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Schwarzenberg / Toth: Unterschätzen Sie nicht meine Boshaftigkeit#

Warum Karl Schwarzenberg einer der faszinierendsten Politiker Europas ist#

Ein Gespräch#


Von der Wiener Zeitung (Montag, 30.Jänner 2012) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Von

Christian Ortner


Schwarzenberg Karl
Karl Schwarzenberg: "Wenn ich mich outen würde..."
© APA

Mit 75, also in einem Alter, in dem der durchschnittliche österreichische Staatsdiener schon fast 20 Jahre Ruhestand hinter sich hat, will es Karl Schwarzenberg heuer noch einmal wissen - der tschechische Außenminister wird bekanntlich Spitzenkandidat der von ihm gegründeten Partei "Top09" bei den kommenden Präsidentschaftswahlen.

Seine Chancen, Nachfolger von Vaclav Klaus in der Prager Burg zu werden, sind trotz seiner enormen Popularität in der Tschechischen Republik eher durchwachsen. Schaffte er jedoch das Unerwartete, bekämen die Tschechen einen der faszinierendsten Politiker Europas als Staatsoberhaupt. Denn Schwarzenberg unterscheidet sich ganz erheblich von den anderen Vertretern der politischen Klasse, nicht nur in der Tschechischen Republik.

Unangenehme Wahrheiten glasklar auszusprechen, um die fast alle anderen Politiker würdelos herumlabern, bereitet ihm offenkundig geradezu Freude: "Ein Sozialsystem, das darauf aufgebaut ist, dass jeder Rentner nach Tunesien fliegen kann, aber in dem die Schulen unterdotiert sind, (...) scheint mir nicht ganz in Ordnung zu sein." Populismus hingegen ist dem "Fürsten" so fremd wie schlecht geschnittene Anzüge: "Wenn ein Politiker nur Dinge macht, die seine Wiederwahl sichern, richtet er sein Land zugrunde - das konnten wir in den letzten Monaten anhand vieler Beispiele beobachten."

Und dazu verfügt er über ein erhebliches Maß an Selbstironie, etwa wenn er über seine leichte Skepsis dem Konzept der Monogamie gegenüber auch in der Öffentlichkeit durchaus Auskunft gibt. Auskunft über seine Ansichten, Einsichten und sein in jeder Hinsicht turbulentes Leben gibt Schwarzenberg in Barbara Toths Buch "Unterschätzen Sie nicht meine Boshaftigkeit - Ein Gespräch", das zwar schon im vergangenen Herbst erschienen ist, aber angesichts der neuesten politischen Ambitionen seines Proponenten wieder ganz aktuell ist.

Dass er Ambitionen auf das Präsidentenamt habe, bestreitet Schwarzenberg in dem Buch übrigens noch, aber auf seine ganz typische Art: Er sei doch schon "ein alter seniler Mann". (Und kokett auch nicht, denkt man sich da unwillkürlich.) Darauf Autorin Toth: "Eine Krönung Ihrer politischen Karriere wäre das Präsidentenamt allemal." Schwarzenberg: "Aber leider wird es keine Krönung sein. Wenn es eine Krönung wäre, also - in dem Fall müsste ich ernsthaft darüber nachdenken."

Es ist wohl nicht nur subtile Selbstironie, die ihn das sagen lässt. Der reinen Parteiendemokratie österreichischen Zuschnitts gegenüber ist er eher skeptisch: "Deswegen bin ich auch ein vorsichtiger Anhänger der parlamentarischen Monarchie, weil der Monarch ein unabhängiges Element darstellt, das nicht von derselben Quelle der Macht abhängig ist." Dies hält er für notwendig, weil "heute unter demokratischen Vorzeichen eine Machtkonzentration stattfindet". Man wird ihm da nicht widersprechen wollen.

Zwar bezeichnet sich Schwarzenberg als "glühenden Europäer" (und zwar mit dem für ihn charakteristischen Argument "als warmen Europäer kann man mich ja schwer bezeichnen") - aber es ist eine erkennbar melancholische Passion geworden. "Es ist evident, dass Europa seine Höhepunkte hinter sich hat (...) Unser Wohlstandsniveau ist nicht zu halten. Weil wir unsere Zukunft vernachlässigt haben und andere Regionen aufstreben. Wir werden das Venedig der Welt werden: schön zu besuchen, tolle Denkmäler und gutes Essen."

Krise der westlichen Moral#

Ursache dieser Entwicklung ist für ihn ein "Grundproblem: Wir haben in Europa jegliche Vision, jegliche Vorstellung davon verloren, was wir wollen und wozu wir da sind. Und es interessiert uns auch nicht." Dahinter ortet er freilich, in bester konservativer Tradition, eine Erosion der Werte: "Wir haben in den letzten 40 Jahren sehr erfolgreich sämtliche Tabus, die es gegeben hat, abgeschafft (...) Wenn ich mich outen würde, dass ich mit einem südböhmischen Karpfen ein Verhältnis habe, würde das mit Interesse, aber nicht mit Empörung aufgenommen werden. Nun setzt das große Wundern an, dass das auch den Finanzsektor betroffen hat. Banken haben über Jahrhunderte hindurch funktioniert, weil es ungeschriebene Gesetze gab (...) Wer das langfristige Denken verlässt, vernichtet die eigene Substanz."

Die Wurzel des Problems, meint er, "liegt tiefer. Es ist eine Krise der westlichen Moral." Doch nicht nur das Weltganze beschäftigt Schwarzenberg, auch über das Detail, welchen Urteilsspruch er sich wünscht, sollte er dereinst vor dem Jüngsten Gericht stehen, hat er sich schon den Kopf zerbrochen. Er lautet: "Well Done." Schwarzenberg eben.

Information#

Karl Schwarzenberg, Barbara Toth: Unterschätzen Sie nicht meine Boshaftigkeit - Ein Gespräch. Residenz Verlag, 222 Seiten, 21,90 Euro.

Wiener Zeitung, 30.Jänner 2012