Kopfing - Ein Beispiel für die Entleerung der Dorfzentren#
Von
Wolfgang Danninger (Februar 2017)
Die Entleerung der Dorfzentren möchte ich in kleinen Dorf Kopfing im Sauwald des Bezirkes Schärding (Oberösterreich) näher betrachten und die Entwicklung in den letzten 3-4 Generationen betrachten. Das Dorf ist ca 20 km von der Bezirkshauptstadt Schärding entfernt, 25 km von Passau in Bayern und ca 35 km von der Einkaufsstadt Ried entfernt. Linz ist an die 65 km entfernt.
Trotz der etwas abgelegenen Lage war die wirtschaftliche Entwicklung des Dorfes in den letzten Jahren sehr positiv verlaufen. Es gibt überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze vor allem durch die Fensterfirma Josko. Das Dorfzentrum hat sich aber überdurchschnittlich entleert. Es ist nur mehr eine Filiale einer Fleischhauerei vorhanden, der Rest der Geschäftsräume stehen leer.
Die ersten Postkarten von Kopfing zeigen ein recht kleines Dorf mit der Kirche im Zentrum, daneben der Pfarrhof mit den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden. Die Handwerks-und Gewerbebetriebe hatten durchwegs auch eine Landwirtschaft dabei.
Das Dorf Kopfing besteht heute aus 3 zusammengewachsenen Ortsteilen Kopfing, Kopfingerdorf und Götzendorf.
In Kopfing war durch das steile Gelände die Landwirtschaft schwierig. Die besten Gründen waren im Besitz des Pfarrers. Das bäuerliche Zentrum lag im gegenüberliegenden Kopfingerdorf. Im Josephinischen und Franziszäischen Kataster scheinen hier 7 Bauernhöfe auf. In Kopfing dagegen zeigt die josephinische Landaufnahme nur den Pfarrhof als Gehöft. Der Rest waren Kleinhäusler, die meist zusätzlich einen nichtbäuerlichen Beruf hatten, das sogenannte Ackerbürgertum. Von diesen vergrößerten zur Zeit des franziszäischen Kataster 2 (der Kirchenwirt und das Mesnergut) ihre Kleinlandwirtschaft zu einem kleineren Gehöft.
In Götzendorf gab es 3 Bauernhöfe, einer war ein Edelsitz: der Moa z Getzendorf. Dieser ist bereits vor 100 Jahren zerstückelt worden. Teile des Gehöftes wurden später als Armenhaus genutzt. Die anderen zwei Gehöfte waren der Wirt und das Fischergut.
Die Gehöfte sowie die meisten Kleinlandwirtschaften wurden in Götzendorf genauso wie in Kopfing bis Ende des vergangenen Jahrhunderts aufgegeben. Nur in Kopfingerdorf haben sich einige Gehöfte bis heute gehalten, aber sind auch hier zahlenmäßig in einer untergeordneten Rolle.
Der Wirt#
In Kopfing waren die Wirte nur für den örtlichen Bedarf ausgelegt, da es an keiner wichtigen Durchzugsstraße liegt. Der Sauwald war schon immer eine Barriere für den Verkehr, Die Hauptwege führen bis heute nordöstlich entlang der Donau vorbei oder im Pramtal. Es gab nur eine wichtige Verbindung über den Sauwald von Passau über Münzkirchen Richtung Peuerbach dann nach Wels oder Linz.In Kopfing war der Kirchenwirt, wie der Name sagt, direkt neben bzw über der Kirche. Später entstand der Gasthof zur Post, nach dem damaligen Besitzer auch Ungerwirt genannt. In den anderen 2 Ortsteilen gab es jeweils nur einen Wirt. Sie wurden nach ihren Ortsnamen genannt, der Wirt in Getzendorf und der Wirt in Kopfingerdorf. Von diesen 4 Wirtshäusern existieren heute noch 3. Der Wirt in Kopfingerdorf wurde nach dem frühen Tod des Besitzers zugesperrt. Das Wirtshaus in Götzendorf wurde zeitweise verpachtet. In ihm ist heute neben einer Wirtsstube eine Diskothek und eine Pizzeria untergebracht.
Die beiden Wirte in Kopfing : der Kirchenwirt und der Ungerwirt sind traditionelle Dorfwirtshäuser geblieben. Beim Kirchenwirt war früher eine Metzgerei angeschlossen. In einem Zubau, die Kaserne genannt, war das Schlachthaus. Hier war auch die Gendarmerie untergebracht, besonders praktisch, da die Kopfinger für die Raufereien bekannt waren. Es reichte schon der Satz, „ Bremön auslassen“ um eine Schlägerei zu beginnen.
Übernachtungen gab es kaum. Nur wenn die Rauchfangkehrer von Münzkirchen gekommen sind, haben sie beim Kirchenwirt auf dem Dachboden übernachtet, wo ein paar Matratzen lagen, wie mir mein Vater erzählt hat. Beim Kirchenwirt gab es nach dem 2. Weltkrieg eine besondere Attraktion, wenn ein Wanderkino nach Kopfing kam und im Saal des Kirchenwirtes einen Film vorführte.
Der Ungerwirt (Grüneis Wasner, Wirtshaus zur Post) hatte eine Landwirtschaft. Mein Vater kann sich noch erinnern, dass er nahe beim Uhrmacher in Götzendorf eine Dampfsäge, von der heute nichts mehr zu sehen ist, errichtet hat.
Schlechter war es um die Wirte in den umliegenden Weilern bestellt. Es gab im letzten Jahrhundert einige. Heute sind sie fast alle verschwunden.
Der Krämer und Händler#
Auch sie waren meistens im Dorfzentrum angesiedelt. Hierher kam man am Sonntag beim Kirchengang. Anschließend konnte man einkaufen. Es war ein bescheidener Einkauf, da das meiste auf den Höfen produziert wurde und Geld immer recht knapp war. Darüber hinaus gab es 2 x jährlich einen Kirtag. Es war ein Festtag. Noch in meiner Jugend war der Tanz beim Kirchenwirt ein Pflichttermin. Direkt zu den Höfen kamen vor dem 2. Weltkrieg die Hausierer mit ihren Buglkraxn.
Es gab aber auch in den peripheren Weilern des Gemeindegebietes noch weitere Krämer, wie die Uhrmacher Kathi im Bründl oder die Kramer Nani im Gänsbach.
Die frühen Krämereien haben ihre Waren in einer kleinen Stube angeboten. Von außen waren sie nur durch ein Schild als Krämerei zu erkennen. Auslagen gab es noch nicht.
Dieses Kaufhaus wurde nach dem 1. Weltkrieg noch einige Jahre als Trafik weitergeführt bevor auch diese eingestellt wurde.
Das Ende der Krämerei Kroiss, die direkt neben der Kirche situiert war, erfolgte mit dem Generationswechsel nach dem 1. Weltkrieg. Der geplante Erbe fiel im 1. Weltkrieg. Ein Schicksal, das auch andere Geschäftsleute im Ort getroffen hat. Seine Schwester Aloisia folgte als Erbin. Sie hat einen Schneider geheiratet, der die Krämerei aber nicht mehr weitergeführt hat.
Eine weitere Krämerei gab es beim Grüneis (Wagner), die zum Schluss nur mehr als Trafik gedient hat, bis auch diese eingestellt wurde.
In Götzendorf war eine Krämerei : der Straßl und in Kopfingerdorf eine im Haus Nr 4.
Das Ende der vielen Krämereien beschleunigte ein aus Böhmen um 1900 zugezogener Krämer: Heinrich Weishäupl. Er hat mit modernen Werbestrategien den anderen die Kundschaft weggenommen. In der Krämerei gab es das erste Schaufenster bereits 1899 weit um, ein Tischlerportal, in dem er seine Waren präsentiert hat.
Aber auch der Weishäupl ist heute Geschichte. Die Nachfolger haben die Krämerei auslaufen lassen. Der Schwiegersohn Holl hat zusätzlich einen Elektrohandel begonnen, da er Elektroinstallateur war. Auch dieser Beitrieb ist heute eingestellt.
Dem Krämer Weishäupl ging es finanziell sehr gut. Er kaufte viele Gründe auf, errichtete am Tiefenbach das „Lichtlhaus“, ein kleines E Werk und das schon während des 1. Weltkrieges.
Es folgte die Zeit des Selbstbedienungsladen. Der erste war in Götzendorf in der Krämerei Straßl. Die einst so wichtigen Schaufenster wurden nun mit großen Plakaten überklebt, auf denen die Aktionsangebote angekündigt wurden. Der Billigpreis hat die Präsentation der Ware abgelöst. Zudem benötigt der Selbstbedienungsladen möglichst viele Wände ohne Öffnungen, um die Regale optimal anordnen zu können. Das Kunstlicht verdrängte das Tageslicht in den Verkaufsräumen.
Nach der Pensionierung des Besitzers Manfred Straßl wurde das Kaufhaus von einem Pächter weitergeführt, aber nur solange bis er in einen Neubau am Ortsrand übersiedelt ist, wo ein kleines Geschäftszentrum von der Installationsfirma Gahleitner errichtet wurde, in dem auch eine Sparkassenfiliale und ein Schauraum des Installationsbetriebes untergebracht ist.
Primäre Ursache der Verlagerung der Geschäfte an die Ortsränder ist das Autos Die alte Krämerei war zu Fuß erreichbar, Auch hat sich die Art des Einkaufs geändert. Einkaufen war einst ein wichtiger Kommunikationsfaktor für die Frauen, die überwiegend Hausfrauen waren und so wenig Kontakt nach außen hatten. Beim Krämer hat man alle Neuigkeiten erfahren aber auch in die Welt gesetzt. Heute sind die meisten Frauen berufstätig, das Einkaufen wird nebenbei auf dem Weg zur oder von der Arbeit erledigt und dies geschieht in der Regel mit dem Auto und soll möglichst rasch ablaufen. Das Gespräch über die Budel ist dem Bezahlen an den Supermarktkassen gewichen, das möglichst schnell gehen soll. Und niemand wagt sich ein Gespräch mit der Kassiererin zu beginnen, um nicht von den Wartenden in der Warteschlange mit bösen Blicken oder gar Schimpfwörtern bestraft zu werden.
In Kopfingerdorf betrieb der Grüneis einen Handel mit landwirtschaftlichen Produkten. Er wurde „ Buttermann“ genannt, da er den Bauern Butter und Eier abgekauft hat. Er kaufte sich später eine Kleinlandwirtschaft am Ortsende von Götzendorf. Die Milch brachte er in die Molkerei in Münzkirchen. Die heute die Milchanlieferung mit eigenen LKWs betreibt.
Kurz nach Kriegsende wurde das Lagerhaus in Kopfingerdorf errichtet und 1975 mit einem Neubau nach Götzendorf verlegt.
1899 wurde in Kopfing der Vorschusskassenverein gegründet. 1960 wurde neben der „Kaserne“, dem vorigen Sitz der Kassa die neue Raiffeisenkasse gebaut, die dann durch einen Neubau an der gegenüberliegenden Straßenseite ersetzt wurde.
Bäcker und Metzger#
Das tägliche Brot ist bei der bäuerlichen Bevölkerung gar nicht so selbstverständlich, wie man meinen würde. Im Mittelalter verzehrte die ländliche Bevölkerung überwiegend Brei aus Hafer, Hirse(Brein) oder Hülsenfrüchten. Brot war nur für die reichen erschwinglich. Erst ab dem 16.-17. Jahrhundert wurde es zum „täglichen“ Brot. Damit verbunden ist das Aufkommen der Mühlen, in denen oft auch das Brot gebacken wurde.
Bäcker gab es zu meiner Kindheit zwei in Kopfing: den Grüneisbäcker und den Schmidbauer Bäcker. Auf dem Haus des Grüneisbäcker war früher eine Weberei. Diese Bäckerei war die kleinere Bäckerei, die Bäckerin hat jeden Tag das Gebäck mit einem Handwagen im Ort zugestellt.
Der Schmidbauer (Gänsbäck) Bäcker hatte ursprünglich in Gänsbach eine Bäckerei, in der auch zeitweise Bier gebraut wurde. 1930 kaufte er sich das „Mesnerhaus“ im Zentrum von Kopfing. Neben Backwaren wurden auch andere Lebensmittel verkauft. Auch diese Bäckerei hat begonnen, zuzustellen, aber erst als es Autos gab. Im Verkaufsladen war eine Budel, auf die ich mich gerne als Kind gesetzt habe, bzw hinauf gehoben wurde. Ich erinnere mich noch an die Frage der Bäckerin „Darf s a bissl mehr sein?“, wenn die Muttter eingekauft hat. Leider hat die Bäckerin dies nie zu mir gesagt, wenn ich ab und zu mal ein Eis bekommen habe.Es wurde später nur mehr als Cafe geführt. Im ehemalige Verkaufsraum war ein paar Jahre später noch einige Jahre ein Blumengeschäft eingemietet. Auch die zweite Bäckerei hat inzwischen zugesperrt.
Die Fleischhauerei war einst beim Kirchenwirt, auch diese ist längst aufgelassen. Dafür entstand in Teilen der ehemaligen Krämerei Wagner ein Filialbetrieb der Metzgerei Moser aus Sigharting. Es ist heute das letzte Kaufgeschäft im Dorfzentrum.
Die Geschichte der Bäckereien und Metzgereien verlief in weiten Teilen Österreichs ähnlich. Die Bäcker haben sich in vielen Dörfern länger gehalten. Sie hatten nicht wie in den Städten die Konkurrenz durch Filialen von Großbäckereien. Aber auch in den Dörfern haben in den letzten Jahren die Bäcker einen starken Preisdruck durch Supermärkten erhalten, die ein eigenes Backwarensortiment anbieten bzw. in denen industriell vorgefertigte Backwaren mehrmals am Tag aufgebacken werden.
Der örtliche Metzger musste meist schon viel früher aufgeben. Hier waren es vor allem die teuren Auflagen für den Betrieb ihres Schlachthauses und die Entsorgung der Abfälle.
Die Handwerker#
Schuster, Schneider, Schreiner, Tischler, Weber usw hatten ihre Häuser im Dorf, oft mit einer kleinen Landwirtschaft, da der Verdienst aus dem Handwerk meistens nicht gereicht hat.
Die Weberei war schon früh verbreitet, es war eine Hausarbeit, mit der sich die armen Leute über Wasser gehalten haben. Der Weber war kein selbständiger Handwerker sondern er produzierte in einer Art Lohnarbeit. Der Verleger lieferte die Rohware und verkaufte die Stoffe. Dieses Modell ist heute noch bei den Trafiken üblich. Die wirtschaftliche Situation der Weber war sehr schlecht. Es wurde zwischen Weber, der Wolle verarbeitet hat und Leinweber unterschieden, wobei das Ansehen der Leinweber noch geringer war. Ihr Lohn war niedrig. Das Geld aus dem Verkauf der Tuche und Stoffe machten die Tuchhändler, die in den Städten lebten. Mit der Einführung maschinenbetriebener Webstühle wurde der Lohndruck noch stärker. Dies führte zu mehreren Weberaufständen, der bekannteste war in Schlesien, die aber auch das Ende der kleinen Webereien nicht verhindern konnten.
Es lebten aber noch zu meiner Kindheit dort und da Weber, wie der Maurer Ferdl in Götzendorf. Er hatte einen alten Webstuhl in einem kleinen Haus, auf dem er Fleckerkteppiche gewoben hat. Er hatte keine Nachkommen, aber auch wenn er welche gehabt hätte, hätten sie den Betrieb nicht mehr weitergeführt. Die Zeit der Weber war längst vorbei.
Es gab in Kopfing zwei Schuster: Koller und Lengauer. Der Sohn Martin des „Koller Schusters“, hat nach dem Ende des 2. Weltkrieges die Schuhfabrik Marko errichtet. Es ist heute die Schuhfabrik Think, der auch ein Schuhverkauf angeschlossen ist. Die Lengauer Schusterei wurde vom Schwiegersohn Hamedinger Mathias übernommen. Er hat Schuhe repariert und später Militärschuhe für die Kaserne in Ried in Handarbeit hergestellt. Auch ein kleines Schuhgeschäft gehörte dazu. Die Schusterei wurde von den Kindern nicht übernommen.
Es gab drei Schneider: Danninger, Koller und Probst. Die Schneiderei Koller wurde bald nach dem Krieg eingestellt, da alle Söhne im Weltkrieg gefallen waren, ein Schicksal, dem wir auch bei anderen Betrieben begegnen werden. Die anderen 2 Schneidereien fanden in den Kindern keine Nachfolger. Das Haus der Schneiderei Danninger wird als Kulturhaus im Ortszentrum genutzt.
Zusätzlich gab es 3 Schneiderinnen, die Damenkleider genäht haben: de Weishäupl Cilli, die Zachbauer Maria und die Süß Maria. Das Ende der Schneiderinnen war genauso unvermeidlich. Es gibt heute keine Nähstube mehr.
Schneider und Schuster sind von einem einst häufigen Beruf aus den Dörfern verschwunden. Textilwaren werden in Billiglohnländern Osteuropas oder Asiens produziert. Die Kleidung, die einst wertvoll war, ist zur Wegwerfware geworden. Die kommenden Generationen werden Schuster und Schneider wohl nur mehr aus Erzählungen kennen.
Auch anderen Handwerksberufen erging es ähnlich, wie dem Schreiner. Es hat einen in Götzendorf gegeben. Heute ist nur mehr der Hausname Schreiner erhalten geblieben. Dieses Handwerk war nach dem Krieg nicht mehr gefragt. Der Schreiner in Götzendorf hat zum Schluss hauptsächlich zerbrochene Fensterscheiben eingeglast. Auch der Binder ist nur mehr in einem Hausnamen östlich des Pfarrhofs erhalten geblieben. Genauso erging es dem Rechenmacher in Götzendorf , ein heute ebenfalls ausgestorbener Beruf.
Aber Berufe sind nicht nur verschwunden, es gab auch immer wieder Neugründungen. In der Kindheit meines Vaters gab es eine starke Dynamik , die meisten Neugründungen haben sich wegen der schlechten Zeiten in der Zwischenkriegszeit, durch den 2. Weltkrieg und der Nachkriegszeit nicht gehalten. So gab es in Kopfing einen Uhrmacher Pointinger, eine Tischlerei Hamedinger in Kopfing (nicht in Götzendorf) oder einen Schneider im Bangerlhaus, die alle bald verschwunden sind. Manche haben sich aber etabliert, wie der Schlosser Humer in Götzendorf. Er kam mit Restbeständen von Werkzeugen aus dem 2. Weltkrieg und baute sich in Götzendorf ein Haus. Dies war nicht einfach. Er hatte sich später gerühmt, für den Hausbau nur einen Sack Zement gebraucht zu haben. Er war gelernter Schlosser, ein Beruf der damals im Dorf nicht gefragt war, daher nahm er so ziemlich alle Metallarbeiten an. Er betrieb zusätzlich einen Handel mit Mopeds, sein Haupteinkommen war aber eine Tankstelle. Ich erinnere mich noch an den schwarzen Schnee hinter seinem Haus. Mit dem wir Kinder gerne gespielt, dann aber wie Rauchfangkehrer ausgesehen haben. Er hatte die Werkstätte mit Altöl beheizt, das Ofenrohr wurde knapp über dem Erdboden gelegt. Von Umweltschutz hatte damals niemand gesprochen. Nach seiner Pensionierung wurde der Betrieb eingestellt. Das ganze Gebäude wurde abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Im Erdgeschoss hat sich ein Schleckermarkt eingemietet. Seit dem Ende dieser Kette steht auch dieser Verkaufsraum leer.
Aber auch in den folgenden Jahren gab es immer wieder Neugründungen von Betrieben, die aber nicht mehr im Dorfzentrum entstanden sind sondern in den neuen Siedlungsgebieten, wie Friseur, Maler oder Sanitär- und Elektro Installateure.
Tischler gab es zwei im Ort. Beide sind erst nach dem 2. Weltkrieg in Götzendorf errichtet worden und beide existieren noch: die Tischlerei Hamedinger und Scheuringer. Nach einem Großbrand der Tischlerei Scheuringer wurde diese nach Rasdorf ausgesiedelt . Es ist die heutige Fensterfirma Josko.
Müller, Säge, Stampfn, Schmied#
Mühlen und Sägen, die mit Wasserkraft betrieben wurden gab es im Ort Kopfing nicht, da keine ausreichende Wasserkraft vorhanden war. Sie entstanden entlang der Bäche am Südabfall des Sauwaldes, die durch ihr starkes Gefälle genug Energie geliefert haben. Die Wassermenge war zwar nicht sehr groß, dafür aber das Gefälle, also ideal für oberschlächtige Wasserräder. Es entstanden hier Mühlen, Sägewerke/Thema/Saegewerk und Hammerschmieden.
Ein Stampf kam mit viel weniger Energie aus, sie konnten auch an kleineren Bächen wie am Weg von Kopfing nach Gigering am Beckenbach betrieben werden. Es war ein Ölstampf. Ein Stampf war nicht selten im Gemeindegebiet, meistens wurden Hirse (Brein) und Hafer zu Brei zerstampft. Brei war in früheren Jahrhunderten das Hauptnahrungsmittel.
Das Schmiedehandwerk ist ein alter Beruf. In größeren Orten hat sich mancher zum Huf- Waffen-, Wagen- oder Nagelschmied spezialisiert. Im Ort Kopfing gab es keinen Schmid. Ersatz war der bereits erwähnte Schlosser in Götzendorf. Eine Schmiede gab es „ immer schon“ im nahen Dobl. In den Taufmatriken wird bereits 1648 der Schmid Froschauer im Dobl und 1699 der Hufschmid Ruhland erwähnt. Da das Schmiedehandwerk aber immer mehr an Bedeutung verlor, hat sich dieser Betrieb auf den KFZ und Landmaschinenhandel bzw deren Reparatur verlegt. Da der Standort im Dobl zu abgelegen war, wurde der Betrieb nach Kopfingerdorf verlegt.
Der Dorfplatz#
Im historischen Dorf gab es im Gegensatz zu den Märkten und Städten keine Plätze. Die Dörfer waren im Innviertel meist Haufendörfer ohne strenge Baurichtlinien. Grund war zudem wertvoll, da er die Nahrung geliefert hat. Man ging sehr sparsam mit ihm um. Die historischen Dorfzentren wurden für den Menschen geplant und gebaut. Man kannte damals keine Autos, die viel Raum beanspruchen. In Kopfing entstand wohl zufällig ein kleiner platzartiger Raum der durch den Friedhofeingang, die Krämerei Wagner, dem Mesnerhaus und dem Kirchenwirt abgegrenzt war. Er war nicht größer als der Platz für 5 Autos. Aber er war nicht für die Autos angelegt.
Öffentliche Einrichtungen#
Das eingangs erwähnte Postamt und der Gendarmerieposten sind natürlich auch aus Kopfing verschwunden.
Die Schule wurde erheblich ausgebaut. Das alte Schulgebäude wurde abgetragen und es wurde am Ortsrand ein neues Schulzentrum gebaut. Dieses dominiert heute mit einem riesigen Baukörper die südöstliche Ortsansicht. Neben der Volksschule steht hier auch die Neue Mittelschule.
Medizinische Versorgung#
In Götzendorf war unser Nachbarhaus das Baderhaus. Fink und Stichlberger waren im 19. Jahrhundert hier die Bader. Stichlberger war auch Wundarzt, seine Frau Hebamme und sie hatte auch eine Krämerei. Den Baderberuf gibt es schon lange nicht mehr. Auch die Hebammen sind selten geworden. Ich kannte noch die Hebamme Franziska Pointner, die in Kopfing gewohnt hat.
Die medizinische Versorgung haben nach den Badern und Wundärzten die Hausärzte übernommen. In meiner Kindheit war es Dr Weißensteiner dann Dr Stockinger und Dr Berger. Diese wohnten alle in Kopfing. Der heutige Arzt ist Dr Lautner. Er wohnt aber nicht mehr im Dorf, er wird nachts und an Wochenenden durch den Notdienst vertreten bzw durch die Rotkreuzstation.
Nach dem 2. Weltkrieg gab es eine Zahnarztpraxis in Kopfingerdorf, Dr Hort. Nach seinem Tod folgte einige Jahre Peter Enzfelder als Dentist, der aber dann seine Ordination nach Schärding verlegte. Sein Sohn hat wieder eine Zahnarztpraxis in Kopfing aufgemacht.
Neben den klassischen medizinischen Berufen gab es auch noch alte „Naturheilpraktiker“ auch Kurpfuscher genannt, wie der Fischer Jaga, der in der Manier der Bader Zähne gerissen und zur Ader gelassen hat. Auch der Hofbauer in Götzendorf ließ zur Ader, sein Haupterwerb war aber die Behandlung von Tieren und die Kastration. Konkurrent bekam er durch den Tierarzt Dr Sinowatz, der im Baderhaus eingezogen war, aber nach einigen Jahren Kopfing wieder verlassen hatte.
Wohnen im Dorf#
Mit dem Ende der Großfamilie hat sich das Wohnen unter einem Dach aufgehört. Die Jungen haben neu am Ortsrand oder gleich in der nächsten Stadt gebaut, übrig geblieben sind deren Eltern. Dadurch ist viel Wohnraum un- oder untergenutzt. Große Häuser werden oft nur mehr von einer Person bewohnt. Wenn diese stirbt, finden die Gebäude keinen Käufer, da der erhoffte Verkaufspreis meist weit über dem Marktwert liegt. Die Preisvorstellungen richten sich oft nach den Zeiten, als das Zentrum noch ein begehrter Standort war.
Der Verlust der Mitte#
Heute droht für viele Dörfer oder Ortsteile mit dem Verlust ihrer Aufgabe als Ort der Begegnung und dem Sitz von Handel und Gewerbe ein langsamer Verfall, der deshalb besonders gravierend ist, da es sich hier um die ortsbildprägende Substanz handelt, die die Identität eines Ortes ausmacht. Es dauert nicht lange bis ein Neubau billiger ist anstatt die lokal so bedeutenden und ortsbildprägende Objekte zu erhalten. Viele historische Gebäude haben ihre einstige Nutzung verloren. In vielen Dörfern stehen heute mehrere Geschäftslokale, Werkstätten, Wohnraum und Gehöfte leer. Leere Auslagen, verfallende Gebäude, für die keiner mehr das Geld aufbringen will, sie zu erhalten, beeinträchtigen das Ortsbild. In Kopfing ist leider diese Entwicklung besonders krass abgelaufen, da heute alle Geschäfte bis auf die Filiale einer Fleischhauerei alle leer stehen.
Dem sich entleerenden Zentren stehen die ausufernden Neubaugebiete am Dorfrand gegenüber. Sie sind in den Obstgärten und auf besten landwirtschaftlichen Flächen entstanden. Ein kernloser Siedlungsbrei, provokant als Krebsgeschwür formuliert.
Die Entleerung der Dörfer geschieht in einem schleichenden Prozess, der im einzelnen wenig spektakulär ist, in der Summe aber zu einem beacherschreckenden Verlust führt. Wir Menschen tendieren leider dazu, solche Ereignisse rasch zu vergessen. Leerstehende Gebäude fallen einem im eigenen Ort bald nicht mehr auf. Im Nachbarort,oder in Dörfer, wo man seltnener hinkommt, springen einem die leeren Auslagen, in denen oft der hoffnungslose Hinweis “ Zu vermieten” steht, schon eher ins Auge. Dieser Prozess ist in vielen Dörfern zu beobachten und vollzieht sich weit über das Innviertel und Österreich hinaus.
Dieser Artikel soll anregen, im eigenen Dorf bewusster auf das Zentrum zu schauen, zurückzublicken, was schon alles verschwunden ist.
Die Städte sind wie so oft den Dörfern in manchem voraus. Hier erkennt man, wie wichtig die Zentren sind. Wie wichtig es ist, den Menschen das Zentrum zurückzugeben und nicht dem Auto. Es ist aber auch in den Städten sehr schwierig, da ihre Einkaufszentren in der Peripherie sehr viel zerstört haben.
Literatur#
- Heimatbuch Kopfing, Ruhland oö Landesverlag 1976
- Grundbuchamt Engelhartszell, Pfarrmatriken Kopfing, josef.Landaufnahme, franz.Kataster,
- Auskunftspersonen: Dr Ruhland, Danninger Johann (mein Vater, geb 1924)
- [1]Alte Ansichtskarten und Fotos: Repro Dr Ruhland bzw Homepage des Kulturhauses Kopfing https://www.kulturhaus-kopfing.info/alte-fotos
Weiterführendes#
- Danninger, W.: Der Verlust der Mitte oder die Entleerung der Dorfzentren (Essay)
- Maxian, M.: Warum der Greißler nicht mehr zurückkommt (Essay)