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Durchmischung - ein Traum?#

Dass Integration gelingen und noch dazu erfolgreich sein kann, zeigt die Volksschule Brüßlgasse in Ottakring.#


Mit freundlicher Genehmigung der Wiener Zeitung, 14. Jänner 2018

Von

Ina Weber


Volksschul-Tafel
Wie das Miteinander funktionieren kann, zeigt Direktorin Elisabeth Kutzer an ihrer Schule in Ottakring.
Foto: © Diva Shukoor

Wien. Am Montag starten die Schuleinschreibungstage in Wien. Obwohl jeder zweite Wiener bereits Migrationshintergrund hat, spiegelt sich die Durchmischung in den Wiener Schulen kaum wider. Wenn es um das eigene Kind geht, scheint die Toleranz doch noch oft Grenzen zu haben. Eltern, die ihre Kinder in national stark gemischte Klassen geben, sind nach wie vor die Ausnahme.

Eine Schule, die als Leuchtturmbeispiel genannt wird, ist die Volksschule Brüßlgasse im 16. Bezirk. Die Brennpunktschule hat sich zu einem Vorbild entwickelt - und das nicht ohne Grund. Mit 320 Kindern aus 30 verschiedenen Ländern schafft sie nicht nur den Unterricht nach Plan, sondern zeigt, wie man mit Engagement und differenzierter Methoden ein gutes Miteinander schafft.

"Welche Sprachen sprecht ihr denn noch?"#

"Welche Sprachen sprecht ihr denn noch?" Direktorin Elisabeth Kutzer steht in der 2C in ihrer Volksschule. Die Hände der Kinder schießen in die Höhe. "Polnisch", "Türkisch", "Mazedonisch", Serbisch", "Russisch", "Mongolisch", "Rumänisch", "Farsi", "Slowakisch" - die Augen der Kinder leuchten, während sie sich gegenseitig mit Sprachkenntnissen übertreffen. "Toll", sagt die Direktorin. "Englisch", schießt ein Bub nach. "Ja, Englisch, das sprechen wir alle", lachen Kutzer und die Klassenlehrerin.

Selbstverständlich sei die Sprache, in der unterrichtet und gelebt wird, Deutsch, so Kutzer. Kinder, die an diese Schule kommen und kaum bis gar kein Deutsch sprechen, würden mit gezielten Fördermaßnahmen schnell aufgefangen. Die Förderung findet in kleineren Gruppen statt. Während eine Klasse etwa gerade an einem mehrsprachigen Buch arbeitet, sind ein paar der Schüler für eine gewisse Zeit bei der Muttersprachenlehrerin in einem Kursraum einen Stock höher. Denn an dieser Schule wird mehrsprachige Alphabetisierung gelebt. "Nur wer seine Muttersprache grammatikalisch richtig spricht, lernt leicht Deutsch", ist Kutzer überzeugt.

Als Direktorin Kutzer im Jahr 2003 die mehr als 100 Jahre alte Schule übernahm, war sie in keinem guten Zustand. "Die Zeiten haben sich aber geändert", sagt sie zur "Wiener Zeitung". "Damals gab es viele Eltern mit nichtdeutscher Muttersprache, denen die Bildung ihrer Kinder egal war, heute gibt es noch immer viele auch hier in Ottakring, die nicht so gut deutsch sprechen, denen aber Bildung für ihre Kinder sehr wichtig ist."

Direktorin Elisabeth Kutzer
Direktorin Elisabeth Kutzer
Foto: © Diva Shukoor

Ob Integration in der Schule gelingt, liegt laut Kutzer in erster Linie am Engagement der Schulleitung und besonders der Lehrer. "Mir war von Anfang an das Miteinander im Team, das Agieren auf Augenhöhe wichtig", sagt sie. "Wir haben Klassen-, Begleit-, Förder- und Muttersprachenlehrer und zwei Native Speaker Teacher für die Sprache Englisch - alle arbeiten zusammen." Auch die Muttersprachenlehrer haben einen eigenen Unterrichtsraum. Das habe mit Wertschätzung ihrer Arbeit zu tun, so die Direktorin.

"Und es nimmt jeder jeden an, wie er ist"#

"Guten Morgen", grüßen die Kinder im Chor beim Eintreten in die nächste Klasse. Manche sitzen am Boden und lösen Mathematikaufgaben, andere sitzen in Gruppen an den Tischen und schreiben. Und wieder andere knabbern an ihren Jausenbroten und trinken Wasser aus Flaschen, die die Schule jedem Kind zur Verfügung stellt, da sie an dem Projekt "Wiener Wasserschulen" teilnimmt. Bei der Klassentür steht eine Kiste mit Äpfeln. "Wir haben zwölf Nationen in dieser Klasse", sagt Klassenlehrerin Christine Wieser und lächelt. "Und es nimmt jeder jeden an, wie er ist. Das ist das Schöne."

In den Gängen des Schulgebäudes sind Stationen für das "bewegte Lernen" vorbereitet und an Schreibtischen bei den Fenstern sitzen vereinzelt Kinder mit ihren Lesepaten. Regisseurin Mirjam Unger ist als Lesepatin an diesem Vormittag hier. Sie hilft gerade Arlinda beim Lesen. "Ihr sprecht zu Hause albanisch, oder?", fragt sie das Mädchen. "Ja", sagt Arlinda, "und manchmal deutsch."

Unterricht
Unterricht
Foto: © Diva Shukoor

Kutzer glaubt nicht nur an die mehrsprachige Alphabetisierung, sie hat die positiven Auswirkungen selbst erlebt. Auch ihre Schüler erhalten die Gymnasiumsreife, wenn sie gut sind. Durch die mehrsprachige Alphabetisierung würden sie Deutsch umso schneller lernen. "Wenn ein Kind seine Muttersprache nicht beherrscht, dann wird es in eine Art Sprachenlosigkeit geworfen. Dann kann es weder die Erst- noch die Zweitsprache gut. Das kann niemand wollen", sagt sie.

Chancengleichheit als pädagogisches Konzept#

Kutzers pädagogisches Konzept ist die Chancengleichheit. "Ich will Kindern das geben, was sie von zuhause oft nicht mitbekommen - aus vielerlei Gründen", sagt sie. Ihr Motto lautet: Zuerst kommen alle zusammen und dann kommt die spezielle Förderung dazu. "Wenn zum Beispiel ein syrisches Kind mit acht Jahren hierher kommt und kein Wort Deutsch kann. Dann habe ich die Möglichkeit, es bis zu zwei Jahre in Deutsch nicht zu beurteilen. Das Kind bekommt aber in allen anderen Fächern Noten, wenn es gut ist. Mit unserer Art hier zu unterrichten, bekommt es also von Anfang an einen gesonderten Crashkurs in Deutsch, hat aber trotzdem ein stabiles Klassengefüge und eine Bewertung, sodass es motiviert bleibt."

Gerade Kinder zwischen sechs und zehn Jahren seien blitzgescheit, lernfähig und -willig, egal woher sie kommen, so die Direktorin. "Ich hatte einmal einen Buben aus Serbien, der war extrem gescheit und wollte Pilot werden. Der hat seinen Weg gemacht, obwohl seine Eltern beide Analphabeten waren."

Die Ängste der Eltern von Kindern mit deutscher Muttersprache, ihre Kinder würden in gemischten Klassen nicht so gut lernen, sind für Kutzer unberechtigt. "Die Kinder werden durch Teamteaching individuell gefördert. Damit werden auch die besonders Begabten optimal gefördert."

"Wenn man diesen Beruf ordentlich macht, ist das mehr als ein Fulltime-Job. Die Kinder sind mir wichtig."

Kutzers großer Wunsch ist es, dass auch in Zukunft an ihrer multikulturellen Schule das harmonische Miteinander und die wertschätzende Haltung jedem gegenüber bestehen bleibt.

Wiener Zeitung, 14. Jänner 2018


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