Informatikforschung an den Universitäten#
H. Maurer, 8. August 2020Ich war als Professor der Informatik seit 1962 an Universitäten in Europa (Ö, D), Amerika (Kanada, USA, Brasilien) und im Südpazifik (Australien, Neuseeland) tätig, noch heute als „Emeritus“ Professor an der TU Graz. Es ist klar, dass man sich dabei mit einer Frage immer wieder beschäftigt: Welche Funktion haben eigentlich Universitätsprofessoren und wissenschaftliche Mitarbeiter an Universitäten z.B. in Hinblick auf Forschung, vor allem in dem Bereich indem man selbst arbeitet: Bei mir also Informatik.
Der Zufall will es, dass die Regierung Kurz II eine gute groben Definition gibt.
Universitäten (und damit deren wissenschaftlichen Mitarbeiter) haben drei “Missionen“ zu erfüllen:
- (1) Forschung und Lehre
- (2) Unterstützung und Informationsaustausch zwischen Universitäten, Forschungszentren und Industrie zur gegenseitigen Hilfe (diese zwei „Missionen gab es schon immer) und eine neue dritte Mission:
- (3) (a) Kommunikation neuer Erkenntnisse in verständlicher Form an die Öffentlichkeit …und (ein ganz neuer Aspekt) (b) Unterstützung der Digitalisierung.
Für mich sind (1) und (3) leicht zu beantworten:
(1)Forschung um das Wissen und etwaige Anwendungen voranzutreiben; Lehre, um das Wichtigste aber auch die neuesten Erkenntnisse an Studentinnen und Studenten weitergeben, wozu eine Begabung oder eine Ausbildung notwendig ist, um gut vorzutragen oder gut zu unterrichten.
(3) (a) Kommunikation neuer Erkenntnisse in verständlicher Form an die Öffentlichkeit ist ein sehr anstrebenswertes Ziel. Das Austria-Fourm.org versucht dies zu ermöglichen. Unter Z.B.
Wissenssammlungen/Neues_aus_der_Wissenschaft
und
Wissenssammlungen/Essays
findet man Neues von diversen Universitäten in den verschiedensten Fachbereichen. Leider verstoßen viele Universitäten gegen die ihnen durch die Mission (3) (a) auferlegte Verpflichtungen, indem Sie das Austria-Forum nicht regelmäßig informieren, obwohl alle Unis einen PR Verteiler für neue Forschungsergebnisse oder eine regelmäßige Zeitschrift für solche Themen haben (sollten), und eine Aufnahme in diesen Verteiler genügen würde. Ich fordere das zuständige Ministerium auf, bei zukünftigen Budgetverhandlungen einfließen zulassen, wie weit (3) (a) erfüllt wird und die Unis auch das Austria-Forum für diese wichtige Tätigkeit finanziell unterstützen.
(3) (b) Digitalisierung kann ich hier nur kurz behandeln. „Digitalisierung“ gilt im Allgemeinen als Fortschritt. Leider wird diese Gleichsetzung gedankenlos immer wieder verwendet. Aber (wer hat das gesagt) „Neu“ ist nicht unbedingt „besser“, und das sollte man nie vergessen. Die Situation ist aber komplexer: natürlich gibt es Aspekte der Digitalisierung, die für das Gedeihen der Menschheit sehr wichtig sind (fortschreitende Automation, Verbesserungen in der Medizin, potentielle Verbesserungen im Verkehr, usw.) nur gibt es auch negative Aspekte: Viele digitale Amtswege sind heute komplizierter als sie je waren, widersprechend Aussagen im Internet erlauben es kaum mehr objektiv zu beurteilen was stimmt oder nicht stimmt, Mobbing und Cyberbetrug haben stark zugenommen, aber selbst so einfache Dinge wie ein Fieberthermomeer mit einer roten Weingeistsäule als Füllung ist besser als ein digitales, das im kritischen Fall (weil die Batterie zu Ende ist) unbrauchbar sein kann.
Eine Analyse über Vor- und Nachteile der Digitalisierung füllt leicht ein dickes Buch. Aber wenn man zumindest versteht, dass Digitalisierung nicht immer gut ist, ist man schon gescheiter, als viele Entscheidungsträger es sind.
(2) „Unterstützung und Informationsaustausch zwischen Universitäten, Forschungszentren und Industrie zur gegenseitigen Hilfe“ klingt gut, wird aber in der Praxis, leider auch sehr stark in Österreich völlig falsch verwendet. Neue universitäre Forschungsergebnisse sollen zur Gründung neuer Firmen führen, sie sollen Firmen auf neue Methoden oder Anwendungen aufmerksam machen, sie sollen aber nicht ein verlängerte Arm von Organisationen und Firmen werden, die die Bearbeitung von Projekten zu Forschungseinheiten auslagern, wo es gar nicht um Forschung geht, sondern nur darum, dass hier mit öffentlichem Geld, das für Lehre und Forschung gedacht ist, billiger gearbeitet werden kann. Das geht soweit, dass Teile von Forschungseinrichtungen eine unfaire Konkurrenz zu jenen Firmen werden, die sich nicht solcher Methoden bedienen.
Leider ist diese grobe Fehlverwendung von Forschungsmitteln auch in der Steiermark weit verbreitet. Vielleicht könnte das ein Untersuchungsausschuss genauer ansehen. Ich habe aber einen einfacheren Vorschlag: Jeder Professor, jeder wissenschaftliche Mitarbeiter, sei es an einer Uni, bei einem Kompetenzzentrum etc. hat jedes Jahr durchschnittlich mindestens zwei Publikationen in guten Organen zu veröffentlichen, um aktive Forschung und nicht Standardentwicklungen nachzuweisen. Wer das nicht erfüllt, gehört nicht an eine Informtik- Forschungseinrichtung. Das Ergebnis würde wie ein Wunder wirken; die Institutionen würden stark schrumpfen, aber die durchschnittliche Forschungsqualität gewaltig steigen.