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Der Teamgeist verblasste am Ende#

Ein langjähriger Weggefährte des Altkanzlers beschreibt Verdienste und Versäumnisse der Ära Kreisky#


Mit freundlicher Genehmigung der Wiener Zeitung (Freitag, 21. Jänner 2011)

Von

Hannes Androsch


  • Kreisky hat den Zeitgeist erkannt und genutzt. Entgegen dem internationalen Trend prosperierte Österreich.


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Am 21. April 1970 schritt Bruno Kreisky mit seinem Regierungsteam über den Ballhausplatz zur Angelobung (neben Kreisky Vizekanzler Rudolf Häuser). Elf Jahre später, am 20. Jänner 1981, verabschiedete sich Hannes Androsch im Ministerrat und gratulierte dem Kanzler noch zu seinem bevorstehenden Geburtstag. Foto: Votava
Bruno Kreisky war 16 Jahre lang Parteivorsitzender und 13 Jahre lang Bundeskanzler von Österreich. In dieser Zeit gewann er fünf Nationalratswahlen, davon drei – bei hoher Wahlbeteiligung – mit absoluter Mehrheit. Schon diese Fakten dokumentieren in der nunmehr bald 70-jährigen Geschichte der Zweiten Republik eine außergewöhnliche Zeitspanne.

Diese Periode fand vor dem Hintergrund großer historischer Veränderungen statt: Zweites Vatikanisches Konzil, Vietnamkrieg, Prager Frühling und seine Zerstörung durch den Panzerkommunismus, Studentenrevolten in Paris und um den Erdball, erste Mondlandung im Juli 1969.

Kreisky hat den Zeitgeist dieser Entwicklung erkannt und erfolgreich zu nutzen verstanden, indem er etwa zusammen mit Kardinal König eine Verständigung mit der römisch-katholischen Kirche fand; oder mit der "Eisenstädter Erklärung", durch unzweideutige Distanzierung vom Kommunismus, die "Rote Katze" endgültig in die politische Mottenkiste verbannte und den Habsburg-Kannibalismus seiner Partei beendete.

Beginnend mit der ökonomischen Versammlung und dem daraus erwachsenen Wirtschaftsprogramm hat er erfolgreich Wirtschaftskompetenz gezeigt, zusammen mit der Erstellung zahlreicher anderer Programme wurde eine breite Konzeption zur Gestaltung der Zukunft erarbeitet.

Die Einbeziehung vieler Außenstehender hat es diesen ermöglicht, wie er sie einlud, ein Stück des Weges mit ihm und in der Folge seinem Team gemeinsam zu gehen. Daraus ergab sich neben den Fehlern der ÖVP-Alleinregierung der Wahlerfolg des 1. März 1970. Dieser ermöglichte ihm durch die vor allem mit der Südtirol-Frage gepflogenen Beziehungen und den Erfolgen derselben zunächst eine Minderheitsregierung und infolge zwölf Jahre lang eine Alleinregierung zu bilden.

Erfolge und Misserfolge#

Wirtschaftlich ging das ein Vierteljahrhundert dauernde Goldene Zeitalter der Prosperität zu Ende. Es war auf billiger Energie, vor allem Erdöl, aufgebaut. Im Herbst 1973 fand der erste Ölpreisschub statt. Das stabile Wechselkurssystem wurde von Präsident Nixon beendet. Es folgten ein Wachstumsknick und eine Periode der Stagflation.

Sie löste einen Paradigmenwechsel in der wirtschaftspolitischen Orientierung von Keynes zu Friedman aus, repräsentiert durch die Wahlerfolge von Thatcher und Reagan. Aufgrund ihrer Politik fand im Iran ein Machtwechsel statt, der zum ersten Golfkrieg führte.

Dennoch gelang es Österreich, mit einer Mischung aus – wie es später genannt wurde – Austrokeynesianismus und Austromonetarismus unter den schwierigen Umständen einen erfolgreichen wirtschaftlichen Weg zu beschreiten, den nur wenig Kundige mit Schuldenpolitik zu diskreditieren versuchten. International sah man dies schon damals völlig anders.

Die Folge waren steigende Prosperität und ein geräumiger Wohlstand mit mehr sozialer Gerechtigkeit. Eine Fülle von Reformen in einer Vielzahl gesellschaftlicher Bereiche erzeugte eine Aufbruchsstimmung, machte Österreich moderner, weltoffener, liberaler und europareif. Als Beispiele hierfür seien die Bildungspolitik angeführt, die Reformen des Familienrechts und des Strafrechts vor allem als Ausdruck der Emanzipation und Gleichstellung der Frauen, Reformen im Steuerrecht wie in der Landesverteidigung, die Einführung des Mutter-Kind-Passes wie der freien Schulfahrten und vor allem der Gratisschulbücher, oder Reformen im Umweltbereich mit der Wiederherstellung der Wasserqualität in allen österreichischen Seen, der Aufforstung oder der Bergbauförderung.

Nicht in allen Bereichen stellte sich der gleiche Erfolg ein. Dazu gehört die Energiepolitik mit Zwentendorf oder in späterer Folge mit Hainburg oder Dorfertal. Schwächen zeigten sich auch in der Strukturverbesserung – nicht nur, aber vor allem – der verstaatlichten Industrie oder bei der Sicherstellung nachhaltiger Finanzierung des Wohlfahrtsstaates und dabei vor allem der Pensionen oder bei der Reform des Gesundheits- und Spitalswesens.

Schwieriges Ende#

Sein zunehmend schlechterer Gesundheitszustand hat ihm die Arbeit – und seinen Mitarbeitern die Zusammenarbeit – schwieriger gemacht. So wurde aus dem Motto "Lasst Kreisky und sein Team arbeiten" der egozentrische Slogan "Kreisky, wer sonst".

So sehr seine Zeit erfolgreich war und im Bewusstsein der entsprechenden Altersjahrgänge geblieben ist, die meinten, ohne diese Entwicklungen hätten sie ihren erfolgreichen Lebensweg nicht beschreiten können, war gesundheitsbedingt sein letzter Lebensabschnitt kein glücklicher. Dennoch hat diese Zeit in vielen Bereichen die Entwicklung unseres Landes geprägt, sind die Reformen selbstverständlicher Bestandteil unserer Gesellschaft und Wirtschaft geworden. Dies erklärt auch, wieso sein 100. Geburtstag berechtigterweise so große Aufmerksamkeit findet.

Zur Person des Autors#

Dr. Hannes Androsch war von 1967 bis 1981 Abgeordneter zum Nationalrat, von 1970 bis 1981 Finanzminister und von 1976 bis 1981 Vizekanzler unter Bruno Kreisky. Es gab häufig Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden. Wegen Unvereinbarkeit – der Finanzminister war zugleich Teilhaber der florierenden Steuerberatungskanzlei Consultatio, die unter anderem Aufträge staatseigener Unternehmen erhielt – entließ ihn Kreisky schließlich aus der Regierung. Ihm folgte Herbert Salcher, der bereits seit 1997 Gesundheitsminister war, nach.

Wiener Zeitung vom 21. Jänner 2011

Weitere Beiträge von Dr. Androsch zu Kreisky in dessen Biographie .


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