Kreisky bat um ein Stück des Wegs#
Am 1. März 1970 gewann die SPÖ die Wahlen - Bruno Kreisky begann die Modernisierung Österreichs#
Von der Wiener Zeitung (Freitag, 26. Februar 2010) freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
Von
Brigitte Pechar
FPÖ ermöglichte eine Minderheitsregierung. 1400 Experten arbeiteten für die SPÖ Programme in allen Bereichen aus.#
"Zum Sehen geboren, / Zum Schauen bestellt, / Dem Turme geschworen, / Gefällt mir die Welt." Mit diesem Lied des Türmers aus "Faust II" fasst Bruno Kreisky in seinen Memoiren sein Leben zusammen.
Am Montag, dem 1. März, jährt sich zum 40. Mal Kreiskys Wahlsieg. Zum ersten Mal übernahmen die Sozialdemokraten – damals noch die Sozialisten – die alleinige Macht im Staat. Mit 48,4 Prozent bildete Kreisky – nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP – eine in Österreich unbeliebte Minderheitsregierung. Unter Duldung der FPÖ. Im Gegenzug hat Kreisky der FPÖ eine Wahlrechtsreform versprochen: Die 25 Wahlkreise wurden auf die neun Bundesländer verkleinert, aus vier Wahlkreisverbänden wurden zwei. Damals wurde auch die Zahl der Abgeordneten auf 183 erhöht. Mit dieser Reform wurde der Niedergang der FPÖ gestoppt, sie hat aber auch der SPÖ genützt.
Für Kreisky, der die SPÖ zuvor in der Opposition darauf vorbereitet hatte, dass sie auch eine Partei für schöne Zeiten sein müsse, war die Minderheitsregierung nur ein Mittel, um zur absoluten Mehrheit zu gelangen. Es gelang ihm, 1400 Experten ins Boot zu holen und mit ihnen Programme für die wesentlichen Lebensbereiche auszuarbeiten: „Besser wohnen, besser leben, bessere Bildung, besseres Gesundheitswesen, bessere Justiz“, nannte das Kreisky. Intellektuellen und SPÖ-Skeptikern bot er an, "ein Stück des Weges" mit ihm zu gehen. Sein Ziel war die "Durchflutung aller Lebensbereiche mit Demokratie". Tatsächlich schaffte die SPÖ im Oktober 1971 mit dem Slogan "Lasst Kreisky und sein Team arbeiten" die absolute Mehrheit und regierte fortan bis 1983 absolut.
Ein Jahrzehnt der Reformen#
Noch in der Minderheitsregierung setzte Kreisky mit seinem Team, dem an prominentester Stelle Hannes Androsch (Finanzminister), Hertha Firnberg (Wissenschaftsministerin), Rudolf Häuser (Sozialminister) und Christian Broda (Justizminister) angehörten – später kam Johanna Dohnal dazu – versprochene Vorhaben um. Aus dem Slogan "Sechs Monate sind genug" wurden schließlich aber sechs Monate (statt bis dahin neun Monate) Grundwehrdienst plus 60 Tage Waffenübungen.
Wesentlich für viele war die Einführung der Schülerfreifahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Nicht nur Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer verdankte Kreisky den Weg an eine AHS. Erstmals konnten Kinder aus bildungsfernen Schichten in größerer Zahl an die höheren Schulen strömen. Später kam noch die Schulbuchaktion hinzu. Die Abschaffung der AHS-Aufnahmeprüfung, der Studiengebühren, des Schulgeldes, die Herabsetzung der Volljährigkeit von 21 auf 19 Jahre und die Einführung eines „Startgeldes“ für Ehepaare von 15.000 Schilling folgten. Und Broda konnte die kleine Strafrechtsreform mit der Legalisierung homosexueller Beziehungen unter Erwachsenen umsetzen – als Vorstufe zur großen Reform.
Kreisky, der ein guter Zuhörer war – seine Telefonnummer stand im Telefonbuch –, nutzte aber auch als erster Bundeskanzler die Macht der Medien. In den Wahlkämpfen brachte er sich selbst ein, besprach die Plakate und er führte das seither beliebte Pressefoyer nach dem Ministerrat ein.
Alle Bevölkerungsschichten wurden bedient. Mit der Umwandlung der Kinderbeihilfe von einer Steuererleichterung in eine Direktzahlung bekamen viele Bäuerinnen erstmals Geld in die Hand. Die Geburtensterblichkeit wurde durch die Einführung des Mutter-Kind-Passes erheblich gesenkt, auch deshalb, weil die Auszahlung des Geburtenzuschusses an Untersuchungen gebunden war.
Aussöhnung mit der katholischen Kirche#
Die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs, die von den Sozialdemokraten schon in der Zwischenkriegszeit gefordert wurde, wurde nach heftigen Auseinandersetzungen schließlich 1973 beschlossen. Die ÖVP hatte auf einer Indikationenlösung bestanden, wogegen sich aber auch Ärzte wie Alfred Rockenschaub aussprachen.
Die Auseinandersetzungen über die Fristenlösung haben das Verhältnis des Agnostikers Kreisky zur katholischen Kirche – die Beziehungen zwischen Kirche und SPÖ waren noch aus der Zwischenkriegszeit schwer belastet – nicht gerade verbessert. Kreisky gelang es, mit Kardinal Franz König eine Aussöhnung herbeizuführen. Eine Aussöhnung mit Simon Wiesenthal verweigerte Kreisky bis zum Schluss.
Weniger gut war Kreiskys Verhältnis zur Ökologiebewegung. Zwar ging der Beschluss zum Start eines Nuklearprogramms auf die späten 1960er Jahre zurück, die SPÖ war es aber, die das Projekt Zwentendorf realisieren wollte. Nach heftigen Auseinandersetzungen entschloss sich Kreisky zu einem Referendum und verband dieses mit seinem Verbleib in der Politik. Die Bevölkerung stimmte mit knapper Mehrheit (50,5 Prozent) dagegen, der Nationalrat beschloss noch im Dezember 1978 einstimmig das „Atomsperrgesetz“ – Kreisky blieb und fuhr 1979 seinen größten Sieg mit 51,03 Prozent ein.
Die schwierigeren 80er Jahre zeigten die Grenzen der Politik bei der Vollbeschäftigung auf. Die Arbeitslosigkeit wuchs, die Verstaatlichte wankte und Kreisky brauchte Geld für das Budget, um den ausgebauten Wohlfahrtsstaat finanzieren zu können. Das Mallorca-Paket (genannt nach seinem Feriensitz) mit einer höheren Mehrwertsteuer wurde geschnürt. Die Bevölkerung zog aber nicht mehr mit. Der Glanz des Sonnenkönigs verblasste und die SPÖ sackte bei der Wahl 1983 auf 47,65 Prozent ab. Kreisky trat ab und übergab an Fred Sinowatz, der mit der FPÖ eine Koalition bildete.