfahrer und Werksangehörigen Hans Weingartmann adaptierte eine Hafi-Version mit langem Radstand und schraubte eine der wenigen erhaltenen Einheiten des Puch Vierzylinder-Boxers ins Heck.
Ich darf zur Zeit zwei Altmeister begleiten, die dieses Fahrzeug wieder auf Stand bringen. Manfred „Hasi“ Haslinger und Ferdinand „Fredi“ Thaler haben den Weingartmann-Haflinger in Arbeit, lassen einen Hafi auferstehen, dessen Triebwerk auf 100 PS gedrosselt ist, mit dem sich auf der Autobahn eine Menge Unfrieden stiften ließe.
All das hatte auch Folgen in der Familiengeschichte. Was seinerzeit als H2, also „Zweier-Haflinger“, gedacht war, wurde zum Mercedes-Benz G-Klasse, wahlweise Puch G. Im Jahr 1983 haben der Rennfahrer Jackie Ickx und der Schauspieler Claude Brasseur mit einem 280 GE den Sieg bei der Rallye Paris-Dakar geholt. (Das Originalfahrzeug gilt als verschollen.)
Im Grazer Werk konnte ich einen Nachfolger dieser Geschichte fotografieren. Die deutsche Pilotin Ellen Lohr für bei der Dakar Rally 2013 den G-Wagon mit dem Kennzeichen S PG 5296. Doch kurz zurück zu den Anfängen dieser Rennsport-Ära in der Nachkriegs-Zeit. Es gab für die Rundkurse im Italien der 1960er Jahre eine eigene Einsteiger-Klasse, in der sich „Rookies“ üben und bewähren konnten. Die Formel Baby Junior.
In diese Klasse mußten die Monoposti mindestens 280 Kilo auf die Waage bringen und als Motorenbasis waren Tourenwagen-Triebwerke mit 500 ccm Hubraum vorgeschrieben, die optimiert werden konnten. Auf dem Terrain gab es das Prinoth Baby mit Puch Motor. Eine schlanke Rakete, mit der einem freilich besser keine groben Fahrfehler unterliefen.
Eine andere Sonderform in der Puch-Geschichte war der hinreißende kleine IMP. Ein italienisches Sportcoupé mit Puch-Motor.
Der Intermeccanica Puch 700, ein zierlicher Gran Turismo, ist gewiß eines der schönsten Fahrzeuge in der Nachkriegs-Historie von Puch und im Original sehr selten. (Nutzen Sie die Gelegenheit, wenn er in einem Museum oder bei einer Show angekündigt wird!) Es gibt ihn übrigens auch auf Briefmarke.
Bis heute gelten Steyr-Puch 650 TR oder 650 TR2 als begehrte Fahrzeuge, die einem immer noch für den aktiven Rennsport gute Karten bieten. Da viele historische Fahrzeuge in den Bewerben niedergeritten wurden, sind gut erhaltene Originale entsprechend selten und hochpreisig.
Die Pucherln waren freilich schon beizeiten in der Nachkriegsära technisch veraltet. Allerdings sind sie in ihrem Zeitfenster hochkarätiges Renngerät gewesen, das genau in diesem Sinne heute von Liebhabern geschätzt wird.
Aus den Erzählungen der alten Meister, die teilweise in Monte Carlo dabei waren, außerdem unzählige Berge Österreichs erstürmt haben, schließe ich, daß vor allem zwei britische Autos die historische Renngeschichte der Pucherln beendet haben. Der Mini und der Big Healey.
Peter Piffl-Percevic weiß zu berichten, daß es bei der Alpenfahrt gewöhnlich keine Reihung von Siegern gab. Aber die Alpenfahrt von 1964 wurde als Europameisterschaftslauf gewertet, weshalb da ausnahmsweise eine Reihung vorkam. Dieses Rennen gewann Paddy Hopkirk auf Austin Healey. Man kann sich sein mulmiges Gefühl vorstellen, daß es ihm mit diesem Berserker-Auto nicht gelang, den zweitplatzierten Johannes Ortner auf seinem scharfen Puch abzuschütteln...
+) Ein Beitrag zu "2017: 60 Jahre Steyr-Puch 500"