Fred Sinowatz: Der Kanzler von der traurigen Gestalt#
Von der Wochenzeitschrift Die Furche, freundlicherweise zur Verfügung gestellt. (14. August 2008)
von
Claus Reitan
In den Nachrufen wurde er gewürdigt, überwiegend zu Recht: Der SPÖ-Politiker Fred Sinowatz, Unterrichtsminister und dann Bundeskanzler von 1983 bis 1986, hat – mit einer Ausnahme – als Regierungschef durch menschliche Größe unter äußerst harten Umständen überzeugt. Anfang der Woche verstarb er im Alter von 79 Jahren in seiner Heimatgemeinde Neufeld im Burgenland nach langer schwerer Krankheit und einem mehr als vollen Leben.
Der stete Aufstieg des promovierten Historikers vom Landeszum Bildungspolitiker in SPÖ- Alleinregierungen der siebziger Jahre fand 1983 ein jähes Ende, als Sinowatz nach einer SPÖ- Wahlschlappe das geliebte Unterrichtsressort verließ und die Nachfolge von Bundeskanzler Bruno Kreisky antreten musste. Diese und die dann auftretenden Aufgaben konnte ein Politiker keinesfalls zur Zufriedenheit aller bewältigen.
Als Kanzler und SPÖ-Vositzender verblasste Sinowatz im Vergleich mit Kreisky. Er konnte nicht die Früchte des Wachstums verteilen, sondern musste mit den Milliarden-Schulden der Verstaatlichten zurecht kommen. Er hat die Gewerkschafter nicht in die Schranken gewiesen, sondern sich von ihnen die Linie in Wirtschafts- und Energiefragen diktieren lassen. Bis es, nach der Verstaatlichten die zweite große Krise unter Sinowatz, 1984 zur Auseinandersetzung um das dann abgesagte Donaukraftwerk Hainburg kam.
Sinowatz hatte, eben dank historischen Wissens und Denkens sowie ursächlich einer gewissen Größe, zu einem Weihnachtsfrieden aufgerufen. Und er hat damit eine harte, mit Polizeieinsatz geführte Konfrontation der Regierung mit der Jugend vermieden. Auf die Katastrophe im Kernreaktor von Tschernobyl 1986 konnte die rot-blaue Koalition nur beschränkt reagieren, musste aber zur Kenntnis nehmen, dass damit die Haltung der Gegner der Kernenergie in Österreich einzementiert war. Doch einen Fehler aus eigener Kraft machte Fred Sinowatz 1986, im Jahr der Wahl von Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten.
Das berechtigte und sinnvolle Projekt der selbstkritischen Bewältigung der Vergangenheit vermengte sich unglückselig mit linkem Antifaschismus und mit einem Angstwahlkampf der SPÖ, das Amt des Bundespräsidenten an die Volkspartei zu verlieren. Sinowatz verlor die Übersicht, machte sich zu einem Teil der Propagandamaschine gegen Waldheim – und verlor alles. Kurz nach Waldheims Wahl räumte Sinowatz das Kanzleramt, dann die Löwelstraße, in der er als SPÖ-Vorsitzender gewirkt hatte. Die Schreibtische vertauschte er, Tiefpunkt seiner Laufbahn, mit der Anklagebank. In der Causa Waldheim wurde er der falschen Zeugenaussage für schuldig befunden, denn er habe davon gewusst, Waldheim solle wegen dessen „brauner“ Vergangenheit angepatzt werden. Zu seiner Erleichterung wurde er im Noricum- Prozess, einem Verfahren über die illegale Ausfuhr von Kanonen, vom Vorwurf der Gefährdung der Neutralität freigesprochen. Es war, wie er richtig sagte, alles sehr kompliziert. Er sei, wie er in einem großen Furche-Interview erklärte, nicht aus eigenem Zutun Bundeskanzler geworden. Er habe sich vielmehr bis zuletzt dagegen gewehrt. Aber, so sagte Sinowatz in der Furche, er habe die Politik immer als Aufgabe angesehen. Es sei ihm nie um Macht gegangen, sondern um die Verpflichtung. Diese Haltung hat Sinowatz glaubwürdig gelebt, aber er wirkte stets etwas gedrückt, eben wie von trauriger Gestalt.