Die Ukraine und die Oligarchen#
Viktor Kurmanowytsch
Die Selbstständigkeit der Völker, die auf dem heutigen Territorium der Ukraine gewohnt haben und jetzt wohnen war kaum gegeben. Ein riesiges Land ohne markante Grenzen! Die Anzahl der Völker rundherum, die sich die Kornkammer unter den Nagel reißen wollten ist Legion. 1240 n.Chr. war es mit dem großen Kiewer Reich zu Ende. Der große Bruder aus dem Norden hat seine Ausdehnung angedeutet. Vom Westen kamen die Polen und Litauen, die ebenso Expansionsgelüste hegten und – tres faciunt collegium - Tataren und Türken haben ihre Gier auch nicht verbergen können. Ende des XV. Jahrhunderts haben sich die ukrainischen Kosaken organisiert. Ungefähr 200 Jahre haben sie gegen die Angriffe der Nachbarn erfolgreich Widerstand geleistet. Gegen den katholischen Westen, gegen den orthodoxen Norden und den gegen den moslemischen Süden. Kosakenführer Chmelnytzkyj hat eingesehen, dass die Kosaken, allesamt Orthodoxe, Verbündete brauchen und hat mit den Moskowitern 1654 einen Beistandsvertrag abgeschlossen. Das war der Beginn der russischen Okkupation der Zentral-, Ost und Südukraine - mit kaum nennenswerten Unterbrechungen bis 1991. Die Westukraine war zwischen 1340 und 1772 mehr oder weniger „polnisch“. Dann kam es zur Dreiteilung Polens, wobei Maria Theresia den ukrainischen Teil zugesprochen bekam. Die Westukrainer wurden unter polnischem Einfluß katholisch und so kamen auf einmal 5 Millionen unierte Katholiken ins Habsburgerreich. Nur dort hat sich die griechisch-katholische Kirche erhalten. In den russischen Gebieten wurde alles, was nicht orthodox war, ausradiert. Von 1919 – 1939 war die Westukraine wieder polnisch und seit 1944 waren die beiden ukrainischen Hälften zum ersten Mal seit Jahrhunderten, wiederum, zwar unter der sowjetischen Flagge, vereint. Die Völkerwanderung begann. Etliche Millionen Westukrainer wurden zwangsbeurlaubt und nach Sibirien verschickt. Russen kamen in den Süden und Westen. Dort war es auch lässiger zu leben. Erst Chruschtschow erlaubte den Ukrainern wieder die Heimreise anzutreten.
Erstmals selbständig#
1991 wurde die Ukraine selbstständig. Niemand glaubte, dass dieses zusammengewürfelte Gebilde lang halten würde. Ost und West waren zu unterschiedlich, aber im Gulag sind sie sich näher gekommen. Man hat auch untereinander geheiratet und es schien eigentlich Friede und Eintracht zu herrschen. So weit ich mich erinnern kann, gab es immer wieder eine satte Mehrheit der Bevölkerung für die Einheit der Ukraine, auch in der Krim!
Die Korruption hat man bereits in der SU reichlich gelernt. Diebstahl und Lügen waren nicht verpönt und rangierten bei den gebeichteten Sünden als mehr als lässlich. Die vier gewählten Präsidenten waren gute Organisatoren für das eigene leibliche Wohl und der letzte hat überhaupt übertrieben,. Man sagt, dass es über 30 Milliarden Hrywni waren (damals 3 Milliarden US$), die sich überraschenderweise in seiner Tasche gefunden haben. Damit ist er nach Rußland geflohen, um die Schmach, weil der Majdan ihn zur Rechenschaft ziehen wollte, rächen wollte. Gemeinsam mit Putin sind auf einmal die ruhigen und friedlichen Ortschaften in der Ostukraine und in der Krim zu Gegnern der Ukraine angestachelt worden. Mit geladenen und entsicherten Waffen, postiert vor den Wahllokalen, hat man zur friedlichen Loslösung von der Ukraine eingeladen.
Der letzte gewählte Präsident der Ukraine war nicht nur der korrupteste von allen, er war auch der einzige wahrscheinlich, der seine Politik mit Putin minutiös abgestimmt hat. Auch Putin hat nicht nur ihn, aber auch seine gestohlenen Milliarden, die der ukrainischen Volkswirtschaft vehement abgehen, willkommen geheißen. Die Korruption und die Destabilisierung durch mannigfaltige Ereignisse hat die Ukraine in einen künstlichen Bankrott manövriert. Eigentlich wollte der Majdan in erster Linie die Korruption stoppen und das Land wieder in rechte Bahnen lenken. Die Demonstrationen waren friedlich, die Schüsse fielen mehrheitlich aus den Gewehren der prorussischen Seite. Militär kam von der Nord- und Ostgrenze. Das ukrainische Heer war schon längst, wegen Geldmangels und Korruption, nicht mehr funktionstüchtig. Ja, die einfachen und noch anständigen Leute waren müde, diesen eklatanten Graben zwischen arm und reich zu akzeptieren. Der Assoziierungsvertrag mit der EU sollte den Betrügern und Korruptionisten das Handwerk legen. Andererseits brauchen die Oligarchen der Ukraine keine EU. Da könnten unangenehme Kontrollen entstehen. Noch dazu fühlt man sich in einem russisch – asiatischem Wirtschaftraum weitaus heimischer. Noch dazu will Putin und sein Russland wieder an Bedeutung gewinnen. Nur ein tolles Sotschi - Festival durchzuboxen war Putin zu wenig. Der Majdan, der ihm die gute Laune und die abhängige Beziehung zur Ukraine rauben wollte, mußte bestraft werden. Die vom Ukrainer Chruschtschow geschenkte Krim an die ukrainische Sowjetrepublik wurde einkassiert.
Nun, die neu entstandene selbstständige Ukraine hatte in den letzten 23 Jahren Riesenprobleme. Es fehlte an erfahrenen Politikern, die noch dazu mehrheitlich keineswegs aus Idealismus und Liebe zu ihrem Land regierten. Moskau blieb immer noch die kontrollierende Instanz, die sie im Nacken spürten. Man munkelte in Kiew immer noch, dass man ein dreilagiges Klopapier verwenden muß, weil eine Kopie für Moskau bestimmt war. Der Geheimdienst war immer noch der jenige, der die SU überdauert hatte und der kommerzielle Austausch, wie konnte es auch anders sein, wird mit fast zur Gänze mit Rußland abgewickelt Eine sagenhafte Korruption hat sich auch in der Westukraine eingeschlichen. Um einen Sohn oder Tochter das Universitätsstudium zu ermöglichen, mußten mehrere Tausend Dollar „gespendet“ werden. Auch die Prüfungstaxen überschritten einen durchschnittlichen Halbjahreslohn. Ein entfernter Verwandter von mir hat als Oberarzt nur 400 Euro Monatlohn. Würde er nicht ein bißchen „dazu pfuschen“, könnte er kaum überleben.
In den letzten 20 Jahren haben 7 Millionen Ukrainer (ein Siebentel der Gesamtbevölkerung!) die Ukraine verlassen. Viele Ostukrainer sind nach Rußland gegangen, die Westukrainer (die Mehrheit!) nach Südwesteuropa, Kanada oder USA. Ingenieure, Doktoren und Fachkräfte sind seit längerer Zeit weg. Die besonders ertragreichen Böden werden nicht bewirtschaftet, weil ganze Dörfer entvölkert sind und die Großunternehmer die Kleinen nicht aufkommen lassen. Auch hier kann man nur gegen Bezahlung einer substantiellen Schutzgebühr ein Unternehmen gründen.
Die Wirtschaftsleistung der Ukraine ist kaum zufriedenstellend. Auch ohne Aggressionen, die Russland an den Tag legt, wäre die Pleite nicht aufzuhalten. Sie kommt halt nur viel rascher. Eigenartig ist, dass Putin auf wahnwitzige Weise die eigene Volkswirtschaft in die Krise führt. Gegen die Irrationalität der ostslawischen Oligarchen ist kein Kraut gewachsen. Wo die Korruption blüht und gedeiht, schwirren die Pleitegeier. (Siehe auch Griechenland!)
Vielleicht geschieht ein Wunder#
Trotzdem glaube ich an ein Wunder: Es wird eines Tages Putin nach Lemberg reisen und Vertreter der ukrainischen Nationalisten umarmen. Er wird alle Gefangenen befreien, die wegen Beleidigungen einsitzen. Er wird sein Militär abziehen und den Schröder nach Deutschland zurückschicken. Er wird wieder mit Karli Schranz Skifahren und Österreich wird ihm zujubeln. Die EU wird endlich zugeben, dass sie in den letzten 20 Jahren nicht die geringste Ahnung hatten, wie man mit einer Ukraine umzugehen hat. Die Oligarchen werden Caritasorganisationen gründen und den ärmsten der Bevölkerung ihr Vermögen überlassen. Weltfriede wird herrschen: Moskau, Paris, Wien und Kiew im Umarmungsrausch…
Dann bin ich leider aufgewacht!