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Der Verlust der Mitte oder die Entleerung der Dorfzentren#

Von

Wolfgang Danninger (Februar 2017)


Die Schließung zahlreicher Postämter und Gendarmerieposten war österreichweit vor Jahren ein heißes Thema. Dies war jedoch nicht der einzige Verlust, den unsere Dörfer erleben mussten. Es war aber das erste Mal, dass die Printmedien die Entleerung der Dörfer aufgegriffen haben und zwar deshalb, weil es sehr viele Dörfer betroffen hatte. Viel weniger Echo fand das Zusperren des Kirchenwirtes und des Dorfkrämers, dies passierte zu unterschiedlichen Zeiten, mal in jenem Dorf, mal in einem anderen. Das Ende des Schneiders und Schusters hat man medial gar nicht bemerkt.

Natürlich kam es immer wieder allein durch den Wechsel der Generationen zu Veränderungen in den Dörfern. Er bringt ein Auf und Ab von Betrieben und Häusern. Aber nach dem 2. Weltkrieg rollte über die Dörfer eine Veränderungswelle in einem bisher nicht gekannten Ausmaß hinweg. Es gibt dafür unterschiedliche Ursachen:

Veränderungen in der Landwirtschaft#

Mit der Mechanisierung der Landwirtschaft, also dem Ersatz menschlicher und tierischer Arbeitskraft durch Maschinen, verringerte sich die Zahl der Mägde und Knechte auf den Höfen. In großen Gehöften lebten bis zu 50 Personen, heute bewirtschaftet eine Kleinfamilie die gleiche Fläche, durch Zupacht sogar noch größere. Wofür früher ein riesiges Gehöft zur Unterbringung des Personals und der Ernte gebraucht wurde, wäre heute abgesehen von den Maschinenräumen ein Einfamilienhaus ausreichend.

Vor dem Auto als allgemeines Transportmittel sind die freigewordenen Arbeitskräfte großteils in die Städte abgewandert. Als die Fahrt zur Arbeitsstätte mit dem Auto erschwinglich wurde, entstand das Pendlertum, das es auf dem Land zu leben und in der Stadt zu arbeiten ermöglichte.

Auf dem klassischen Bauernhof war man bestrebt, autark zu sein also möglichst alles selbst herzustellen. Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft änderte sich dies rasch. Je nach Lage spezialisierte man sich auf wenige Produkte. Der Bauer wurde in den Grenzlagen zum Milchbauern, in den fruchtbaren Zonen zum Körndlbauern. Was früher undenkbar war, keine Kuh im Stall zu haben, wurde in den Getreidebaugebieten zur Regel.

Der durch diese Spezialisierung entstandene Preisdruck bedeutete das Ende vieler Kleinbetriebe, die anfangs als Nebenerwerb aber spätestens nach dem Generationswechsel ganz aufgegeben wurden. Die Umstellung auf viehloses Wirtschaften setzte die Stall- und Scheunengebäude leer, deren Erhaltung unwirtschaftlich wurde. Auch in den Getreidebaugebieten wurden Lagerräume frei, da nicht mehr im Hof sondern in riesigen zentralen Silos der Produkthändler gelagert wird. Auch die Globalisierung verstärkte den Preisdruck, nicht landwirtschaftliche Berufe waren für viele Erben lukrativer. Viele Höfe wurden nicht mehr bewirtschaftet und wurden verpachtet.

Die Hofnachfolge war regional unterschiedlich aber immer genau geregelt. Erben waren in der Regel die direkten Nachkommen. Es war entweder der Erstgeborene oder der letzte Sohn. War kein Sohn da, konnte auch eine Tochter erben. Das Erbe war begehrt. Dies änderte sich in der 2. Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, da vor allem in weniger fruchtbaren Gebieten kein Interesse mehr an der Hofübernahme bestand.

Die Gehöfte waren in den Dorfzentren nach der Kirche die dominantesten Gebäude, ihre Architektur ist regional typisch, sofern sie nicht durch Umbauten oder Zubauten zerstört wurde. Sie sind ein wesentlicher Faktor für das Ortsbild vieler Dörfer. Ihre Erhaltung wird jedoch schwierig, da für viele ehemals landwirtschaftlich genutzte Räumlichkeit kein Bedarf mehr besteht, der die Erhaltung finanzieren würde. Es droht der Verfall oder Abbruch.

Gewerbe#

Das Gewerbe war seit Anbeginn der Dörfer immer in den Zentren angesiedelt, da hier der optimale Standort war. Das Zunftwesen sicherte die Ausbildung im jeweiligen Gewerbe und regelte die Betriebsnachfolge.

Der Wirt#

Der Wirt hatte eine wichtige Funktion für das Leben im Dorf. Hier traf sich die Dorfgemeinschaft, hier wurden Feste gefeiert oder das Totenmahl gehalten. Vor allem für die Männer war die Gaststube Treffpunkt, in der diskutiert oder Geschäfte abgeschlossen wurden. Der Wirt war dadurch über vieles im Dorf informiert, manchmal war er Berater oder auch Psychiater, wenn durch den Alkoholkonsum die Sorgen der Gäste an ihn herangetragen wurden.

Oft war eine Metzgerei angeschlossen, fast immer auch eine Landwirtschaft. Finanziell ging es dem Wirt meist gut. So mancher Wirt war die Anlaufstelle, wenn Geld benötigt wurde, das er manchmal sogar verliehen hat.

Besonders in Dörfern an Hauptverkehrswegen war die Anzahl der Wirtshäuser sehr hoch, da die durchziehenden Fuhrwerke hier gerne Rast nach langer anstrengender Fahrt gemacht haben. Nach der Verlagerung von Verkehrswege und durch das Verdrängen der Pferdefuhrwerke durch den LKW verringerte sich in solchen Durchzugsorten die Zahl der Wirtshäuser deutlich. Der Motorantrieb hat die Fahrzeiten erheblich verkürzt und damit auch die Notwendigkeit der vielen Halte und der Rast in den Wirtshäusern.

Der Dorfwirt hat längst seine „goldene Zeit“ vorbei, er war früher begütert und angesehen. Viele haben zugesperrt, da die Familie die hohe Zeitbelastung nicht mehr mittragen wollte. Die hohen Lohnnebenkosten erlauben kein zusätzliches Personal. Italiener, Bosnier und andere Südländer oder Asiaten sind an ihre Stelle getreten, bei denen es noch eher die intakte Großfamilie gibt. So befindet sich heute in den ehemaligen Gaststuben eine Pizzeria, eine Kebab Bude oder ein Chinarestaurant.

Aber auch Vereinsfeste, Vereinshäuser und Gemeinschaftshäuser, die den Wirten die Gäste Wegnehmen machen das Geschäft unattraktiv. So haben im Bundesland Kärnten zwischen 2005 bis 2015 fast ein Drittel der Wirte zugesperrt, die Zahl der klassischen Dorfwirte ist sogar noch mehr zurück gegangen, da in der Statistik auch neu entstandene Betriebe wie Pizzerias dazugerechnet werden.

Der Krämer und Händler#

Auch für sie war der beste Standort im Dorfzentrum. Hierher kam man am Sonntag beim Kirchgang. Anschließend konnte man einkaufen. Es war ein bescheidener Einkauf, da das meiste auf den Höfen produziert wurde und Geld immer recht knapp war. Darüber hinaus gab es jährlich ein bis zwei Kirtage. Er war ein Festtag, an dem auch getanzt wurde. Die frühen Krämereien haben ihre Waren in einer kleinen Stube angeboten. Von außen waren sie nur durch ein Schild als Krämerei zu erkennen. Auslagen gab es noch nicht. Werbung schien nicht notwendig, da die Landbevölkerung ohnehin nur das gekauft hat, was sie benötigt hat.

Auslagen kamen erst um 1900 auf. Es waren die Tischlerportale, die man aus den Städten übernommen hat. Mit ihnen konnte man die Ware präsentieren und bewerben.

Einkaufen war einst ein wichtiger Kommunikationsfaktor für die Frauen, die überwiegend Hausfrauen waren und wenig Kontakt nach außen hatten. Beim Krämer hat man alle Neuigkeiten erfahren, konnte sie aber auch in die Welt setzen. Und er konnte zu Fuß erreicht werden.

Der nächste Schritt war der Selbstbedienungsladen. Die meisten Frauen waren inzwischen berufstätig geworden, das Einkaufen wird nebenbei auf dem Weg zur oder von der Arbeit erledigt und dies geschieht in der Regel mit dem Auto und soll möglichst rasch ablaufen. Das Gespräch über die Budel ist dem Bezahlen an den Supermarktkassen gewichen, das möglichst schnell gehen soll. Und niemand wagt sich ein Gespräch mit der Kassiererin zu beginnen, um nicht von den Wartenden in der Warteschlange mit bösen Blicken oder gar Schimpfwörtern bestraft zu werden. Die einst so wichtigen Schaufenster wurden nun mit großen Plakaten überklebt, auf denen die Aktionsangebote angekündigt wurden. Der Billigpreis hat die Präsentation der Ware abgelöst. Zudem benötigt der Selbstbedienungsladen möglichst viele Wände ohne Öffnungen, um die Regale optimal anordnen zu können. Das Kunstlicht verdrängte das Tageslicht in den Verkaufsräumen.

Für das Kaufhaus war nicht mehr die Nähe zu den Kunden wichtig sondern ein ausreichendes Angebot an Parkflächen für die Kunden, die in den Zentren kaum verfügbar war. Dieses Ziel war für viele Kaufhäuser nur durch Verlagerung an den Ortsrand oder an eine Umfahrung erreichbar. Die Raumordnung hätte dies zwar verhindern können, aber die Gemeinden waren einerseits dem Verkaufsinteresse der Verkäufer und andererseits der Drohung der Handelsbetriebe in den Nachbarort abzuwandern ausgesetzt. Diesem Druck wurde in der Regel nachgegeben, man wollte ja keinen Kaufkraftabfluss. So entstanden neue Kaufhäuser auf der Grünen Wiese, ihnen folgten weitere Geschäfte.

Mit dem Internet entstand eine neue Bedrohung der örtlichen Handelsgeschäfte, der Onlineverkauf erzeugt einen Preisdruck, dem die kleinen Geschäfte nicht standhalten können. Dieses Problem bedroht auch die Fachgeschäfte in den Städten, für die er immer mehr zu einer Bedrohung wird.

Bäcker und Metzger#

Das tägliche Brot ist bei der bäuerlichen Bevölkerung gar nicht so selbstverständlich, wie man meinen würde. Im Mittelalter verzehrte die ländliche Bevölkerung überwiegend Brei aus Hafer, Hirse(Brein) oder Hülsenfrüchte. Brot war nur für die reichen erschwinglich. Erst ab dem 16.-17. Jahrhundert wurde es zum „täglichen“ Brot. Damit verbunden ist das Aufkommen der Mühlen, in denen oft auch das Brot gebacken wurde.

Auch der Fleischhauer, regional als Metzger bezeichnet, war in den Dorfzentren. Die Entwicklung der Bäckereien und Metzgereien verlief in weiten Teilen Österreichs ähnlich. Die Bäcker haben sich in vielen Dörfern länger gehalten. Sie hatten nicht wie in den Städten die Konkurrenz durch Filialen von Großbäckereien. Aber auch in den Dörfern haben in den letzten Jahren die Bäcker einen starken Preisdruck durch Supermärkte erhalten, die ein eigenes Backwarensortiment anbieten bzw. in denen industriell vorgefertigte Backwaren mehrmals am Tag aufgebacken werden.

Der örtliche Metzger musste meist schon viel früher aufgeben. Hier waren es vor allem die kostspieligen Auflagen für den Betrieb eines Schlachthauses und die Entsorgung der Abfälle.

Die Handwerker#

Schuster, Schneider, Schreiner, Tischler, Weber usw hatten ihre Häuser im Dorf, oft mit einer kleinen Landwirtschaft, da der Verdienst aus dem Handwerk meistens nicht gereicht hat. Wohnen und arbeiten war in einem Haus üblich. Niemand störte der Lärm oder Gestank, den die Handwerker mit ihrer Arbeit erzeugten. In den Städten wurden extrem geruchsbelästigende Betriebe wie Gerber oder Abdecker in eigene Zonen verbannt, in den Dörfern höchstens an den Ortsrand.

Auch das Handwerk hat die Mechanisierung und Industrialisierung erfasst. Sie bewirkte eine erhebliche Steigerung der Immissionen, die in der 2. Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mit den aufkommenden Raumordnungsgesetzen zu einer Trennung von Wohnen und Arbeiten führten. Die angestrebte funktionale Gliederung verdrängte die Betriebe aus den Dorfzentren in eigens ausgewiesene Betriebsbaugebiete an die Ortsränder.

Mit der Globalisierung der Märkte verdrängten Produkte aus Billiglohnländern alteingesessene Handwerksbetriebe und zwangen sie zur Aufgabe, da sie dem Preisdruck nicht mehr standhielten. Schuster und Schneider sind die bekanntesten Opfer. Sie sind von einst häufigen Beruf heute aus den Dörfern verschwunden. Textilwaren werden in Billiglohnländern Osteuropas oder Asiens produziert. Die Kleidung, die einst wertvoll war, ist zur Wegwerfware geworden. Die kommenden Generationen werden Schuster und Schneider wohl nur mehr aus Erzählungen kennen.

Den Webern erging es schon viel früher so. Ihr Ende brachten die mechanischen Webstühle. Die Weberei hatte eine lange Tradition und war früher weit verbreitet. Es war eine Hausarbeit, mit der sich die armen Leute über Wasser gehalten haben. Der Weber war kein selbständiger Handwerker sondern er produzierte in einer Art Lohnarbeit. Der Verleger lieferte die Rohware und verkaufte die Stoffe. Dieses Modell ist heute noch bei den Trafiken üblich. Die wirtschaftliche Situation der Weber war sehr schlecht. Es wurde zwischen Weber, der Wolle verarbeitet hat, und Leinweber unterschieden, wobei das Ansehen der Leinweber noch geringer war. Ihr Lohn war niedrig. Das Geld aus dem Verkauf der Tuche und Stoffe machten die Tuchhändler, die in den Städten lebten. Mit der Einführung maschinenbetriebener Webstühle wurde der Lohndruck noch stärker. Dies führte zu mehreren Weberaufständen, der bekannteste war in Schlesien, die aber auch das Ende der kleinen Webereien nicht verhindern konnten.

Verschwunden sind auch Berufe, die stark an die landwirtschaftliche Produktion gebunden waren. Typisches Beispiele war der Rechenmacher, Besenbinder und Korbflechter, die es heute nicht mehr gibt.

Müller, Säge, Schmied #

Mühlen, Sägen und Schmieden waren in den Dorfzentren die Ausnahme, da sie einen größeren Bach brauchen, der ausreichend Energie liefert. Dieser war aber nicht immer vorhanden. Auch der Flächenbedarf überstieg oft die Möglichkeiten, die ein Dorfzentrum anbieten konnte. Schmiede gab es vereinzelt im Zentrum.

Der Dorfplatz#

Die Dörfer sind in Österreich überwiegend Haufendörfer, die ohne strenge Vorschriften errichtet wurden. Nur in den spätmittelalterlichen Rodungssiedlungen und im Osten Österreichs entstanden planmäßig angelegte Straßen- und Angerdörfer. Diese haben Plätze mit geschlossenen Hausfronten, die den Platz begrenzen.

Im historischen Haufendorf gab es im Gegensatz zu den Märkten, Städten, Straßen- und Angerdörfern keine planmäßig angelegten Plätze. Grund war zudem für die Bauern wertvoll, da er die Nahrung geliefert hat. Man ging sehr sparsam mit ihm um. Autos, die viel Raum beanspruchen, waren unbekannt. Der Mensch war das Maß der Planung.

Kopfing 1937, heimeliges Dorfzentrum
Kopfing 1937, heimeliges Dorfzentrum
Foto: Repro Dr Ruhland bzw Homepage des Kulturhauses Kopfing https://www.kulturhaus-kopfing.info/alte-fotos
Kopfing mit autogerechter Dorfstraße
Kopfing 1980: autogerechtes Dorf
Foto: Repro Dr Ruhland bzw Homepage des Kulturhauses Kopfing https://www.kulturhaus-kopfing.info/alte-fotos

Größere Freiflächen sind in den Haufendörfern erst nach den Reformen Joseph II entstanden. Mit dem Auflassen der Kirchhöfe und der Verlagerung des Friedhofes außerhalb der damaligen Bebauung wurden Flächen um die Kirche frei, die als Grünfläche oder als Verkehrsfläche genutzt wurden. Aber dennoch reicht der Platz für Parkflächen in den meisten Dorfzentren kaum aus.

Öffentliche Einrichtungen#

In den Städten waren die Kirchen meistens in der 2. Reihe, also nicht unmittelbar am Stadtplatz. Auf dem Stadtplatz dominierte das Rathaus. In den Dörfern dagegen war die Kirche mit ihrem Turm das mächtigste Gebäude, um das sich die umliegenden Gehöfte, das Krämerhaus, das Wirtshaus und die Handwerksgebäude scharrten. Die Bausubstanz spiegelte auch die damaligen Machtverhältnisse mit der Kirche, die alle anderen Gebäude überragte. Das Gemeindeamt war nach der Entstehung der Gemeinden in kleinen Dörfern oft nur eine Stube. In größeren Gemeinden wurden bald eigene Gemeindeämter im Zentrum errichtet. Im Keller oder in einem Nebengebäude war der Gemeindekotter, indem man kurzfristig Straftäter in einer Art Gefängniszelle aufbewahren konnte. Die Gendarmerie und die Post hatten in den Dörfern selten ein eigenes Haus, sie waren meistens eingemietet.

Auch die Anfänge der öffentlichen Schulen waren in Privaträumen. Unter Kaiser Franz Josef wurde in der Monarchie der Schulbau intensiv betrieben. Es entstanden zahlreiche Jubiläumsschulen in den Dörfern und Städten, die alle mit einem recht ähnlichen Grundriss gebaut wurden.

Wie eingangs erwähnt, sind viele Postämter geschlossen worden. Abgemildert wird dieser Verlust durch die Übernahmen der Funktion der Postämter durch örtliche Kaufhäuser oder durch das Gemeindeamt, die als Postpartner auftreten. Die Gendarmerieposten sind nicht nur mit ihrem Namen, die nun Polizeiposten genannt werden, verschwunden. Viele wurden in größere Einheiten zusammengefasst.

Medizinische Versorgung#

Ärzte waren vor 150 Jahren noch selten in Dörfern anzutreffen. Die Bader gab es seit dem Mittelalter in größeren Orten; sie sorgten nicht nur für die Hygiene; sie boten auch kleinere medizinische Eingriffe an, wie Zähne ziehen oder den Aderlass. Eine Hebamme gab es in den meisten Dörfern

Wohnen im Dorf#

Mit dem Ende der Großfamilie hat sich das Wohnen unter einem Dach aufgehört. Die Jungen haben neu am Ortsrand oder gleich in der nächsten Stadt gebaut, übrig geblieben sind deren Eltern. Dadurch entstand viel un- oder untergenutzter Wohnraum. Große Häuser werden oft nur mehr von einer Person bewohnt. Wenn diese stirbt, finden die Gebäude keinen Käufer, da der erhoffte Verkaufspreis meist weit über dem Marktwert liegt oder die Besitzer nicht bereit sind zu verkaufen.

Es ist raumordnerisch unsinnig, die optimal gelegenen Flächen im Zentrum nicht zu nutzen und statt dessen mit großem Flächenverbrauch am Ortsrand oder in Splittersiedlung Neubaugebiete auszuweisen, in denen die Infrastruktur mit hohem finanziellen Aufwand erschlossen und erhalten werden muss.

Die Expansion der Dörfer nach außen wird zusätzlich durch die Wohnbauförderung verstärkt, die den Neubau forciert anstatt die Umnutzung und Sanierung der bestehenden Bausubstanz im Ortskern den Vorrang zu geben.

Der Verlust der Mitte#

Und so droht für viele Dörfer oder Ortsteile mit dem Verlust vieler ihrer Funktionen, als Ort der Begegnung und dem Sitz von Handel und Gewerbe ein langsamer Verfall, der deshalb besonders gravierend ist, da es sich hier um die ortsbildprägende Substanz handelt, die die Identität eines Ortes ausmacht.

Es dauert bei leerstehenden Gebäuden nicht lange bis ein Neubau billiger ist anstatt die lokal so bedeutenden und ortsbildprägenden Objekte zu erhalten. Viele bauhistorisch und lokalgeschichtlich wertvolle Gebäude haben ihre einstige Nutzung verloren. In vielen Dörfern stehen heute mehrere Geschäftslokale, Werkstätten, Wohnraum und Gehöfte leer. Leere Auslagen, verfallende Gebäude, für die keiner mehr das Geld aufbringen will, sie zu erhalten, beeinträchtigen das Ortsbild.

Dem sich entleerenden Zentren stehen die ausufernden Neubaugebiete am Dorfrand gegenüber. Sie sind in den Obstgärten und auf besten landwirtschaftlichen Flächen entstanden. Ein kernloser Siedlungsbrei, provokant als Krebsgeschwür bezeichnet.

Die Entleerung der Dörfer geschieht in einem schleichenden Prozess, der im einzelnen wenig spektakulär ist, in der Summe aber zu einem erschreckenden Verlust führt. Dieser Prozess ist in vielen Dörfern zu beobachten und vollzieht sich weit über Österreich hinaus. Wir Menschen tendieren leider dazu, negative Ereignisse rasch zu vergessen. Leerstehende Gebäude fallen einem im eigenen Ort bald nicht mehr auf. Im Nachbarort, oder in Dörfer, wo man seltener hinkommt, springen einem die leeren Auslagen, in denen oft der hoffnungslose Hinweis “ Zu vermieten” steht, schon eher ins Auge.

Dieser Artikel soll anregen, im eigenen Dorf bewusster auf das Zentrum zu schauen, zurückzublicken, was schon alles verschwunden ist.

Die Städte sind wie so oft den Dörfern in manchem voraus. Hier erkennt man, wie wichtig die Zentren sind. Wie wichtig es ist, den Menschen das Zentrum zurückzugeben und nicht dem Auto. Es ist aber auch in den Städten sehr schwierig, da ihre Einkaufszentren in der Peripherie sehr viel zerstört haben.

Literatur#

  • Ortskernbelebung als Teil des Stadtmarketings, Nina Silipp, vdm verlag 2010
  • Das Dorf Ein Beitrag zur Dorfentwicklung, Danninger, Kienesberger, Land OÖ 1987
  • Kleinstädte Neue Wege in der Stadt- und Ortskernbelebung, Gerlind Weber, Boku 2013
  • Grün kaputt, Dieter Wieland, Buch und Video
  • Bauen und Bewahren, Dieter Wieland (Videoserie)

Weiterführendes#

Weitere Beiträge und Firmen zu den Themen Landwirtschaft, Architektur und Mobilitaet.


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