Exotin, Kämpferin, Chefin#
Kriege wirken als Katalysator der Emanzipation. Eine Analyse zum 104. Internationalen Frauentag am 8. März.#
Von der Wiener Zeitung (Sa./So., 7./8. März 2015) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Petra Tempfer
Katalysator der Emanzipation dienten - die weltweiten Unruhen tun es bis heute. Mittlerweile haben zumindest in unserer Region einige Frauen die Männer überholt.
Der Kampf um Bildung, um die Öffnung der Universitäten und des Arbeitsmarktes für Frauen sowie um das politische Wahlrecht war ein erbitterter. Letzteres stand seit den 1890er Jahren im Parteiprogramm der Sozialdemokraten, in Österreich hatte bereits 1848 Karoline von Perin den "Wiener demokratischen Frauenverein" gegründet. Deren Mitglieder lehnten es ab, karitative Arbeit zu leisten. Sie verfolgten politische Ziele. Karoline von Perin wurde schließlich verhaftet, und das Sorgerecht über ihre Kinder wurde ihr entzogen. Sie flüchtete nach München, die Rückkehr wurde ihr nur unter der Rücknahme ihrer Forderungen gestattet.
Frauen dürfen seit 1918 wählen#
Offensichtlich brauchte es tatsächlich eine Katastrophe wie den Ersten Weltkrieg (1914-1918), um die Emanzipation voranzutreiben. 1918 wurde in vielen europäischen Ländern wie auch Österreich das Frauenwahlrecht eingeführt. Eine Öffnung der Unis für Frauen hatte bereits im 19. Jahrhundert eingesetzt, das "Frauenstudium" war zum europäischen Schlagwort avanciert. Österreich war diesbezüglich aber extrem restriktiv und hinkte gemeinsam mit Preußen hinter dem Rest Europas hinterher. 1897 wurden österreichische Frauen vorerst zum Studium an der Philosophischen Fakultät zugelassen, drei Jahre später auch zum medizinischen Studium. Der Erste Weltkrieg brachte die Öffnung der Unis zum Stocken. Erst 1919 konnten Frauen an der Juridischen Fakultät als ordentliche Hörerinnen inskribieren und ab 1945 - also nach Ende des Zweiten Weltkriegs - an der Katholisch-theologischen.
Auch die Arbeitswelt bricht nach Kriegsausbrüchen zunächst zusammen. Sie bringen zahlreiche Entlassungen mit sich. Unmittelbar nach Beginn der zwei Weltkriege setzte eine Abwanderung der Frauen vor allem in die Rüstungsindustrie ein.
Die wohl bedeutendste Wende stellt vermutlich deren Vordringen in die Berufsgruppen der Männer nach 1914 dar, wenngleich Frauen weniger verdienten. Frauen wurden Schaffnerinnen, Rauchfangkehrerinnen, Straßenkehrerinnen, schreibt Historikerin Christa Ehrmann-Hämmerle von der Uni Wien in ihrem Buch "Heimat/Front". Während die Männer als Soldaten dienten, kämpften die Frauen zuhause damit, die Familie zu erhalten. Dem Kriegsgeschehen am nächsten waren die Krankenschwestern, die ihren Einsatz Ehrmann-Hämmerle zufolge als frauenspezifisches Äquivalent zur Soldatentätigkeit sahen. Wenige Soldatinnen waren sogar Teil des Kriegsgeschehens selbst, allerdings nur in Randgebieten wie etwa Galizien.
Bei all diesen neuen Frauenberufen war aber eines von Anfang an klar: Die Männer wollten ihre Arbeit nur vorübergehend aus der Hand geben. Sobald der Krieg vorüber war, sollte alles wieder ins alte Rollenbild gepresst werden. Das funktionierte aber nicht. Ein Geschlechterkampf war die Folge, der mitunter bis heute anhält.
Oder es ist immer noch Krieg, wie etwa in Jordanien. Frauen werden hier zu Entwicklerinnen von Überlebensstrategien, wenn sie das Wichtigste zusammenpacken und mit ihren Kindern ins Nachbarland fliehen. Sollte der Konflikt einmal enden, so wird er vermutlich Jahre der gesellschaftlichen Umbrüche nach sich ziehen.
In Österreich hat unter anderem die erste Frauenministerin Johanna Dohnal (SPÖ) Zeichen gesetzt. Als sie vor fünf Jahren 71-jährig starb, hatte sie als Feministin, Frauenpolitikerin und Ikone der österreichischen Frauenbewegung Geschichte geschrieben. Ein bedeutender Schritt wurde bereits 1979 gesetzt, als Bundeskanzler Bruno Kreisky Dohnal - unter heftiger Kritik der Öffentlichkeit - als Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen in die Regierung holte: Das Gesetz über die Gleichbehandlung von Mann und Frau bei der Entlohnung wurde beschlossen und eine Gleichbehandlungskommission eingerichtet, die bis heute existiert.
Das Beispiel Politik zeigt allerdings auch, dass noch lange kein Gleichstand unter den Geschlechtern herrscht. In Österreich sind nur 56 der 183 Nationalratssitze mit Frauen besetzt. Weltweit beträgt der Anteil der Abgeordneten in den Parlamenten lediglich 20 Prozent, wobei es hier freilich große regionale Unterschiede gibt. Bei der Frauenerwerbsquote liegt Österreich mit 71,7 Prozent über dem EU-Schnitt von 66 Prozent, und auch unsere Wirtschaft wird immer weiblicher. Von den Unternehmensgründern des Vorjahres waren laut Wirtschaftskammer 43,5 Prozent weiblich, was ein neuer Höchstwert ist.
Im Bereich Bildung haben Frauen Männer überholt#
Zumindest in Sachen Bildung haben die Frauen die Männer bereits überholt. Während 1980 etwa 20 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer maturierten, liegt die Relation heute bei 50 zu 36 Prozent. Auch an den Hochschulen herrscht ein Ungleichgewicht zugunsten der Frauen: Im Semester 2013/14 standen den rund 173.000 Studenten etwa 204.000 Studentinnen gegenüber. Den höchsten Frauenanteil von 77 Prozent gibt es an den Pädagogischen Hochschulen.
Diese Dominanz setzt sich im Berufsleben fort: Fast drei Viertel des Lehrpersonals an Österreichs Schulen sind Frauen. Aber auch in anderen Sparten steigt der Anteil. In der Justiz etwa waren vor 20 Jahren weniger als 20 Prozent der Richter und Staatsanwälte weiblich, heute sind es 55 Prozent.
Trotz allem ist noch lange kein Gleichgewicht erreicht. Frauen verdienen um etwa ein Viertel weniger als Männer. Das liegt vor allem daran, dass fast die Hälfte einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Anders gesagt: 80 Prozent der Teilzeitjobs verrichten Frauen. Warum? Weil die meisten nach wie vor die Hauptverantwortung bei der Kindererziehung übernehmen und das Angebot an Kinderbetreuungsplätzen unbefriedigend ist. Frauen, die Familie haben, einen Haushalt führen und Vollzeit-Karriere machen, sind für manche daher noch immer Exotinnen.