Motorisierte Draufgänger #
Von der Wiener Zeitung (Sa./So., 17./18. August 2013) freundlicherweise zur Verfügung gestellt
Von
Anton Holzer
Eine merkwürdige Begegnung: zwei lachende Motorradfahrer und ein elegant gekleidetes Paar. Der Mann, der vorne sitzt, reicht der Dame die Hand. Hinter ihr ein strahlender Herr in weißer Hose. Die Aufnahme entstand Ende 1933 in der indischen Stadt Lahore (heute Pakistan). Ohne die Bildbeschriftung wäre die Szene kaum zu entziffern. Der Mann rechts wird als „Dr. Sondhi“ vorgestellt, er ist der Präsident des indischen Olympischen Komitees. Über die Dame schweigt die Bildlegende.
Und die Männer auf dem Motorrad? Sie sind Österreicher: vorne Max Reisch, hinter ihm Herbert Tichy, beide 21 Jahre alt. Ein indischer Zeitungsfotograf hatte die Szene festgehalten.
Wieso erregten die beiden solches Aufsehen? Warum gratuliert ihnen der höchste Funktionär einer indischen Sportorganisation? Sie feierten gerade Halbzeit einer abenteuerlichen Reise, die mit dem Motorrad auf dem Landweg nach Indien führen sollte. Der Tiroler Reisch studierte Welthandel in Wien, Tichy war Wiener und studierte Geologie. Das Expeditionsgefährt war eine umgebaute Puch 250. Der Tank wurde vergrößert, 70 Kilo Ausrüstung und Gepäck fanden in riesigen Packtaschen Platz – viel Gewicht für die 6 PS starke Maschine.
Am 27. Juli 1933 brachen die beiden von Wien auf. Schlechte Straßen, technische Probleme und Krankheiten ließen das Unternehmen beinahe scheitern. Doch die Abenteurer erreichten ihr Ziel und trafen im Januar 1934 wieder wohlbehalten in Wien ein. Reisch im Rückblick: „Es gab Küsse, Photographen, Lorbeerkränze . . ., eine Aufnahme für die Wochenschau. . . Wir fühlten uns für kurze Zeit recht bedeutend und heldenhaft.“
Anton Holzer, Fotohistoriker, Publizist. www.anton-holzer.at