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Im Wandelgang #

Immer wieder trifft man im Wiener Stadtbild auf Labyrinthe – ein Symbol für das Leben, ein „maximaler Umweg“ und eine Möglichkeit für Entschleunigung mitten in der Stadt. #


Mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der Wiener Zeitung (Mittwoch, 21. Mai 2014)

Von

Barbara Sorge


Steinlabyrinth im Kurpark Oberlaa
Das Steinlabyrinth im Kurpark Oberlaa kann bei jedem Wetter und jederzeit während der Öffnungszeiten des Parks kostenfrei begangen werden. Foto: Barbara Sorge

Wien. Sieben Mal kehrt man um. Sieben Mal führt der Weg in eine andere Richtung. Leitet Gehende zuerst direkt auf das Zentrum zu, um sie dann zum am weitesten entfernten Punkt zu führen. Wenn man dranbleibt, kommt man ans Ziel, ins Zentrum des Labyrinths. Man könnte es schneller haben, wenn man die Begrenzungen des Weges missachtet und einfach in die Mitte geht. Weg und Grenzen, das sind nur zwei von vielen Themen, die Ilse Seifried im Labyrinth gespiegelt sieht.

Langsam geht sie durch „ihr“ Labyrinth. Das Steinlabyrinth im Kurpark Oberlaa wurde 2008 gebaut und 2009 eröffnet. Das zuvor (2004) in der Nähe angelegte Blumenlabyrinth – das erste öffentlich zugängliche und begehbare Labyrinth in Wien – wurde wegen der aufwendigen Pflege aufgelassen. „Diese Anlage wird mich überleben“, sagt Seifried stolz zur Neuanlage. Auch wenn sie es gerne gesehen hätte, dass dieses wie die Vorgängerstruktur gegen den Uhrzeigersinn gedreht worden wäre.

Dass Labyrinthe ihr Lieblingsthema sind, merkt man sofort. Stundenlang kann die gelernte Sprachheilpädagogin über Labyrinthe und deren 5000-jährige Kunst- und Kulturgeschichte, Bedeutung und Hintergründe erzählen. Immer wieder sei sie auf diese Struktur gestoßen, sagt sie, bis sie 1997 begann, sich in die Materie zu vertiefen und, wie es ihre kommunikative Art ist, diese auch mit Ausstellungen, Seminaren und Workshops zu verbreiten. Damit ist sie in diesem Bereich – gemeinsam mit dem Tiroler Labyrinthe- Bauer Gernot Candolini – eine Vorreiterin in Österreich.

Labyrinthe-Hype zur Jahrtausendwende #

Ende der 1990er Jahre gab es einen Labyrinthe-Hype, zwischen 2000 und 2010 wurden viele gebaut. Inzwischen sei zwar das breite Interesse vorbei, aber das Thema sei gut „eingewurzelt“, sagt Seifried, die anlässlich der kommenden Langen Nacht der Kirchen am Freitag österreichweit etwa 20 Veranstaltungen rund um Labyrinthe gezählt hat.

Vor der Christuskirche am Matzleinsdorfer Platz ist 2006 ein weiteres Labyrinth entstanden. Pfarrer Michael Wolf hat es angelegt und nutzt es für religionspädagogische Führungen am Friedhof. „Es handelt sich um ein christliches Labyrinth – es ist das Labyrinth von Chartres in Originalgröße nachgezeichnet. Bei den Führungen ist die Beschreitung des Lebensweges, der durch das Labyrinth repräsentiert wird, Ausgangs- und auch Abschlusspunkt. Es ist kein Irrweg, sondern er führt direkt in die Mitte. Durch die Kreuzungen und Windungen schafft er immer wieder die Möglichkeit, dass man sich orientiert.“ Dieses Jahr wird es erneuert, 20 Kilo rote Farbe und 15 Kilo weiße Farbe werden dazu nötig sein.

„Das Labyrinth ist eine Projektionsfläche, ein Erfahrungsspielraum, in dem ich mich mit verschiedenen Themen auseinandersetzen kann“, erzählt Seifried über die „Magie“ des Labyrinths. Wenn der Weg durch das Labyrinth links und rechts pendelt, zum Zentrum weg und dann wieder hin, wechselt man die Perspektiven. „Es ist diese nicht alltägliche Bewegungserfahrung, die mich am meisten fasziniert“, sagt Seifried.

Sie hat Labyrinthe in Seminaren mit schwerstbehinderten Kindern und Regelschulkindern eingesetzt, mit Studierenden und mit Erwachsenen im pädagogischen, psychotherapeutischen oder religiösen Zusammenhang. Sie sieht es als ein sehr demokratisches Erfahrungssymbol. „Alle gehen den gleichen Weg, aber mit unterschiedlichen Erfahrungen.“ Themen wie Eigenständigkeit, Eigenverantwortung, Abgrenzung und Einbeziehung können mit dem Labyrinth erprobt und geübt werden. Es gibt auch keine Hierarchie, wie bei einer Pyramide.

Weg durch den Wandelgang als Selbsterfahrungs-„Quickie“ #

Ein Spaziergang durch ein Labyrinth – hier gibt es nur einen Weg, im Unterschied zum Irrgarten, wo man immer wieder entscheiden muss, welchen Weg man einschlägt – kann dazu genutzt werden, sich zu überlegen, wie man mit Wendungen umgeht oder damit, dass der „maximale Umweg“ zum Ziel zurückzulegen ist. Man kann die Selbstwahrnehmung schulen, auf das Tempo, auf die Atmung achten. „Manchmal renne ich die ersten Kurven, aber die Struktur unterstützt beim Innehalten“, erzählt Seifried.

Sie findet es großartig, dass es Labyrinthe in der Stadt gibt: „Es ist hilfreich, alle können in Bewegung kommen, egal welches Alter, welche Herkunft.“ Auch vor der Lernwerkstatt in der Brigittenau gibt es seit 2008 ein Labyrinth. Es war die Intention, die Schüler, aber auch die Eltern und Passanten dazu einzuladen, „eine Reise im öffentlichen Raum zu unternehmen“, erzählt Direktor Josef Reichmayr. Damals gab es sogar finanzielle Unterstützung von der Bezirksvorstehung für die Farbe, um es aufzupinseln. Und es wurde gut angenommen, sagt Reichmayr: „Kinder haben ihre kleinen Geschwister in Kinderwägen durchgeschoben.“ Ganz intuitiv und ohne Anleitung, voller Vertrauen auf den Weg mit seinen Wendungen.

Nähere Informationen zu Labyrinthen unter: www.das-labyrinth.at

--> Labyrinthe in Wien (Bildsammlung)

Wiener Zeitung, Mittwoch, 21. Mai 2014


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