Sikandra#
Das hinduistische und das islamische Indien reichen sich hier im Grabmal des Moguls Akbars des Großen die Hände#
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Die Aufnahmen erfolgten durch den Verfasser in den Jahren 1974, 1977 und 2001. Sie sind Teil des Archivs Bilderflut Jontes. Etliche Bilder haben insoferne historischen Charakter als die Obergeschoße heute für Besucher konsequent gesperrt sind.
Am Beginn des 16. Jahrhunderts gelang es einer islamischen aus Zentralasien vertriebenen Dynastie, im Norden Indien Fuß zu fassen, Hindukönigreiche und Fürstentümer sich einzuverleiben und dann Jahrhunderte lang als Moguln die Herrschaft auszuüben. Dieser Name lässt noch durchklingen, dass es sich um Nachkommen von muslimisch gewordenen Teilen des mongolischen Reiches nach Dschingis Khan handelte.
Unter den Herrschern dieser Familie, die auf dem Gebiete des heutigen Indiens und Pakistans regierte, ragte Jalal du-Din Mohammed hervor, der schon zu Lebzeiten als Akbar genannt wurde, was „der Große“ – eigentlich arabisch „der Größere“ – bedeutet. Er war der Sohn des Moguls Humayun, lebte von 1542 bis 1605 und regierte von 1561 bis zu seinem Tod. Er ist in einem der prächtigsten Grabpaläste des islamischen Indiens beigesetzt
Akbar hatte als machtvoller Feldherr viele Gebiete zur Vergrößerung seines Reiches erobert, die weitgehend von Hindus bewohnt waren. Zwar traten viele davon zum Islam über, denn dadurch konnte man die engen Kastenschranken der Hindugesellschaft sprengen und sich religiös gleichberechtigt mit den neuen Herren fühlen. Doch die Masse tat dies nicht. Es zählt zu den großen Leistungen Akbars, dass er die neuen Gebiete durch religiöse Toleranz großmütig an sich band. An seinem Hof in Agra führte er vielfältige Dialoge mit Vertretern anderer Bekenntnisse, Buddhisten und Hindugelehrte beteiligten sich ebenso daran wie portugiesische Jesuiten, die aus Goa kommend an seinem Hofe aus und ein gingen. Weitere Handlungen zum Nutzen seiner nichtmuslimischen Untertanen war die Abschaffung der drückenden Ungläubigensteuer und dass er sogar als erster seiner Dynastie eine Hinduprinzessin heiratete. Man darf allerdings auch nicht übersehen, dass Akbar auch entsetzliche Grausamkeiten und Massaker verüben ließ, wenn es um unbotmäßige Untertanen oder Aufstände ging.
Er vermeinte auch, eine zusätzliche Harmonisierung der Gesellschaft seines Reiches zu erreichen, indem er eine eigene, philosophisch begründete Religion gründete. Diese wurde persisch als Din-i ilahi „Religion Gottes“ genannt, die eigenartiger Weise auch einen Sonnenkult umfasste. Persisch war die Hofsprache unter den Moguln und in den zentralasiatischen Khanaten. Dieses synkretistische Bekenntnis existierte aber eigentlich nur an seinem Hof und überlebte seinen Gründer nicht.
Seine letzte Ruhestätte befindet sich in dem Orte Sikandra in einem großen Parkareal zehn Kilometer nordwestlicher seiner Haupt- und Residenzstadt Agra. Der Bau wurde schon zu Akbars Lebzeiten begonnen und sicherlich sind auch Ideen über die Gestaltung von ihm eingegeplant worden. Allein, erst unter seinem Nachfolger Jehangir wurde die Grabanlage 1613 vollendet.
Der Torbau hat einen großen Iwan-Bogen, seitliche Emporen und vier Scheinminarette. Er ist aus rotem Sandstein und weißem Marmor gebaut und seine Schaufassade mit Einlegearbeiten im Sinne von Pietra dura aus Sandstein, Marmor und einem grünblauen Schiefer verziert. Großzügiger flächendeckender Dekor besteht aus geometrischen und floralen Elementen sowie Inschriften in arabischer Schrift.
Die Fassade des Torbaues ist vollständig mit Stein in Stein eingelegten Ornamenten bedeckt, die zum Teil so angelegt sind, dass sie sich nach allen Richtungen bis ins Unendliche verlängern ließen. Da im Islam die bildliche Darstellung von Mensch und Tier, in vermindertem Ausmaße auch von Pflanzen und Blumen verboten ist, hat sich in der Kunst eine ungemein verfeinerte Ornamentik und Kalligraphie entwickelt, die sich durch technisch und handwerklich unübertreffliche Steineinlegearbeiten und Steingutfliesenmalerei zeigt. Die Mogulkunst orientierte sich vor allem an Persien. Und das große Angebot verschiedener Gesteine in Rajasthan tat dazu ein übriges.
Vom Torbau führt ein breit angelegter Weg durch den Park zum Grab
Den weiträumigen Park bevölkern Tiere darunter die hier wohlgesitteten und schönen Hanuman-Languren mit ihren klugen Gesichtern.
Die Moguln bauten ihre Herrschergräber nicht nur aus einem fernen Reflex über ihre einstige und schon Generationen zurückliegende Wüstenvergangenheit. Solche Bahishtabad (persisch „Stätte des Paradieses“) genannten Gärten waren auch eine Wirklichkeit gewordene Anspielung auf das Paradies, welches der Quran den Gläubigen im Jenseits in Aussicht stellt. Akbars Park hat eine Fläche von 690 mal 690 m.
Und im Zentrum dieser irdischen Gartenseligkeit liegt die Grabstätte Akbars. Auf dem Obergeschoß, das nicht überdacht, sondern von zierlich durchbrochenen Marmorschranken umgeben ist, die den Blick ins Grün des Parks ermöglichen, steht der leere Sarg, ein Kenotaph.
Islamische Begräbnissitten gebieten es, dass der Leichnam nur in ein Leichentuch gehüllt, ohne Sarg und Grabbeigaben, in der Erde bestattet wird. Bei Gräbern im Architekturverband wird man deshalb das, was man für den Sarg des Toten hält, immer nur leer antreffen, während die sterbliche Hülle tief unten im Erdreich liegt. Der marmorne Kenotaph Akbars ist trotzdem hervorgehoben. Er steht genau über der Stelle in der Mitte des Baues, wo tief unten seine Überreste unter einer Gruft ruhen, und ist mit Ornamenten und Sprüchen in arabischer Kalligraphie geschmückt. Man liest am Kopf ein Allah-hu akbar (arab. „Gott ist der Größere“) und Jalla-jalalahahu („Möge sein Ruhm glänzen“). An den Seiten sind die 99 Namen Allahs eingemeißelt.
Ein kleiner Pfeiler steht heute einsam vor dem Sarkophag. Auf ihm soll einer Überlieferung nach der größte je bekannt gewordene Diamant, der Koh-i-Nûr (pers. „Berg des Lichts“), ausgestellt gewesen sein. Akbars Nachfolger Jehangir hat ihn nachweislich besessen. Er hat vielfältige Schicksal erlebt, eher er nach Teilung und neuem Schliff in die Kronjuwelen Großbritanniens in London eingefügt wurde.
Das Innere mit der Gruft ist Besuchern heute verschlossen. Man kann nur in eine kleine Vorhalle eintreten, die mit Wandmalereien in bunter Pracht geschmückt ist
Der eigentliche Grabbau fällt baulich auch dadurch auf, dass er keine zentrale Kuppel aufweist, wie sie die von Persien her inspirierte Mogularchitektur sonst mit Vorliebe zeigt. Er hat mit 105 m eine enorme Seitenlänge und ragt fünf Geschoße empor.
Die sonst übliche zentrale Kuppel fehlt zwar. Dafür aber sind die obersten Geschoße durch kleine funktionslose Kioske mit Kuppeln geschmückt, denen in der hinduistischen Baukunst Ehrenschirme, die Chhatris entsprechen.
Großzügige Galerien bilden das Untergeschoß des Grabbaues. Schattende Kühle macht hier den sommerlichen Sonnenglast erträglicher