Und über allem das Gras...#
Wer will, kann noch heute auf Gagerns Spuren wandeln. Schloss Mokritze ist heute ein Hotel, in den weitläufigen, romantischen Laubwäldern rundum kann man viele der Gedanken Gagerns gut nachvollziehen. Bruno Hespeler hat die ehemalige Heimat Gagerns mehrfach erkundet und kennt dort Land und Leute wie kein anderer. #
Mit freundlichen Genehmigung übernommen aus: Der Anblick (7/2017)
Von
Bruno Hespeler
Wenn man im heutigen Slowenien einen Jäger nach Friedrich von Gagern fragt, erntet man fast ausschließlich Schulterzucken – kaum einer weiß mit dem Namen etwas anzufangen. Und bei uns in Österreich? Ja, „die Alten“ – so sie sich nicht erst pensionsnahe zu einer Jungjägerkarriere entschlossen – kennen und verehren ihn noch. Die Jungen sind eher mit iPhone und den Eintagsfliegen der Pop-Welt vertraut.
Was, wenn er auferstehen könnte, er, der vergessene „Jägergott“? In seiner Jugendheimat fast ausschließlich Jagdgesellschaften und überhaupt keine privaten Eigenjagden. Unterm Mokritzer Schloss Beton, Asphalt–Autobahn, gigantischer Grenzübergang und Industriegebiet statt mäandernder Sava und Auenlandschaft. Und doch: Auf der Großen Pfarrwiese steht immer noch das Jagdhaus und überm Wolfsgrund die Bukovina. In Brezje finden wir unverfälscht das Haus von „Vater Barkovič“ – selbst das Walachenkreuz gibt es noch. Auf dem Weg dorthin folgt man der Jakobsmuschel. Gut – aus Jägersteigen wurden Forststraßen. Trotzdem sind die Wälder zwischen Mokric, der Bregana und Klobočice immer noch erhebend. Der „Preuße“, über dessen forstliches Unwesen Gagern klagte, konnte sich nicht durchsetzen! Anders als in seiner Zeit leben heute auch Rotund Schwarzwild in den Mokritzer Wäldern. Sogar Medved, der Bär, ist zurückgekehrt, ebenso der Wolf. Irgendwie bilden die ganzen Uskoken und mit ihnen Mokric eine eigene kleine Welt, die dem Wahn der puren Rationalität zu trotzen verstand. Weingärten, um die sich bei uns längst keiner mehr bemühen würde. Winzige Dörfer, und über allem liegt eine uns Hektikern verloren gegangene Gelassenheit.
Vom Tourismus ist Mokric verschont geblieben. Die meisten des schon in Titos Tagen zum Hotel umgebauten Schlosses kommen des Golfens wegen. So lohnt es sich, hinüberzuwandern nach Velika Dolina und weiter nach Brezje und von dort zum Kamenjak, in die Zatrepe oder, wenn es sein muss, bis zum Vlaški Križ. Kein Wegweiser stört die Nostalgie. Eh egal, wohin uns der Weg führt; nicht nur Gagerns Geist, sondern der einer versunkenen Zeit begleitet uns. Nur unten an der Bregana, wo man seit Anbeginn der Welt frei seinen Fuß setzen konnte, hat Hysterie eine EU-Außengrenze gezogen. Auch über sie wird irgendwann Gras wachsen.
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