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Die Grundlage von Gesprächen entstand vor 407 Millionen Jahren#

Gesprächige Schildkröten: Die akustische Verständigung ist älter als angenommen.#


Von der Wiener Zeitung (26. Oktober 2021) freundlicherweise zur Verfügung gestellt


Ein brasilianisch-schweizer Forschungsteam hat die Grazer "Schildkröteninsel" besucht, um dort die Gespräche der Reptilien aufzunehmen. Weitere Aufzeichnungen von Schleichenlurchen, Brückenechsen und Lungenfischen sowie Daten von 1.800 anderen Wirbeltierarten brachten den Wissenschaftern die Erkenntnis, dass die akustische Kommunikation mit der Entstehung der Nasenatmung vor 407 Millionen Jahren aufgekommen ist. Das berichten sie im Fachjournal "Nature Communications".

Zuvor habe man geglaubt, dass die akustische Verständigung viel später und in verschiedenen Tiergruppen unabhängig voneinander entstanden ist, erklärt Gabriel Jorgewich-Cohen, der am Institut für Paläontologie und Paläontologischen Museum der Universität Zürich forscht, in dem Fachartikel. Dabei habe man "Schlüsselarten", wie Schildkröten und andere Reptilien, jedoch nicht berücksichtigt, zumal es die weit verbreitete Annahme gab, sie seien nicht fähig, lautstark miteinander zu kommunizieren.

"Der Forscher war zehn Tage bei uns und konnte bei allen Schildkrötenfamilien, von denen es vierzehn gibt, Vokalisierungen aufzeichnen", berichtet Peter Praschag von der Grazer Erhaltungszucht und Forschungsstation der Schildkröteninsel ("Turtle Island"): "Sie sind recht vielseitig, es scheint bei Schildkröten eine regelrechte Sprache entwickelt worden zu sein". Er gehe sogar davon aus, dass es "lokale Dialekte" gebe.

"Wir haben jeweils zwei Exemplare der gleichen Art in einen Behälter gesetzt", berichtet Praschag: "Sie hatten sich dann jeweils Einiges zu erzählen". Vermutlich würden sie Territorien abstecken, um Partner werben und vieles Mehr. "Die gesprächigste Art war die Riesen-Weichschildkröte aus Neuguinea", so der Zoologe: "Die beiden Tiere hatten einander zuvor noch nie gesehen und hätten fast die Aufnahmekapazität des Rekorders überfordert."

Bei der Arrau-Schildkröte aus dem Amazonasgebiet, die über einen Meter lang und 90 Kilogramm schwer werden kann, würden die Jungtiere schon vor dem Schlupf aus dem Ei miteinander kommunizieren, erklärte Praschag: "Wahrscheinlich sprechen sie sich ein gemeinsames Timing aus, um geballt den Feinden auf dem Weg zum Wasser die Stirn zu bieten." Auch wenn sich zwei Braune Landschildkröten aus Südostasien begegnen, werde hörbar kommuniziert und dabei mit den Köpfen genickt. Die Tiere würden einander jeweils sofort antworten. Dem Schildkrötenexperten war nach eigenen Aussagen schon länger bewusst, was Evolutionsforscher offenbar übersehen hatten: Dass Schildkröten sehr wohl eine vokale Kommunikation entwickelt haben. Ein gemeinsamer Vorfahr

So geschah es auch bei drei weiteren Tierarten, von denen dies bisher nicht bekannt war, wie Jorgewich-Cohen mit Kollegen ind er Studie anhand von Tonaufzeichnungen belegte: Eine Art aus der Gruppe der Schleichenlurche - das sind gliedmaßenlose, schlangenähnliche Amphibien ohne Schwanz, die wie große Würmer aussehen - Brückenechsen - urtümliche Echsen mit Rückenstacheln aus Neuseeland - und Südamerikanische Lungenfische sind in der Lage, sich zu unterhalten. Mit diesen drei sowie insgesamt 50 Schildkrötenarten konnten die Forscher insgesamt 53 Arten erstmals wissenschaftlich als "vokal kompetent" beschreiben.

Gemeinsam mit 1.800 Arten, bei denen die akustische Kommunikation schon früher beschrieben wurde, rekonstruierten sie, dass die Verständigung durch Laute wohl auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückzuführen ist. Akustische Kommunikation hat demnach bei allen Tiere mit Nasenhöhlenöffnung (Choanata), also einer Verbindung von Nasen- und Rachenraum, einen gemeinsamen Ursprung und ist laut den Forschern vor rund 407 Millionen Jahren entstanden.

Wiener Zeitung, 26. Oktober 2021


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