Ihr Benzin-Teufel, fahrt alle zur Hölle!#
Wie unser Blatt die Automobilgeschichte an deren Beginn sah.#
Von der Wiener Zeitung (Freitag, 28. August 2009) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Alfred Schiemer
Ja, wenn dieses Beispiel Schule gemacht hätte, sähe es heute auf den Straßen wahrlich kommod aus! Höllenlärm, Auspuffschwaden, grässliche Unfälle durch Autoraser – all das gäbe es nicht, hätte man vor mehr als einem Jahrhundert die vorbildliche Maßnahme einer kleinen Ortschaft in Oberösterreich beachtet.
Dass die im Lande ob der Enns gestartete Initiative bald sanft entschlafen sollte und man den knatternden, stinkenden Benzinungetümen freien Lauf ließ, liegt jedenfalls nicht an der Redaktion unseres Blattes. Die "Wiener Zeitung" bzw. deren Spätausgabe "Wiener Abendpost" informierte nämlich am Donnerstag, dem 25. August 1904, ausführlich über den Kampf gegen die Automobilpest. So hieß es mit einigem Spott zwischen den Zeilen: Die Gemeinde Steinbach am Attersee hat dieser Tage durch öffentliche Bekanntmachung in der Form von deutlich beschriebenen Tafeln den Automobilfahrern verboten, ihre Straße (Hauptstraße) zu benützen (...)
Erläuternd stand in der Rubrik Kleine Chronik, auf diese Weise sei die beliebte, wenn auch in (...) kurzer Zeit zu durchrasende, von Weißenbach nach Kammer führende Chaussee (...) außer Kurs gesetzt. Maßgebend war die wilde Rücksichtslosigkeit, mit der die Automobilisten sich auf dieser (...) idyllischen Straße geberdeten.
Und mit erhobenem Zeigefinger warnte die "Wiener Abendpost" ihre Leserschaft eindringlich vor der wachsenden Unsicherheit auf den Fahrwegen in Stadt und Land. In der Siedlung am Attersee habe man die nichts weniger (= alles andere) "als eingebildeten Gefahren, von denen Fußgänger, Fuhrwerke, kurz Mensch und Vieh bedroht waren," erkannt.
Das Blatt gab überdies einer damals durchaus begründeten Hoffnung Ausdruck: Das Beispiel der kleinen oberösterreichischen Gemeinde wird wohl schon in der nächsten Saison vielfach Nachahmung finden, denn in den Sportkreisen selber nimmt die Kampagne gegen die "Auto-Wildlinge" immer größere Dimensionen an (...)
Dazu lieferte die Redaktion noch Nachrichten aus Frankreich, wo die Öffentlichkeit das Treiben diverser Motorvehikel-Lenker misstrauisch beäuge. Vermerkt wurde nicht zuletzt: (...) besonders in Paris hat fast die gesamte Presse gegen die fieberhaft erregten Enthusiasten der zumeist ganz überflüssigen Eilfertigkeit Stellung genommen.
Konkret:
Eine Pariser Zeitung schlägt die Gründung einer Gesellschaft zur Unterdrückung des Schnellfahrens vor (...), deren Mitglieder in spe in dem Bestreben einig wären, das Publikum vor gesetzverletzenden Automobilisten zu schützen. Gleich den Tierschutzvereins-Mitgliedern würde man die Nummern der Schuldigen notieren und (...) zur Anzeige bringen.
Skurril anmutende Forderungen wurden in Paris ebenfalls deponiert, ließ unsere Zeitung in anschließenden Zeilen durchblicken.
In diesem Sinne las man:
Ein (...) Fachmann, der einen in Sportkreisen der Seine-Stadt wohlbekannten Namen führt, wendet sich an die Fußgänger mit der Mahnung: Man überschreite eine Straße nie anders, als an dem Kreuzungspunkte mit einer Querstraße, an einem solchen Punkte würde der Fußgänger nichts zu fürchten haben, da er weiß, daß Kutscher und Automobillenker hier das Tempo verlangsamen müssen.
Damit war die "Abendpost" ganz und gar nicht einverstanden:Gegen diesen Vorschlag spreche, daß es (...) viel verlangt ist, einer solchen Gehordnung Geltung zu verschaffen (...)
Ins Treffen geführt wurden heimische Eigenheiten: (...) besonders in Wien, wo man (...) die Fahrstraßeselbst zum Gehen benützt, würde diese Mahnung nichts fruchten. Sarkastisch schlug die Redaktion vor, das Publikum (...) zum Zuhausebleiben einzuladen, denn die Automobilisten empfinden (...) Fußgänger (...) als (...) Störung ihres Rennvergnügens.
Hart fiel die Kritik an der märchenhaften Schnelligkeit, die Eilzüge überbietet, aus. Man wisse, dass das Tempo bei der Sache der Hauptspaß ist; d a r a u f beruht die Lust am Automobilfahren. Es sei tausend gegen eins zu wetten, daß alle diesem Sport Ergebenen sofort auf das Vergnügen verzichten werden, wenn man ihnen die Möglichkeit abschneidet, sich (...) auszutoben (...)
Klare Worte anno 1904!
Aber die Benzinpest war nicht einzudämmen. Von Jahr zu Jahr sollte die Automobilseuche stärker wüten.
Längst frisst der Moloch Verkehr unsere Städte und Landschaften. Gibt es kein probates Gegenmittel? Vielleicht sollten wir versuchsweise klein anfangen – etwas weniger fahren, etwas weniger Gas geben, etwas mehr Abstand halten ...