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Das „Turnier junger PhysikerInnen“ – neue Herausforderungen für Querdenker#

von

Brigitte Pagana-Hammer


Internationale Entwicklungen#

Das „Turnier junger PhysikerInnen“ ist einen Physikwettbewerb, der sich wegen seiner vielfältigen fachlichen und didaktischen Charakteristika auf nationaler und internationaler Ebene immer größerer Beliebtheit erfreut.

Das „17th International Young Physicists’ Tournament“ (IYPT), das das Team aus Polen gewann, und in dem das junge österreichische Team einen ehrenvollen 10. Platz belegte, wurde im vergangenen Jahr in Brisbane (Aus) ausgetragen. 26 Teams aus allen Kontinenten waren dort vertreten, und für das IYPT 2005 in Winterthur (CH) werden noch mehr Nennungen erwartet. Dass die Organisation von Veranstaltungen dieser Größenordnung höchste Anforderungen an die Gastländer stellt, liegt auf der Hand. Immerhin besteht jedes Team aus 5 Mitgliedern, wozu noch die Betreuer und die Juroren kommen. Es treffen sich beim IYPT also jährlich rund 300 Schülerinnen und Schüler sowie in der Physikdidaktik engagierte Lehrerinnen und Lehrer aus den Höheren Schulen und Universitäten. Sie setzen sich eine Woche lang gemeinsam mit den Lösungswegen von 17 physikalischen Problemen auseinander, die jedes Jahr zur Bearbeitung anstehen. Die Präsentationen durch die Teams und ihre Bewertung durch eine hochkarätige Jury geben innerhalb der Wettbewerbe selbst, vor allem aber auch am Rande des Turniers, Gelegenheit zu intensiven fachlichen Diskussionen genauso wie zum Gedankenaustausch über die Vorbereitung der Teams und die nationalen Voraussetzungen dafür. Die australischen Schulbehörden haben das heuer zum Anlass genommen, dem Organisator des 17th IYPT, Alan Allison, einen Förderungspreis zuzuerkennen. Die Mittel sind der Erforschung der organisatorischen und didaktischen Möglichkeiten gewidmet, welche diese Art von physikalischem Wettbewerb eröffnet. Im Rahmen der Untersuchung wird das österreichische Modell des YPT, für das übrigens auch Länder mit einer langen Tradition in diesem Wettbewerb, wie Polen, Interesse zeigen, neben England, Kanada, Neuseeland, der Schweiz und der Slowakei einen Forschungsschwerpunkt darstellen.

Das österreichische Modell#

Das „Österreichische Turnier junger PhysikerInnen“ (AYPT) wird 2005 bereits zum siebten Mal durchgeführt. Der Austragungsort ist die Montanuniversität Leoben. Es werden dazu zirka 12 Mannschaften aus dem In- und dem benachbarten Ausland erwartet. Einladungen ergingen an sämtliche österreichischen AHS sowie an Polen, die Tschechische Republik, an die Slowakei, an Slowenien und an das „United World College of the Adriatics“ – Duino.

Damit wird einer der Gründe für das internationale Interesse am österreichischen Modell deutlich: Bereits seit dem zweiten Jahr seines Bestehens bemühen sich die österreichischen Organisatoren darum, das AYPT zu einem grenzübergreifenden regionalen Wettbewerb zu machen. Es soll dadurch auch Mannschaften aus Ländern der mitteleuropäischen Region, die möglicherweise nicht am internationalen Turnier teilnehmen können, die Möglichkeit zum internationalen Vergleich geboten werden. Zur Zeit kommen diese Teams aus Ländern, die nicht oder noch nicht im IYPT vertreten sind, wie Slowenien oder Italien, bzw. um Teams mit internationalem Spitzenniveau, die auf Grund der zahlreichen hochwertigen Mannschaften, die in ihrer Heimat an dem Turnier teilnehmen, wie z.B. in Polen, nicht zum IYPT entsandt werden können. Für die österreichischen Teams trägt dies zu einer noch größeren Motivation bei und gibt Gelegenheit zur Pflege von internationalen Kontakten sowie zur fachlichen Standortbestimmung. Für den internationalen Wettbewerb, der wegen der rasanten Verbreitung förmlich aus den Nähten platzt, stellt der österreichische Weg eine Entlastung und eine zukunftsweisende Alternative dar. Für die Organisatoren des AYPT bedeutet die alljährliche Austragung des Wettbewerbs allerdings eine an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gehende Herausforderung.

Die vornehmliche Aufgabe des AYPT ist die Nominierung eines Teams, das Österreich beim internationalen Bewerb vertritt. Allerdings wird nicht das bestplatzierte österreichische Team entsandt, sondern es werden aus den angetretenen Teams einzelne Schülerinnen und Schüler ausgewählt, die als Mitglieder des österreichischen Teams am besten geeignet erscheinen. Die Auswahl treffen die Mitglieder des Organisationskomitees und des „Vereins österreichisches Turnier junger PhysikerInnen“, die österreichischen Vertreter in der Jury und die Teamleader der angetretenen Teams. Der Auswahlmodus, der hier von Österreich gewählt wurde, stellt unter den nationalen Auswahlverfahren anderer IYPT- Teilnehmerländer ein Novum dar. In vielen Ländern, wie in Deutschland, wird kein nationaler Wettbewerb durchgeführt. Die nationalen Teams werden Jahr für Jahr lange vor dem IYPT zusammengestellt und eigens auf das Turnier vorbereitet. Die Leistungen dieser Teams sind oft hervorragend, jedoch kann die Teilnahme am IYPT bei dieser Organisationsform bestenfalls zur Förderung einzelner begabter Schülerinnen und Schüler beitragen. Die Teilnahme am YPT hat keine Breitenwirkung und führt zu keiner nachhaltigen positiven Beeinflussung des physikalischen Unterrichts in diesen Ländern. In jenen Ländern, in denen ein nationaler Wettbewerb durchgeführt wird, werden üblicherweise die Gewinner zum internationalen Turnier geschickt. Exzellente Mitglieder aus Mannschaften, die insgesamt nicht reüssieren, bleiben ausgeschlossen. Damit geht diesen Nationen nicht nur für das IYPT ein erhebliches Potenzial verloren, sondern es bleiben auch die zahlreichen Impulse ungenützt, die dem Physikunterricht an den Standorten aus der Beteiligung am Turnier junger Physiker gegeben werden können. In Österreich hingegen erhalten die fünf Besten aus dem ganzen Land ihre Chance. Dadurch gelingt es, die Motivation an vielen Schulen zu steigern, und die didaktisch relevanten Elemente des Wettbewerbs bundesweit zu verbreiten.

Dass der österreichische Ansatz internationales Interesse erweckt, darf also nicht wundern. Ebenso ist es einsichtig, dass das österreichische Modell mit einem erhebliche organisatorischen Aufwand und einem nicht hoch genug einzuschätzenden Einsatz aller beteiligten Teams verbunden ist. Es steht zu hoffen, dass der gegenwärtige Trend zu einer immer stärkeren Verbreitung des AYPT trotz der oft nicht optimalen Rahmenbedingungen anhält.

Die Teammitglieder der österreichischen Teams haben vor dem IYPT in einem Vorbereitungsseminar Gelegenheit sich kennen zu lernen und die endgültigen Fassungen der Präsentationen zu erstellen. Dabei bringen sie neben mit ihrem persönlichem Know-how auch das ihrer ursprünglichen Mannschaften ein. Dieser Austausch von Wissen und Ideen garantiert nicht nur ein hohes Niveau und ein konstant gutes Abschneiden beim IYPT. Es ist auch ein bislang einzigartiges Modell von schul- und länderübergreifender Zusammenarbeit von Schülerinnen und Schülern sowie von deren Lehrpersonen, die nicht an Einzelprojekte gebunden ist. Die Kontakte erstrecken sich über Jahre und verändern die Unterrichtspraxis nachhaltig.

Das österreichische Modell orientiert sich mit der Betonung der didaktischen Komponente an jener Form des YPT’s, die ursprünglich bei der Entstehung des Wettbewerbs 1979 in der damaligen UDSSR angedacht wurde. Damals war das Turnier ein nationaler Wettbewerb, der das Niveau des Physikunterrichtes an den Schulen auf breiter Basis heben sollte, und zur Überwindung der Probleme an der Nahtstelle zwischen Schule und Universität beitragen sollte. Er diente ausschließlich didaktischen Zielen im Rahmen des Regelunterrichts, was heute vielfach nicht mehr im Bewusstsein ist.

Die didaktische Wirksamkeit des YPT aus österreichischer Perspektive#

Die durch den österreichischen Ansatz eröffneten Chancen, eine möglichst effiziente Rückkoppelung zwischen der Wettbewerbsteilnahme und dem Physikunterricht zu erzielen, waren bereits Gegenstand von Veröffentlichungen[1] und wurden im Rahmen eines Projekts von IMST² -S3 einer fachdidaktischen Analyse unterzogen[2]. Dabei wurde die didaktische Absicht, die hinter der Struktur des Bewerbs und hinter der spezifischen Art der Problemstellung steht, an Hand der österreichischen Erfahrungen dargestellt.

Durch intensive Beobachtung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des an der Universität Wien im Schuljahr 2002/2003 durchgeführten Vorbereitungskurses für den österreichischen Qualifikationswettbewerb und in weiterer Folge des Vorbereitungsseminars für den internationalen Wettbewerb wurde versucht, jene Kriterien herauszuarbeiten, welche die Arbeitsweisen der Schülerinnen und Schüler beeinflussen. Es wurde ein Forschungstagebuch geführt, Interviews mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Vorbereitungskurses sowie Videoanalysen des Wettbewerbs gemacht. Interviews mit externen Beobachtern und mit Vertretern anderer Nationen, die in ihren Ländern diesen Wettbewerb betreuen, ergänzten das Beobachtungsmaterial. Die Auswertung des Materials und die daraus gewonnenen Erkenntnisse über die didaktisch relevanten Elemente, welche den Physikunterricht attraktiver und effizienter machen könnten, sollten Antwort auf die Fragestellung „Was kann das AYPT für die „good practice“ liefern?“ geben. Dafür ist die der Arbeit zu Grunde liegende Hypothese zu erhärten, dass sich bestimmte Kriterien des Wissenserwerbs und des Erkenntnisgewinns, die für das YPT charakteristisch sind, tatsächlich im Physikunterricht an den höheren Schulen nutzen lassen.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass folgende vier Faktoren, nämlich

  • das Lehrer-Schülerteam als ideale Lernumgebung
  • der induktive Ansatz und der extravagante Lernanlass
  • die Neugierde als Motor des Lernprozesses
  • das Ziel: physikalisches Verständnis- und Argumentationsfähigkeit

bei den Teilnehmern am YPT nachhaltig zu einem Lernansatz führen, der zweckfrei ausschließlich die Befriedigung des eigenen Wissensdrangs und den Erwerb von „Scientific Literacy“ zum Ziel hat. Jeder der angeführten Faktoren kann ohne organisatorische oder administrative Maßnahmen umgesetzt werden. Die einzige Voraussetzung dafür ist, durch Freude am Physiklehren den Schüler Freude am Physiklernen vermitteln zu wollen. Das bedeutet bei Lehrern genauso wie bei Schülern einen Paradigmenwechsel: Kreativität als notwendigen Bestandteil von Lernen und Forschen im physikalischen Unterricht anzuerkennen, komplexe Probleme als Lernanlass zuzulassen, von der Betrachtungen exemplarischer, oft absurder Einzelfälle auszugehen, deren Zusammenhänge erst nach und nach transparent inhaltlich mit der physikalischen Fachsystematik vernetzt werden, Schule als eine dynamische Gruppe von Lehrern und Schülern zu verstehen – all das erfordert quer zu denken. Das YPT setzt das hier skizzierte Verständnis von Lehr- und Lernprozessen voraus.

Die einzigartige österreichische Konzeption des AYPT begünstigt die Rückwirkung der dem YPT zugrunde liegenden Lernprozesse auf den Regelunterricht. Sie schafft Querverbindungen zwischen Schülerinnen und Schülern, Schulen, Betreuern und vernetzt sie mit außerschulischen Institutionen. Das genau ist aber das eigentliche Ziel von Schülerwettbewerben.

Die Herausforderung für die Zukunft ist es, aufbauend auf den Ideen des YPT’s dieses Verständnis von Unterrichtsförderung durch (physikalische) Wettbewerbe in Österreich verstärkt zu verbreiten, und die Anerkennung, die das österreichische Modell auf internationaler Ebene gefunden hat, weiter zu festigen.

Weitere Informationen über den Wettbewerb finden sie auf unserer Website: http://www.aypt.at


Fußnoten:

[1] Vgl. Pagana-Hammer, Brigitte: Faszination und didaktische Relevanz des Young Physicists’ Tournament. In: Plus Lucis 1/2002, Mitteilungsblatt des Vereins zur Förderung des physikalischen und chemischen Unterrichts und des Fachausschuss LHS der Österreichschen Physikalischen
Gesellschaft.
[2] Dieselbe: Neue Wege im Physikunterricht: Was kann das AYPT für die „Good practice“ liefern?, Wien, 2003.


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