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Zweites Vatikanum: Was können und sollen wir tun?#

Von

Anton Kolb

Verhelfen wir dem Konzil zum Durchbruch! Warten wir nicht auf ein Drittes Vatikanum! Das hätte jedenfalls zurzeit von Papst Benedikt und wegen zu vieler, von ihm ernannter konservativer Kardinäle und Bischöfe, die von ihm ernannt wurden, wenig Aussicht auf Erfolg im Sinne der Kirchenreformer. Treten wir privat und öffentlich (Medien, E-Mails, Facebook, Unterschriften, Anrufe), womöglich gemeinsam, weil dadurch effizienter, für die Kirchenreform im Sinne des Konzils und des Evangeliums ein! Nur die Wahrheit dieser Reform wird uns freimachen. Diskussionsverbote gehören verboten. Die Medien, die Journalisten haben schon zurzeit des Konzils eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Gedanken, der Anliegen desselben gespielt.

Die großen Chancen der Religion, der Kirche, auch in der Gegenwart, nützt die Hierarchie derzeit leider nicht. Und wird damit ihrem Auftrag nicht gerecht. Die Krise des Glaubens hat mit der Krise der Kirche zu tun. Zehn Jahre lang soll die Hierarchie über den Heiligen Geist, die Liebe, die Wahrheit und das Vertrauen nicht sprechen und nicht schreiben. „Das Heil der Seelen“ ist sogar nach dem Kirchlichen Codex (Can.1752) „das oberste Gebot“. Man möge sich daran halten. Denn ohne liebevolle und seelenvolle Seele gibt es keine Seel-Sorge. Nur was von Herzen kommt, das auch zu Herzen geht. Das viele Gute, das es in der Kirche immer auch noch gibt, spielt sich primär in der Pfarre ab. „Das tägliche Brot gib uns heute!“

Man kann und darf die Kirche nicht ohne das Volk Gottes, nicht gegen das Volk Gottes, das die Kirche ist, regieren wollen. Es gibt kein „wanderndes Volk Gottes“, wenn es keinen Weg, keine Änderung, nichts Neues, keine neuen Ziele gibt. So ist es kein Wunder, dass die Jugend heute in der Kirche fehlt. Ohne Jugend gibt es keine Zukunft. Ohne Hoffnung gibt es keine Zukunft. Wir wollen wirklich einen wahren Wandel. So kann es nicht weiter gehen. Hoffentlich denkt man auch bei der anstehenden Papstwahl daran. Wende und Wandel sind angesagt. Identität gibt es nur durch Differenz. Kirche ist das Antlitz des Nächsten. Das „Jahr des Glaubens“ wird nur dann zu einem Jahr der Gnade, wenn es zu einem Jahr des Konzils, zum Jahr eines neuen, aufgeschlossenen Papstes wird.

Beweisen wir Zivilcourage, übernehmen wir Verantwortung, solidarisieren wir uns mit den Reformen, mit den Reformern! Haben wir den Mut, uns unseres Verstandes, unserer (Menschen- und Christen-)Rechte, unserer Freiheit, unserer Kompetenzen, Talente, Gaben und Charismen zu bedienen! Lassen wir unseren Gedanken und Worten Taten folgen, lassen wir „die heißen Eisen“ nicht abkühlen, folgen wir unserem Gewissen! Wir brauchen eine Reform von unten, einen Aufstand des Volkes Gottes, des Gewissens, der Massen. Eine künstliche Harmonie und nur kleine Schritte bringen nichts. Ein kleiner Schritt ist noch kein Fort-Schritt, kann bei rasantem Tempo der Entwicklung schon ein Rück-Schritt sein. Johannes XXIII. hat „einen Sprung vorwärts“ gefordert. Also brauchen wir einen Quantensprung und Mut. Wir müssen auch Konflikte riskieren. Nur wer gegen den Strom schwimmt, kehrt zur Quelle, zum Ursprung, zum Konzil zurück.

Jede Nicht-Einmischung kann leicht zu einer Unterlassungssünde werden. Schweigen wird leicht als Zustimmung gewertet. Ohne Ja und Amen, ohne Wenn und Aber, sondern jetzt erst recht. Schweigen ist Feigheit, Reden ist Silber, Handeln ist Gold. „Wir können unmöglich schweigen.“ (Apg 4,20) Weg mit der Rückgradverkrümmung! Es lebe der aufrechte Gang! Lassen wir uns nicht einschüchtern durch erzkonservative Laien, Geistliche und Bischöfe, die sich – zumindest das Konzil betreffend – im Unrecht befinden und Unrecht auf sich laden. Sie sind „Quellen ohne Wasser.“ (Petrus) Nicht einmal ein Papst darf ein Konzil ändern. Die Treue zum Konzil ist wichtiger als die Treue zum Papst. Leider trauen sich viele Priester nichts dem Bischof gegenüber, die meisten Bischöfe nichts dem Papst gegenüber, weil sie mit Sanktionen rechnen müssen. Solche Geistliche vertreten nur noch eine Minderheit in der Pfarre, solche Bischöfe nur noch eine Minderheit in der Diözese. 80 – 90 % der Gläubigen treten für Reformen ein. Die Mitarbeiter, die Angestellten sollten gehört, statt verurteilt bzw. versetzt zu werden. Der Zentralismus und die Verweigerung des Dialoges demotivieren die Mitarbeiter und machen sie zu bloßen Untergebenen, zu Befehlsempfängern, zu Untertanen. So verkündet man weder Gott als Vater, noch die Kirche als Mutter. „Sitz und Stimme“, das brauchen die Schwestern und Brüder im Hause des Vaters. Wer entmündigt wird, den Mund halten bzw. schweigen muss, der engagiert sich nicht mehr, zieht sich zurück oder zieht überhaupt aus. Keine Familie, kein Betrieb kann sich das mehr leisten, wie Papst Benedikt die Kirche geführt hat. Die Kirchenreformer sind und waren keine Gegner Ratzingers, sondern genau umgekehrt. Die Amtskirche soll den Gläubigen nicht den Kopf, sondern – wie Christus – die Füße waschen. Die Kirche muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden, um geerdet zu sein, damit etwas weitergeht, um sich auf den Weg machen zu können. Das Konzil ist kein Sündenbock, sondern eine Freiheitsstatue. Es stimmen die prophetischen Stimmen, nicht jene der Restaurativen, die nunmehr so häufig erklingen. Bei denen pocht nicht das Herz, sondern man pocht auf Gebote. Ohne Selbsterkenntnis und ohne Schuldbekenntnis erreicht die Hierarchie nie ihr gesolltes Ziel.

Die Amtskirche beantwortet Fragen, die nicht gestellt werden, zu wichtigen Fragen schweigt sie beharrlich. Das Menetekel an der Wand wird vom Vatikan fast nicht erkannt. Man kann ein Problem, dessen Existenz man leugnet oder ignoriert, nicht lösen. Das geschlossene System, das Ghetto, der Käfig, das Gefängnis, das Schneckenhaus, die geschlossene Anstalt müssen geöffnet und verlassen werden, die Mauern müssen fallen. Frust erstickt jede Lust. Wir brauchen eine Kirche der Menschenrechte, der Menschenwürde, der Freiheit, der Meinungs- und Redefreiheit, des Dialoges, der Demokratie, der Pastoral, der Laien, der Barmherzigkeit, der Hoffnung und der Zukunft. Die Pluralität – auch in der Kirche – ist keine Sünde, sondern eine Not-Wendigkeit, sie entschärft die Probleme. Es geht um eine immer wieder neu fällige Inkulturation. Pluralismus statt Monismus! Wir müssen begreifen, dass die Konstantinische Ära, das Staatskirchentum und die Volkskirche zu Ende gehen. Es geht natürlich nicht darum, die Kirche in der Öffentlichkeit zu kritisieren oder zu schwächen, sondern genau im Gegenteil, sie langfristig zu retten. Wer Missstände aufdeckt, ist kein Täter. Wer das Feuer löscht, das andere gelegt haben, ist kein Brandstifter. Die Konzilskritiker und Konzilsverweigerer sündigen wider den Heiligen Geist, dürfen ihn für sich nicht in Anspruch nehmen. Kritik bedeutet keinen Verrat am Glauben, am Papst, ist keine Illoyalität, keine Nestbeschmutzung. Ich möchte Sie von den Reformen überzeugen, für die Reformen begeistern, Empathie und Engagement erzeugen. Schon ein einziger wirklicher Reformschritt Roms, ein neuer und aufgeschlossener Papst würden der Kirche Auftrieb und Ansehen verleihen. Ältere Geistliche sind oft reformfreudiger als junge. Das Fass ist voll. Die Wut nimmt zu. Die Zeit ist reif, die Tat kommt bald. Wenn das Konzil nicht umgesetzt wird, Reformen nicht endlich durchgeführt werden, kein Aufbruch geschafft wird, kommt es in absehbarer Zeit zu einem großen Bruch, Umbruch und Abbruch, zu einem großen Krach, an dem die Kirchenleitung schuld ist. Der geschlossene Block der Hierarchie treibt die Kirche in die Nähe der Anarchie.

Das 21. Jahrhundert wird eine Zeit der Umsetzung des Konzils, grundlegender Reformen sein, oder die katholische Kirche wird nicht mehr sein, oder zu einer immer kleineren Sekte schrumpfen, gewaltig an Strahlkraft, Bedeutung und Einfluss verlieren. Es darf nicht weiterhin um die Gestaltung und Verwaltung des Mangels, des Niederganges, des Defizits, des Verlustes, der Angst, des Rückzuges auf eine kleine Sekte, nicht um einen kompletten Realitätsverlust gehen. Das Konzil ist keine Episode, sondern ein Dauerauftrag. Es ist schlimm, wenn man keine Erwartung mehr haben kann. Es geht nicht um die Verteidigung der katholischen Kirche, sondern um die Rechte der menschlichen Person, wie Johannes XXIII. kurz vor seinem Tod sagte. Weiters sagte er: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“ Paulus formulierte, und das gilt besonders für uns heute: „Prüft alles, das Gute behaltet.“ (1.Tess 5,21) Es geht nicht um Monopol, Monolog, Monismus, Monolith und Monarchie, sondern um Dialog, Diakonie, Dienst, Demut und Demokratie.

Kirche ohne Gegenwart ist Vergangenheit. Wir dürfen das Heil nicht einfach in der Vergangenheit suchen. Kirche ohne Heute ist von gestern. Kirche von gestern hat kein Morgen. Wer nur in der Vergangenheit lebt, nichts Neues riskiert, hat keine Zukunft. Wer keine Einsicht hat, der hat keine Aussicht. Wir brauchen Mut für die Zukunft, das coole Konzil gegen die gegenwärtige Krise. Geht’s der Kirche gut, geht’s uns allen gut. Es geht nicht um Prunk und Pracht und Macht, sondern um Glaube, Hoffnung und Liebe. Liebe ist das Maß aller Dinge. Der Philosoph Platon sagte: „Gott ist das Maß aller Dinge.“ Und eben nicht der Vatikan. Nachdem Gott die Liebe ist, ist die Liebe das Maß aller Dinge. Die Kirche muss wieder gastfreundlich, wieder Heimat werden. Wir brauchen keine Würdenträger, sondern Fackelträger. Wir brauchen mehr Liebe als Wahrheit, mehr Zeugen als Lehrer. Gottes Gebot ist sein An-Gebot. Das beste Bild ist das Vor-Bild. Es gibt keine Synthese ohne Analyse, keine Therapie ohne Diagnose, keine Hierarchie ohne Volk Gottes, keine Unterscheidung der Geister ohne Geist. Die Beanspruchung des Heiligen Geistes für eigene Versäumnisse und Fehler ist die Sünde wider den Heiligen Geist.

Das Schiff Petri rudert in letzter Zeit nicht in die richtige Richtung. Wie viel Wasser muss den Tiber, die Donau, den Rhein noch hinunterfließen, bis das Schiff Petri wieder Kurs, Sicherheit, Zukunft und Ziel gefunden hat? Wer reißt das Ruder herum? Hoffentlich der neue Papst. Wir wollen vom Exil in das gelobte Land, von der Gefangenschaft in die Freiheit, vom Verbot zum Angebot, von der Moral zur freien Wahl, von der Macht zum Argument, vom Herrschen zum Dienen, vom Reagieren zum Agieren, vom Lehren zum Hören, vom Kopf zum Herzen, vom Wort zum Werk, von der Theorie zur Praxis, vom Verwalten zum Gestalten, vom Wesen zum Wandel. Christus sagt zu uns jetzt, hier und heute, zu Ihnen: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen.“ (Lk 12,49) Die Kirche ist ein Fackellauf, ein jeder nehme seine Fackel auf!

„Löscht den Geist nicht aus!“ (1 Tess 5,19) Löscht den Geist des Konzils nicht aus! Nur der Geist bringt Be-Geisterung. Trennt den Altar vom Thron, die Kirche von der Macht! Hütet nicht die Asche, die verbrannte Erde, sondern entfacht ein neues Feuer! Das Feuer des Konzils darf nicht durch die Asche der Restauration ausgelöscht werden. In der Wüste führt das Feuer zu neuem Leben. Wie der Phönix aus der Asche, so möge die Kirche emporsteigen zu den lichten Höhen des Konzils. Der Heilige Geist möge wieder herabsteigen. Er ist der Geist des Konzils – und nicht seiner Verweigerer.

Also, auf die Schiffe, Ihr Gläubigen, damit das Schiff Petri wieder flott, nicht immer leerer wird und nicht Schiffbruch erleidet. Schwimmen wir nicht mit, sondern gegen den derzeitigen Strom Roms, damit das Schiff auf dem stürmischen Meer Kurs nimmt in Richtung Zukunft, Weite und Freiheit!

Aus der Broschüre "Das Zweite Vatikanische Konzil. Auftrag und Verrat“


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