Im Einsatz für die Sozialdemokratie #
Eine Erinnerung an den Politiker, der am 12. Dezember vor 80 Jahren im Konzentrationslager Auschwitz ums Leben kam.#
Von der Wiener Zeitung (11. Dezember 2022) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Brigitte Biwald
Im dritten Wiener Gemeindebezirk, in der Reisnerstraße 41, befindet sich etwas versteckt, rechts neben dem Hauseingang, ein "Stein der Erinnerung": "Verfolgt und ermordet 1934 als Sozialist - 1938 als Jude. Dr. Robert Danneberg, 23.7.1885, ermordet 12.12.1942 Auschwitz. 1920-1932 erster Präsident des Wiener Landtages. Mitgestalter des ,Roten Wien.‘"
Wer war dieser Mann? Nachzulesen ist Dannebergs jahrelanger Einsatz für eine menschliche Kommunalpolitik unter anderem in zwei Biografien: Leon Kane veröffentlichte 1980 seine Forschungen. Diese Arbeit wurde dann zur Basis für Roland Pacher, der 2014 eine erweiterte Biografie vorlegte.
Schwerpunkte von Dannebergs Wirken waren die Jugend-, Bildungs-, Sozial- und Finanzpolitik. Als Verfassungs- und Verwaltungsexperte leistete er die Hauptarbeit bei der Reform des Wiener Magistrats zu einer modernen, sozial orientierten Stadtverwaltung. Danneberg schuf zusammen mit Stadtrat Hugo Breitner die rechtlichen Grundlagen für die Wohnbaupolitik der Gemeinde Wien und war der bestimmende Experte für die sozialdemokratische Mietrechtspolitik. In seiner Broschüre "Die sozialdemokratische Gemeindeverwaltung in Wien" legte er die Grundsätze sozialistischer Kommunalpolitik dar.
Ehe das "Rote Wien" 1934 unterging, kämpfte Danneberg an zwei Fronten: einerseits gegen den Austrofaschismus, der schließlich zur Errichtung des Ständestaates führte, und andererseits gegen die NSDAP. 1934 vom Dollfuß-Regime vorübergehend verhaftet, bemühte er sich noch im März 1938 um eine Zusammenarbeit mit Bundeskanzler Kurt Schuschnigg bei der geplanten Volksbefragung zum "Anschluss".
Anfeindungen#
Robert Danneberg wurde am 23. Juli 1885 in Wien geboren. Sein Vater Jakob zog von Budapest nach Wien, gründete hier ein Annoncenbüro und die Zeitschrift "Pschütt-Karikaturen", ein satirisches Journal, das antisemitisch kritisiert wurde. Danneberg absolvierte mit Auszeichnung das Akademische Gymnasium in Wien und studierte Rechtswissenschaften. Schon zu Beginn seines Studiums engagierte er sich in der sozialdemokratischen Partei. Ab 1908 arbeitete er im Jugend- und Bildungsbereich der Sozialdemokratie und verfasste Artikel in der Zeitung "Der jugendliche Arbeiter". Ferner veröffentlichte er 1910 die Broschüre "Das sozialdemokratische Programm", ein Grundlagenwerk. 1912 heiratete Danneberg die Berlinerin Gertrud Schröbler.
Für Danneberg bedeutete der Ausbruch des Ersten Weltkriegs eine schwere Einschränkung seiner Bildungsarbeit. Zusätzlich traten die unterschiedlichen weltanschaulichen Strömungen innerhalb der Partei hervor. Er musste mit ansehen, wie alte Genossen, aber auch Jugendliche in der Menge kriegsbegeistert mitjohlten. In einem Artikel, den Danneberg für die "Jugend-Internationale" schrieb, schilderte er den verheerenden Einfluss des Krieges auf Staaten und Völker im Allgemeinen und auf die Jugend im Besonderen.
Es war eine schwierige Situation für den jungen Politiker. So wurde er nicht nur von Deutschnationalen, Christlichsozialen und Nationalsozialisten angefeindet, sondern war auch mit dem Antisemitismus in der eigenen Partei konfrontiert. Doch Danneberg ließ sich nicht beirren, publizierte weiter, hielt Vorträge, bemühte sich um einen Verhandlungsweg. Im "Österreichischen Arbeiter-Kalender für das Jahr 1917" thematisierte er "Die Volksernährung", den "Arbeiterschutz" und die "Kriegerfürsorge". Dazu kam sein Einsatz für die "Rechte der Mieter", der fünf Jahre später als Gesetzesentwurf über den Mieterschutz im Nationalrat eingebracht und nach endlosen Beratungen im Juni 1929 beschlossen wurde.
Nach dem Tod des Parteigründers Viktor Adler am 11. November 1918 traten Politiker wie Karl Seitz, Otto Bauer, Karl Renner, Julius Deutsch und Robert Danneberg an die Spitze der Partei. Trotz ideologischer Differenzen zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten setzte sich Gemeinderat Danneberg 1919 dafür ein, dass den nach Österreich geflüchteten Mitgliedern der ehemaligen ungarischen Räteregierung Asyl gewährt wurde.
Bei der Entstehung der österreichischen Bundesverfassung hatte Robert Danneberg als Delegierter seiner Partei große Bedeutung und galt bei den Länderkonferenzen bereits als Verfassungsexperte. Als am 10. November 1920 der Wiener Gemeinderat erstmals als Wiener Landtag zusammen trat, beschloss dieser unter dem Vorsitz von Danneberg die neue Wiener Stadtverfassung, welche bis heute in ihren Grundzügen in Kraft ist. Am 26. November 1920 wurde Danneberg zum Präsidenten des Wiener Landtages gewählt und sah sich vermehrt antisemitischer Anfeindung ausgesetzt.
Neues Dienstrecht#
Zur offiziellen Trennung Wiens von Niederösterreich kam es am 29. Dezember 1921. Damit wurde Wien zu einem eigenständigen Bundesland und das Reformwerk "Rotes Wien" konnte beginnen. Die kommunalpolitischen Probleme zwischen 1925 und 1930 beschrieb Danneberg in der "Österreichischen Gemeindezeitung". Darin stellte er den organisatorischen Aufbau der neuen Verwaltung vor und erläuterte die Funktion des neu errichteten Kontrollamtes. Gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Personalstadtrat und Vizebürgermeister Paul Speiser schuf er das neue Dienstrecht Wiens, das auch die heutigen Stadtwerke einbezog und ein starkes Mitspracherecht der Gewerkschaft sicherte.
Das soziale Aufbauwerk dieser fortschrittlichen Sozialdemokraten wurde durch den "Postsparkassenskandal" im Jahr 1926 enorm gestört. Karl Ausch schrieb in seinem Danneberg gewidmeten Werk, "Als die Banken fielen", über diesen Korruptionsskandal ein ganzes Kapitel. Die Staatsfinanzen waren belastet, die Währungsstabilität gefährdet und 30 Milliarden Schilling wurden an öffentlichen Mitteln beansprucht. Danneberg, der den parlamentarischen Untersuchungsausschuss leitete, hielt dazu am 6. Juli 1926 eine dreistündige Rede.
Am 24. April 1927 konnte die Sozialdemokratie ihren größten Wahlsieg in der Geschichte der Ersten Republik erringen. Hochstimmung und Optimismus machten sich breit, doch einige Monate später war es damit vorbei, führten doch die Ereignisse des 15. Juli 1927 zur ersten schweren Krise des österreichischen Sozialismus. Die eigentlichen Gewinner waren allerdings weder die von Bundeskanzler Ignaz Seipel geführten Christlichsozialen noch die unter dem Einfluss des Polizeipräsidenten und Bundeskanzlers Johannes Schober stehenden Großdeutschen, sondern die klerikal-faschistischen Heimwehren.
"Während Seipel seinen politischen Kurs nach dem 15. Juli veränderte und verschärfte, setzte die Sozialdemokratie unter dem Unstern Otto Bauer ihre alte Strategie und Taktik fort (...), wurde zum zahnlosen Tiger (...)", schreibt Norbert Leser über die Phase des Niedergangs der Sozialdemokratie vom Juli 1933 bis zum Februar 1934. Auch der sonst so kluge Taktiker Danneberg reagierte unüberlegt: Er lehnte im Jahr 1931 das Angebot einer Koalition mit den Christlichsozialen ab. Dadurch sei die Chance verpasst worden, so Norbert Leser, zwischen den Christlichsozialen und den Heimwehren einen Keil zu treiben.
Aufreibende Debatten#
Mit dem zunehmenden Erstarken des rechten Lagers wurden auch die Angriffe auf die Finanzen der sozialdemokratischen Wiener Gemeindeverwaltung intensiviert. Danneberg verteidigte im Dezember 1930 im Nationalrat die Interessen Wiens. Als sehr schwierig gestalteten sich die folgenden Verhandlungen mit dem Bundeskanzler über den Finanzausgleich. Diese aufreibenden Debatten endeten schließlich mit weitgehenden Zugeständnissen der Sozialdemokratie an ihre Gegner.
Der Wahlerfolg der Nationalsozialisten bei den Gemeinderatswahlen von 1932 führte dazu, dass nunmehr 15 nationalsozialistische Abgeordnete im Wiener Landtag saßen. Sie hatten kein Interesse an einer konstruktiven Zusammenarbeit, sondern störten die Sitzungen durch Obstruktion, antisemitische Zwischenrufe und Saalschlachten.
Hugo Breitner trat Ende 1932 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt als Finanzstadtrat zurück. Danneberg übernahm die Leitung der Finanzverwaltung im Rathaus. Während er sich noch mit dem Budgetentwurf beschäftigte, kam es zur Selbstausschaltung des Parlaments am 4. März 1933 und zur Errichtung einer klerikal-faschistischen Diktatur auf Basis des sogenannten "Ermächtigungsgesetzes" unter Bundeskanzler Dollfuß.
Am 9. Februar 1934 unterstützte Danneberg im Wiener Gemeinderat den Appell des Christlichsozialen Leopold Kunschak, alle demokratischen Kräfte zur Bekämpfung des Nationalsozialismus zu bündeln. Kunschak wurde aber von seiner eigenen Partei kaltgestellt. Drei Tage später wurden Danneberg und viele seiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter festgenommen, acht Monate inhaftiert und dutzende Male verhört. Sofort nach seiner Entlassung nahm er wieder Kontakt mit seinen Parteifreunden aus der inzwischen illegal gewordenen sozialdemokratischen Bewegung auf.
Versuchte Flucht#
Erst nach der Rücktrittsrede Schuschniggs am 8. März 1938 entschloss sich Danneberg zur Flucht und bestieg am 11. März mit seinen beiden Kindern und zwei großen Koffern am Wiener Nordbahnhof den Abendzug nach Brünn. Trotz einer Warnung während der Fahrt weigerte er sich, mit seinen Kindern vor Lundenburg/Břeclav auszusteigen oder eventuell abzuspringen. Obwohl sich der Zug bereits auf tschechoslowakischem Gebiet befand, mussten alle österreichischen Staatsbürger aussteigen und wurden in einen plombierten Zug Richtung Wien gezwungen. Am Nordbahnhof wartete die Gestapo und verhaftete Danneberg.
Es folgte im April die Verschleppung in das Konzentrationslager Dachau, und von dort einige Monate später nach Buchenwald. Im Oktober 1942 wurde Danneberg nach Auschwitz gebracht, wo er am 12. Dezember ums Leben kam. Gertrud Danneberg, der die Flucht mit den Kindern nach London gelang, kämpfte bis zuletzt mit Familienmitgliedern vergeblich um die Freilassung ihres Mannes.
Ebenso versuchte Hugo Breitner, seinen besten Freund aus dem Todeslager herauszuholen. Er war von Dannebergs Tod zutiefst erschüttert und hielt wenige Wochen nach Kriegsende fest: "Welch überlegener Geist, welch scharfer, klarer Denker, (...) makellos in seinem Charakter (...), von umfassender allgemeiner Bildung, liebenswürdig und auch heiter, eine Erscheinung, die unvergesslich bleibt (...). Wie kein anderer hätte er den Wiederaufbau leiten können. (...) Der Gedanke an die arme Frau ist herzzerbrechend."
Brigitte Biwald, geboren 1951, ist Historikerin. Veröffentlichungen zum Thema Medizin- und Militärgeschichte. Lebt in Perchtoldsdorf.