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„Dieses Zerstörerische ist mir fremd“#

Jahrelang stand sie im Schatten ihres berühmten Vaters. Dann tanzte sie sich als Primaballerina in die Herzen des Wiener Publikums – und wurde mit 33 Jahren unsanft in Pension geschickt. Über die glanzvolle Karriere der Eva Petters. Und ihr großes Glück danach.#


Mit freundlicher Genehmigung der Wochenzeitung DIE FURCHE (Donnerstag, 17. Februar 2011)

Von

Doris Helmberger


Eva Petters
Eva Petters wird am 16. November 1971 als Tochter von Heinz Petters und seiner Frau Meieli geboren. 1987 wird sie Mitglied des Wiener Staatsopernballetts, 1993 Halbsolistin, 1996 Solotänzerin und 2000 1. Solotänzerin. Seit 2005 ist Petters offiziell im Ruhestand. Sie hat einen dreijährigen Sohn.
Foto: © Mirjam Reither

Sie war die begehrte Odette – und die abgründige Odile. Sie war das weiße Schwanenmädchen, an das Prinz Siegfried im Mondenlicht sein Herz verlor – und jenes schwarze Geschöpf, mit dem ihn Zauberer Rotbart auf dem Ball hinterging. 15 Mal schlüpfte sie an der Wiener Staatsoper zur Musik Peter Iljitsch Tschaikowskys in diese legendäre Doppelrolle, 15 Mal tanzte sie in „Schwanensee“ jenen herausfordernden Part, der die Karriere jeder Primaballerina krönt.

Es ist der 11. Jänner 1998, als Eva Petters diesen Punkt erreicht. Mit viel Glück im Gepäck: Weil zwei erste Solistinnen wegen Schwangerschaft und Verletzung ausgefallen sind, gibt Ballettdirektor Renato Zanella der Solistin Petters diese Chance. 47 Kilo wiegt sie bei der Premiere, fünf bis sieben Stunden pro Tag hat sie davor das Adagio der Odette und die 32 Drehungen („Fouettées“) der Odile trainiert. Nur mit größter Disziplin, körperlicher Fitness und mentaler Stärke war diese Tour de force zu bewältigen – von der rund zweistündigen Aufführung nicht zu reden. Als psychisches und physisches Wrack, wie es Natalie Portman in Darren Aronofskys Psychothriller „Black Swan“ verkörpert, wäre sie wohl schon nach einer halben Stunde eingeknickt.

Spielplatz statt Ballettsaal#

So sehr sie die schauspielerische und vor allem tänzerische Performance der US Schauspielerin beeindruckt: Im Film selbst über eine Ballerina, die sich so tief in die Rolle des schwarzen Schwans versenkt, bis Körper und Geist versagen, kann sich Petters kaum wiederfinden: „Dieses Zerstörerische ist mir fremd“, sagt die zarte 39-Jährige mit kräftiger Stimme und nimmt einen Schluck von ihrer Melange.

Wahrscheinlich hat das mit ihren Eltern zu tun; vor allem mit ihrer Mutter Meieli, einer Schweizer Balletttänzerin, die es bis zur Halbsolistin brachte. Doch als sie in Graz den jungen Ballett-Solisten und späteren Schauspieler Heinz Petters kennenlernte, entschied sie sich für ein Leben mit Familie.

Eigentlich die klassischen Zutaten für ein schwieriges Mutter-Tochter-Verhältnis, für eine Beziehung wie in „Black Swan“, in der die Mutter ihr frühes Karriere-Ende mit gnadenloser Förderung ihrer Tochter kompensiert. „Doch meine Mutter war genau das Gegenteil“, erzählt Eva Petters. „Sie war meine Unterstützung, mein Schatten, das Beste, was mir passieren konnte.“

Statt das Mädchen in die Ballettschule zu schleifen, schickt es die Mutter mit dem älteren Bruder auf den Spielplatz. Statt die gesamte Wohnung mit Erinnerungsfotos und Schwanensee-Platten zu pflastern, räumen die Eltern alles Einschlägige aus dem Blick. Umsonst: Eine einzige „Nussknacker“-Übertragung im Fernsehen reicht, um die Ballett- Leidenschaft der Tochter zu wecken.

Foto: © Mirjam Reither
Foto: © Mirjam Reither

Die Kleine ist nicht zu bändigen: Nachmittags hüpft sie in ihrem „Tütü“ durch den Garten oder begleitet ihren Vater zu den Proben. „Ich bin im Volkstheater quasi aufgewachsen“, sagt sie heute über diese Zeit, „und wenn mich jemand gefragt hat, habe ich einfach gesagt: „Ich bin die Tochter vom Petters.“ Diese Definition über ihren berühmten Vater habe freilich auch Schattenseiten gehabt: Etwa damals im Ballettgymnasium der Österreichischen Bundestheater, wo sie als Prominenten-Kind und Klassenbeste nicht selten angefeindet wurde; oder auch später, als manche hinterrücks behaupteten, sie hätte diese oder jene Rolle nur deshalb bekommen, weil sie „die Kleine vom Petters“ sei. „Aber irgendwann hat mich mein Vater nach einer Vorstellung abgeholt und gemeint: „Jetzt hast du es geschafft“, erzählt die Tänzerin lächelnd. „Ein Mann hat ihn einfach gefragt: „Sind Sie der Vater von der Petters?“

Es ist jene Zeit, als die Ballerina alles erreicht hat, was es in der Welt des Balletts zu erreichen gibt: Sie ist erste Solotänzerin an der Wiener Staatsoper und tanzt beim Neujahrskonzert, sie ist Wunschpartnerin von Vladimir Malakhov – und der Liebling des Publikums. Bis im Jahr 2005 plötzlich alles anders wird.

Im Zuge von „Umstrukturierungsmaßnahmen“ werden Eva Petters und andere österreichische Mitglieder der 85-köpfigen Ballettkompanie einfach in den Ruhestand versetzt. Die 33-jährige Tänzerin überlegt den Klagsweg, sieht aber schließlich davon ab. „Das war schlimm damals“, meint Eva Petters rückblickend. Noch heute verfolge sie dieses Ereignis im Traum.

Tanzen in der „Pensionisten-Gang“#

Und doch hat sie dadurch völlig neue Seiten des Lebens kennengelernt. Heute kann sie sich abends auch einmal ein Bier genehmigen, ohne sich sorgen zu müssen, ob sie am nächsten Morgen noch in ihr „Tütü“ passt; heute, als Mitglied des „Vienna Waltz Projekt“, der „Pensionisten-Gang“ der unsanft in den Ruhestand Geschickten, kann sie tanzen, wo und wie es ihr gefällt. Vor allem aber hat sie Zeit, sich um das Allerwichtigste zu kümmern: ihren dreijährigen Sohn. „Dass ich diese Karriere machen konnte und mich jetzt um mein Kind kümmern kann“, sagt die Schwanenprinzessin von einst, „das ist das größte Glück, das es gibt.“

DIE FURCHE, 17. Februar 2011


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