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Vom Nahrungsmittel zum Glückssymbol#

Das begehrte Hausschwein#

Von Günther Jontes, 28. Dezember 2016

Das Hausschwein ist eines der am frühesten domestizierten Haustiere und bildet mit seinem Ahnen, dem Wildschwein eine eigene Art unter den Paarhufern. Diese Bindung an den Menschen erfolgte bereits vor etwa 9000 Jahren in der Jungsteinzeit, als die Sesshaftigkeit wegen des aufkommenden Ackerbaues zur neuen Gesellschaftform des Zusammenlebens wurde. Es scheint relativ einfach gewesen sein, mutterlose Ferkel aufzuziehen und zu Fleischlieferanten zu machen. Dazu kommt noch, dass Schweine Allesfresser sind und deshalb ihre Haltung weniger schwierig war als bei den größeren Huftieren mit ihren Weiden und der speziellen Grasnahrung. Die Domestizierung scheint erstmals im Vorderen Orient geschehen zu sein. Das führte letztendlich dazu, dass heute Schweinefleisch bei aller Problematik der Massentierhaltung in Europa und Ostasien das am häufigsten gegessene Fleisch ist.

Dass später der Fleischgenuss von der Luxuskost der Oberschichten zur für minderwertig gehaltenen Speise der unteren Klassen wurde, hat seinen Grund darin, dass in den immer größer werdenden Siedlungen Schweine frei herumliefen und sich vom Unrat der Straße nährten, ja sogar Grabstätten durchwühlten. Außerdem verbreiteten sie Krankheiten wie die heimtückische Trichinose. Daraus wird auch verständlich, dass im 8. Jahrhundert v. Chr. Moses aus sehr rationalen Gründen den Genuss von Schweinefleisch untersagte und zur Grundlage seiner Speisengebote machte. Schweinefleisch ist daher für die Juden nicht kosher. Ihm folgte auch der Islam mit seinem Halal-Denken, sodass man heute sagen kann, dass rund ein Viertel der Menschheit aus religiösen Gründen sich dieses Fleisches enthält, in jüngster Zeit auch immer wieder Christen von Mohammedanern als „Schweinefresser“ verhöhnt werden.

In der klassischen Antike war hingegen das Schwein bei Griechen und Römern das häufigste Opfertier für die Götter und spielte auch in der Gastronomie eine bedeutende Rolle. Im bekannten römischen Kochbuch des Apicius „De re coquinaria“ ist ein Großteil der Fleischgerichte aus Schweinefleisch vermerkt.

Schweine wurden damals in Herden gehalten, die eigener Hirten bedurften. Der berühmteste antike Schweinehirt ist der dem Odysseus treu ergebene Sauhirt Eumaios. Er ist der Erste, dem der als Bettler verkleidete erhabene Dulder unerkannt begegnet, als er auf Ithaka landet. Er wird von Eumaios gastfreundlich aufgenommen und bewirtet. Im 14. Gesang von Homers Odyssee findet sich in der Übertragung von Johann Heinrich Voß die Stelle, wie dem Odysseus ein Mahl aus Schweinefleisch serviert wird:

…Ging zu den Koben, worin der Ferkel Menge gesperrt war und zwei nahm er heraus und schlachtete beide zur Mahlzeit, sengte sie, haute sie klein und steckte die Glieder auf Spieße, briet sie über der Glut und setzte sie hin vor Odysseus brätelnd noch an den Spießen, mit weißem Mehle bestreut. Mischte dann süßen Wein in seinem hölzernen Becher, setzte sich gegen ihm über und nötigte ihn also zum Essen… Bei den Germanen hatte das Schwein einen ebenso hohen Stellenwert. Der Eber galt als Symbol der Fruchtbarkeit und Stärke, Ideale die auch für den Menschen gelten sollten. Zur Zeit der winterlichen Sonnenwende wurde der Juleber geschlachtet und verzehrt und man wünschte , dass dessen Kraft auch auf sich selber übertragen werde. In Walhall saßen die von den Walküren herbeigeholten toten Helden, tranken unendlich währenden Met und aßen von einem gebratenen Eber, der nie kleiner wurde, sondern sich auf zauberische Weise immer wieder ergänzte.

Glücksschwein
Schwein aus früherer Zeit
Bild: Archiv Jontes
Im europäischen Mittelalter und in der frühen Neuzeit änderte sich die Schweinehaltung grundlegend. Die Grundherren verlangten ihren Untertanen immer mehr von dem ab, was die Ackerflächen lieferten. Sie erlaubten schließlich, dass die Bauern ihre Schweine in den Wald treiben durften, wo für diese der Tisch natürlich reich gedeckt war. Der europäische Eichenwald erfuhr dadurch eine Schmälerung, von der er sich nie mehr ganz erholen sollte. Denn die Schweine fraßen die herabgefallenen oder von den Hirten heruntergestamperten Eicheln und sollte eine von diesen trotzdem auch gekeimt haben, musste auch das zarte Pflänzchen daran glauben.

Die Schweine dieser Zeit glichen noch nicht dem, was heute von diesem Tier verlangt wird, nämlich Fleisch und Fett zu liefern. Sie waren schlank, behaart und Albrecht Dürer hat sie öfter in seinen Werken gezeigt, so etwa in seinem Blatt vom verlorenen Sohn. Einen Solostich widmete er einer seltsamen Missgeburt:

Und wieder trat ein entscheidender Wandel ein: Das Schwein wurde zur – sit venia verbo – Fett- und Drecksau, was heute zu den gemeinsten Schimpfwörtern zählt. Aus dem Orient und aus der Neuen Welt überflutete eine neue Faserpflanze die Märkte, die verspinnbare billige Baumwolle. Das Wollschaf war damit teilweise entthront. Man hatte die Herden aus Furcht vor Raubtieren, die es noch zur Genüge gab, nachtüber in aus Steinen aufgerichtete Pferche gesperrt. Die leerten sich nun und in die nutzbaren Gehege kamen nun die Schweine, die nicht mehr zur Mast ausgetrieben, sondern mit Nahrungsresten des Hofes, dem „Kaspel“ oder eigenen Zurichtungen, dem „Sautrank“ gefüttert wurden. Sie suhlten sich im sich bildenden Schlamm aus Erde und eigenem Kot.

Im Herbst und Winter reduzierte man sie, da die Fütterung schwieriger wurde. Zur Konservierung wurde ihr Fleisch und ihr Speck im abziehenden Rauch der Rauchküchen im Bauernhaus geräuchert und musste in dieser Form dann bis Ostern reichen. Und auch von da an war Fleisch selten und kam nur zu allen Heiligen Zeiten, also den hohen kirchlichen Feiertagen auf den Tisch.

Glücksschwein
Schwein zerteilen
Bild: Archiv Jontes
Dem Städter diente der Fleischhauer, Metzger. Dieser schlachtete und verkaufte im Freien am Markt an den Fleischbänken seine Waren, die in großer Vielfalt auch vom Schwein stammten. Im Nürnberger reich bebilderten Verzeichnis der Zwölfbrüderstiftung kann man diese Handwerker bei ihrer Arbeit beobachten. Das war die Domäne des Bürgertums.

Die positiven Seiten des Schweines haben auch dazu geführt, dass es zu einem Glückssymbol wurde. Die Redensarten „Schwein gehabt“ und „Schwein haben“ bedeuten, dass man von einer Gefahr verschont wurde oder sich überhaupt Glück in vielerlei Form der Schicksalshaftigkeit wünscht. Es ist eher die Fortuna, weniger das Gaudium, die innere Freude, die sich selbst genügt. Besonders zum Jahreswechsel gehört es mit Rauchfangkehrer und vierblättrigem Glücksklee zu den Standardsymbolen. Zwar isst man in dieser Jahreszeit Karpfen und Truthähne, aber zu Silvester gehört auch ein gekochter Sauschädel dazu, den man stückchenweise mit etwas frisch gerissenem Kren verzehrt. Das muss unbedingt Glück bringen.

Auch in China verbindet sich das Schwein mit Glück. Das geht so weit, dass einem Toten die beiden Hauptkörperöffnungen mit je einem kleinen, aus Jade geschnitzten Schweinchen verschlossen werden, denn das Glück möge nicht entweichen und selbst im Jenseits wirksam sein.

Zum Jahreswechsel spielt das rosige Schweinchen in der populären Graphik auf Postkarten eine große Rolle. Das kann vom liebenswerten Kitsch zu großartigen Illustrationen der Wiener Werkstätte um 1900 reichen. Leider verfällt diese nette Bilderwelt durch Elektronische Post und Faltbillet immer mehr. Aber Sammler erfreuen sich noch immer an diesen Schätzen. Wollen wir zum Abschluss noch einen Blick darauf tun:

(Alle folgenden Bilder stammen aus den Sammlungen des Verfassers und seinem Archiv Bilderflut Jontes)

Prosit Neujahr
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