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Tichy, Herbert #

* 1. 6. 1912, Wien

† 26. 9. 1987, Wien


Asien- und Himalajaforscher


Tichy Herbert
Herbert Tichy: Abfahrt zu Indienreise, 21. 9. 1933
© Öst. Inst. f. Zeitgeschichte, Wien, für AEIOU

Herbert Tichy wurde am ersten Juni 1912 als Sohn einer bürgerlichen Familie in in Wien geboren.

Er studierte Geologie und schrieb seine Dissertation über den Himalaja – vor allem um einen Vorwand für einen längeren Aufenthalt in dieser Gegend der Welt zu haben. Seinen weiteren Lebensweg verbrachte er allerdings nicht als Geologe, sondern als Journalist, Schriftsteller, Photograph, Abenteurer und Weltreisender im klassischen Sinn, vor allem in Asien aber auch in Alaska und Afrika.


Seine erste große Reise unternahm er bereits 1933 - kurz nach der Matura - mit Max Reisch: Von Wien nach Bombay auf dem Motorrad.

1935 folgte der Studienaufenthalt für die Materialsammlung seiner Dissertation und eine Reise durch Kaschmir, Afghanistan und Tibet – ebenfalls überwiegend mit dem Motorrad – , auf der er als Pilger verkleidet den heiligen Berg Kailas besuchte.

Sieben Jahre verbrachte Herbert Tichy in China, von 1941 bis 1948, wo er mit sehr geringen Mitteln, nur durch gelegentliche Korrespondentenhonorare für Berichte für österreichische und deutsche Zeitungen finanziert, die Chinesen kennen und schätzen lernte.

Dort traf er auch unter anderen den französischen Jesuitenpater und international anerkannten Paläontologen Pierre Teilhard de Chardin. Die Erstbesteigung des Cho Oyu (mit J. Jöchler und dem Sherpa Pasang Dawa Lama) brachte Herbert Tichy auch einen bergsteigerischen Triumph - er war somit der erste Österreicher auf einem Achttausender.

In den siebziger Jahren besuchte er schließlich in der Sulu-See, zwischen den Philippinen, Indonesien und Borneo, eine Reihe der entlegensten Inseln und brachte wichtiges Forschungsmaterial über die dort zum Teil noch "in der Steinzeit" lebenden Menschen nach Hause.

Herbert Tichy starb am 26. September 1987 in Wien.

Text aus dem Buch "Aufbruch ins Unbekannte", von Hilde & Willi Senft#

Herbert Tichy
Herbert Tichy
© Herbert Tichy

Auf dem Weg zum Kailash, an der Grenze zwischen Indien und Tibet, erhebt sich der 7.728 Meter hohe Gurla Mandata, den Tichy mit seinem indischen Gefährten als erster bis auf eine Höhe von 7.200 Metern besteigen konnte. Fast wäre den beiden, die kaum für ein solches Unternehmen ausgerüstet waren und eine ungeheure physische und psychische Härte an den Tag legten, die Erstbesteigung gelungen. Tichy konnte immerhin wichtige Aufzeichnungen über den besten gangbaren Weg zum Gipfel machen.

Tichy war 1936 nicht der erste Europäer, der den Kailash sah. Er war der erste Europäer, der mit einfachsten Mitteln wie ein Einheimischer den Kailash umrundete - und zwar auf höchst abenteuerlich-romantische Weise, nämlich verkleidet. Sein 1937 erschienenes Buch "Zum heiligsten Berg der Welt" ist heure noch genauso lesenswert wie vor sechzig Jahren und von hoher inhaltlicher, aber auch erzählerischer Qualität.

Von großer Bedeutung ist das fotografische Dokumentationsmaterial, das Tichy vom Kailash mitbrachte; einige seiner besten Bilder finden sich heute immer wieder in neu erscheinenden Werken über Tibet.

Die Jahre 1941 bis 1947 verbrachte Tichy in Thailand und China; er lebte Anfang der vierziger Jahre im sehr bedeutenden tibetischen Kloster Kumbum im Nordostteil des Landes. Dieses seinerzeit zur tibetischen Provinz Amdo gehörende Gebiet war schon Jahrzehnte zuvor an China gefallen. Tichy hielt sich hier etwa ein halbes Jahr auf und vermittelte in seinem Buch "Weiße Wolken über gelber Erde" interessante Details über den Zustand der Baulichkeiten des riesigen Komplexes sowie über die verschiedenen Festlichkeiten und Alltagsabläufe. Von bleibender Bedeutung sind auch seine fotografischen Dokumente aus jener Zeit. 1952 erhielt er als einer der ersten westlichen Forscher die Genehmigung, West-Nepal zu bereisen, ein Gebiet, das selbst heute noch wenig bekannt ist.

Der Kaliash, heiligster Berg der Welt
Der Kaliash, heiligster Berg der Welt
© Foto Senft

Tichy wollte dabei weniger noch unerstiegene Gipfel bezwingen, als das unbekannte Land durchqueren. Bei dieser Erkundungsexpedition war er einer der ersten Europäer überhaupt, die das kleine, seinerzeit unabhängige Fürstentum Mustang (von späteren Reisenden wohl unrichtigerweise "Königreich" genannt) erreichten. Mit seinem "Leibsherpa" Pasang gelang ihm in Mustang die Erstbesteigung eines 6.400 Meter hohen Gipfels.

Der 8.153 Meter hohe Cho Oyu - die "Göttin des Türkis" - war zwar in Europa seit 1921 bekannt, blieb aber bis zur Erstersteigung durch Tichy fast unbeachtet. Mount Everest, Kangchendzönga, Nanga Parbat und K 2 hatten absoluten Vorrang. 1952 war der Cho Oyu Ziel einer britischen Expedition unter Leitung Eric Shiptons, der hervorragende Bergsteiger wie Edmund Hillary angehörten; sie kam bis zu dem Eisbruch in etwa 6.800 Meter Höhe, musste hier aber aufgeben. Tichy und seine Freunde sollten diesen Bruch später an einem Nachmittag bewältigen.

Tibeterinnen beim Reinigen von Getreide durch den Wind
Tibeterinnen beim Reinigen von Getreide durch den Wind © Foto Senft

Schon bei der Durchquerung West-Nepals war er mit Pasang übereingekommen, in den nächsten Jahren einen sehr hohen Berg zu besteigen. Dazu musste er aber in gewissem Maß expeditionsmäßig vorgehen und die Gruppe um wenigstens zwei weitere Europäer vergrößern. Seine Wahl fiel auf Sepp Jöchler aus Landeck, der mit Hermann Buhl die Eiger-Nordwand durchstiegen hatte, sowie auf Dr. Helmut Heuberger, Geograph an der Universität Innsbruck.

1954, als der große Trekker- und Touristenstram nach Nepal noch nicht eingesetzt hatte, war es soweit. Tichy hatte die Absicht, nur mit einem Bruchteil jener Ausrüstung, die damals bei Himalajaexpeditionen üblich war, das Auslangen zu finden. Mit seiner aus Österreich stammenden Ausrüstung wandte er erstmals in der Geschichte der Himalajaexpeditionen den sogenannten "Westalpenstil" (Biwaksack und Ausrüstung selbst tragen!) an, der seiner bescheidenen Lebensauffassung entsprach.

Am 23. September 1954 brach das Unternehmen von Namche Bazar, dem Hauptort des Sherpa-Landes, auf und zog mit nur 27 Traglasten durch die prachtvolle Landschaft in Richtung Nangpa La, jenem hohen Pass, über den im Mittelalter die Sherpas von Tibet her in ihr späteres Siedlungsgebiet in Nordost-Nepal eingewandert waren. An der reizvoll gelegenen Ortschaft Thami vorbei, erreichten die Teilnehmer die letzte bewohnte Siedlung Marlung und überschritten nach einigen Tagen den flachen, 5.500 Meter hohen Nangpa La. Ein Stück dahinter, eigentlich schon auf tibetischem Boden, errichteten sie das auf gleicher Höhe liegende Hauptlager. Von dort aus fanden sie den Zugang zur vergletscherten Westflanke, und dann eröffnete sich der Cho Oyu zu ihrem eigenen Erstaunen gleichsam von selbst, denn ohne irgendwelche Probleme konnten die weiteren Lager in 5.800, 6.200, 6.600 und 7.000 Meter Höhe errichtet werden, was freilich mit etlichen Strapazen verbunden war.

Der Cho Oyu
Der Cho Oyu
© Foto Senft

Dessen ungeachtet erreichte die Expedition relativ rasch das Lager IV in 7.000 Metern und wurde hier von einem der entsetzlichen Höhenstürme überrascht. Nur mit knapper Not konnten die Teilnehmer, nachdem alle Zelte zerstört worden waren, ihr nacktes Leben retten und sich wieder ins Basislager zurückziehen. Tichy trug dabei an beiden Händen schwere Erfrierungen davon. Unterdessen war es Mitte Oktober geworden, die Zwischenlager waren wieder errichtet und verproviantiert worden. So erreichte man das letzte Lager auf 7.000 Metern. Tichy konnte seine Hände nicht mehr zum Klettern gebrauchen, die Finger waren mit Watte gepolstert und durch drei Paar Fäustlinge geschützt. Glücklicherweise konnte er jedoch seinen Eispickel halten, denn der Weg zum Gipfel führte nur mehr über Gletscher.

Der 19. Oktober brachte den Bergsteigern bei mäßigem Wind einen wolkenlosen Tag. Die vor ihnen liegende Etappe war äußerst lang, zumal 1.100 Höhenmeter überwunden werden mussten. Im Bereich der 8.000 Meter, in der sogenannten "Todeszone", hatten auch Jöchler, Pasang und Tichy (Heuberger war in einem tiefer gelegenen Lager verblieben) jene eigenartigen Erscheinungen, wie sie von Hochalpinisten immer wieder geschildert werden. Tichy schreibt:

Die Kälte des Weltraums scheint hier an die lebenspendende Atmosphäre der Erde zu grenzen, und wir Menschen sind fremde Eindringlinge in einer Landschaft abstrakter und absoluter Schönheit, die nicht für menschliche Augen bestimmt ist.

Nomaden mit Yaks
Nomaden mit ihren Yaks im Tibetischen Hochland
© Foto Senft

Acht Stunden waren die drei nun schon fast ohne Rast unterwegs, und ihre Schritte wurden immer langsamer. Endlich wurde der Hang flacher, und die Sicht erweiterte sich. Plötzlich lag keine Steigung mehr vor ihnen, nur ein grenzenloser Blick: sie hatten den Cho Oyu bezwungen!

Pasang, der den Gipfel als erster betreten hatte, kam Tichy und Jöchler entgegen, sein Pickel steckte im Schnee, und von ihm wehten die Flaggen Nepals und Österreichs. Auch er war zutiefst berührt und schluchzte wiederholt: "Der Gipfel, Sahib, der Gipfel!"

Über uns ist der unendlich blaue Himmel, wie eine Glocke senkt er sich tief um uns hinab. Das Erreichen des Gipfels ist großartig, aber die Nähe des Himmels überwältigend. Wenige Menschen sind ihm vor uns näher gekommen. Es ist der Himmel, der die halbe Stunde des Gipfels beherrscht!

Drei Uhr nachmittags war es geworden, und der bleiernen Müdigkeit zum Trotz erreichte die Gruppe glücklich wieder das Lager. An dieser Stelle muss besonders betont werden, dass die Besteigung ohne Sauerstoffgeräte durchgeführt wurde, zu einer Zeit, als dies noch nicht üblich war. Spätere Himalajaexpeditionen haben sich sehr wohl der Tatsache gerühmt, keinen Sauerstoff verwendet zu haben.

Das Gipfelerlebnis fasst Tichy in folgende Worte:
Ich weiß nicht, ob ich es ein zweites Mal erleben darf, dass Zeit und Raum zu einer Einheit werden, die der Erinnerung und den Wünschen keine Grenze zieht, sondern sie zu einem Erlebnis verschmilzt...

aus dem Buch "Aufbruch ins Unbekannte" von Hilde und Willi Senft

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Dr.-Karl-Renner-Preis
  • Jugendbuchpreis der Stadt Wien
  • Österreichischer Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur
  • Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
  • Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Silber
  • Goldene Ehrenzeichen für die Verdienste um das Land Wien

Werke (Auswahl)#

  • Zum heiligsten Berg der Welt, 1937
  • Alaska, Ein Paradies des Nordens, 1939
  • Indien, Kampf und Schicksal eines Fünftels der Menschheit, 1942
  • China ohne Mauer, 1948
  • Weiße Wolken über gelber Erde, Berlin 1948
  • Land der namenlosen Berge, Erste Durchquerung Westnepals,1954
  • Cho Oyu - Gnade der Götter, Berlin 1955
  • Menschenwege, Götterberge, Bilder meiner Reisen, 1960
  • Hongkong, Die Laune des Drachen, Wien 1961
  • Heiße Erde - Schwarze Hoffnung, 1964
  • Himalaya, 1968
  • Der weiße Sahib, 1970
  • Honig vom Binungabaum. Ein Jahr bei primitiven Stämmen, 1971
  • Tau-Tau, Bei Göttern und Nomaden der Sulu-See, 1973
  • Auf fernen Gipfeln, Wien 1976
  • Traumland Kenia, 1978
  • Was ich von Asien gelernt habe. Wege, in Weisheit glücklich zu leben, 1984

Weiterführendes#

Quellen#