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Langzeitstudie an Kindern über Lernen im Schlaf#

Wer gut schläft, lernt besser. Das hat jetzt eine Langzeitstudie an Schülern bestätigt. Konkret haben Salzburger Schlafforscher um Kerstin Hödlmoser in einem 8-Jahres-Vergleich herausgefunden, dass für das Festigen von Informationen im Schlaf ein ganz bestimmtes Hirnstrommuster eine Schlüsselrolle spielt.#

Kerstin Hödlmoser
Kerstin Hödlmoser
Foto: Kolarik

Schüler, bei denen sich die sogenannten „schnellen Schlafspindeln“ vom Kindes- bis zum Jugendalter stärker entwickeln, zeigen deutlich bessere Gedächtnisleistungen. Sie konnten sich vokabelähnliche Wortpaare leichter merken. Die schnellen Schafspindeln scheinen demnach ein biologischer Marker für eine erfolgreiche Gedächtniskonsolidierung zu sein. Begünstigt werden sie durch einen erholsamen Schlaf. Die vom FWF geförderte Studie wurde Ende Mai 2018 vom Journal „Developmental Science“ akzeptiert. Ende Mai 2018 trat Hödlmoser im Rahmen des Fulbright Programms einen Forschungsaufenthalt an der renommierten University of California, Berkeley, an.

Was wir tagsüber lernen, muss erst im Schlaf gefestigt werden. Damit das Wissen im Kopf bleibt, ist also der richtige Schlaf entscheidend. Im Schlaf wird Gelerntes vom Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis umstrukturiert, Experten sprechen von Gedächtniskonsolidierung. Was genau aber passiert während dieser Gedächtniskonsolidierung, die vor allem im Schlaf stattfindet?

Ein zentraler Mechanismus sind die sogenannten Schafspindeln. Das sind periodisch auftretende, ungefähr eine Sekunde lang andauernde Hirnstrommuster, die vor allem im Leichtschlaf (Non-REM Schlafstadium 2) vorkommen. Es handelt sich um Gehirnschwingungen in einem Frequenzbereich zwischen 11 und 16 Hertz. Während der Zeit ist das Gehirn völlig mit sich selbst beschäftigt und speichert Neues ins Gedächtnis ab. Schlafspindeln heißen sie deshalb, weil sie ein Muster bilden, das im EEG (Elektroenzephalogramm) so ausschaut wie eine Wollspindel aus dem Märchen „Dornröschen“. Die Universität Salzburg ist ein Hotspot der Schlafspindelforschung. Salzburger Schlafforscher waren weltweit unter den ersten, die die Schlafspindeln bei Kindern untersucht haben.

Im Jahr 2008 hat ein Team um Kerstin Hödlmoser vom Zentrum für kognitive Neurowissenschaft bzw. dem Labor für Schaf-, Kognition und Bewusstseinsforschung im Rahmen eines FWF-Hertha-Firnberg-Projekts mit 67 Salzburger Mädchen und Buben im Alter zwischen 8 und 10 Jahren (3. und 4. Volksschulklasse) eine Studie zum Zusammenhang zwischen Schlafspindeln und Gedächtnisleistung durchgeführt. Dieselben Kinder wurden nun acht Jahre später wieder getestet. 36 machten erneut mit. „Bisher gibt es in der Schlafforschung fast nur Querschnittstudien, das heißt eine oder mehrere Personen werden eine Nacht oder mehrere Nächte lang beobachtet. Das ergibt Momentaufnahmen. Wir aber haben ein- und dieselben Kinder über einen langen Zeitraum beobachtet, von 2008 bis 2016. Das zeigt ein interessantes Verlaufsbild.“

Hödlmoser erklärt das Studiendesign: „Bei unserem zweiten Messzeitpunkt 2016 wurde alles genauso gemacht wie bei unserem ersten Messzeitpunkt 2008. Wir haben die inzwischen pubertären bzw. nachpubertären Kinder zu Hause besucht. Drei Mal. Wir haben sie mit einem ambulanten EEG verkabelt und mit ihnen in ihrer gewohnten Umgebung Wortpaare gelernt. Das ist so ähnlich wie Vokabellernen. Am nächsten Tag haben wir die Jugendlichen wieder getroffen und abgeprüft.“

Und was ist ein Kernergebnis der Langzeitstudie? Man müsse unbedingt zwischen zwei Arten von Schlafspindeln differenzieren, den schnellen und den langsamen, sagt Hödlmoser. Für die Gedächtniskonsolidierung kommt es insbesondere auf die schnellen Schlafspindeln an. Das sind Gehirnschwingungen im Frequenzbereich zwischen 13 und 15 Hertz. Mädchen und Buben, die vom Kindes- bis zum Jugendalter eine stärkere Entwicklung der schnellen Spindelaktivität aufweisen, tun sich bei Lernaufgaben leichter. Sie merken sich Wortpaare besser, hat die Studie gezeigt. Wobei die Gedächtnisleistung eine recht stabile Eigenschaft ist. „Die schnellen Schlafspindeln scheinen ein biologischer Marker zu sein für das Gedächtnis und die Einspeisung von neu gelernten Informationen. Die langsamen Spindeln hingegen, die sich in einem Frequenzbereich von 11 bis 13 Hertz bewegen, beziehen sich nicht auf Lerninhalte, sondern auf allgemeine kognitive Fähigkeiten“, resümiert Hödlmoser.

Doch wie kann man sich erklären, dass gerade die schnellen Spindeln eine gute Merkfähigkeit bewirken? „Die schnellen Schlafspindeln sorgen dafür, dass die Kommunikation innerhalb des Gehirns besser funktioniert. Sie entstehen im thalamo-kortikalen Kreislauf, und wenn dieser Kreislauf, diese Vernetzung gut funktioniert, funktioniert auch die Gedächtnisbildung im Schlaf besser,“ so Hödlmoser.

Bleibt die Frage, ob sich die schnellen Schlafspindeln gezielt fördern lassen? „Teilweise ist die Entstehung der Schlafspindeln genetisch bedingt, im Babyalter gibt es noch kaum schnelle Schlafspindeln, im Jugendalter reifen sie aus. Begünstigt werden sie aber ganz klar durch eine gute Schafarchitektur, das heißt durch einen erholsamen Schlaf. Nicht so wichtig ist, wann ich schlafe und wie lange ich schlafe. Jedes Kind und jeder Mensch hat ein unterschiedliches Schlafbedürfnis, das meist zwischen 6 und 10 Stunden liegt. Man kann die Schlafspindeln nicht gezielt steigern, aber damit sie auftreten, ist ein ungestörtes Einschlafmoment wichtig.“ Auch ein kurzes Mittagschläfchen kann, wie Studien zeigen, der Gedächtniskonsolidierung zuträglich sein.

Hinderlich für problemloses Einschlafen und damit für die Gedächtniskonsolidierung ist hingegen, sich unmittelbar vor dem Zubettgehen intensiv mit dem Smartphone zu beschäftigen. Nicht nur, dass das oft emotional aufregt, sondern die starken Blauanteile des Lichts, mit dem Leuchtdioden diese Geräte beleuchten, sind auch wahre Schlafräuber. Blaulicht signalisiert nämlich der inneren Uhr, dass es Tag ist. Es unterdrückt das Hormon Melatonin das den Körper zur Ruhe kommen lässt. In einer neuen Studie plant Kerstin Hödlmoser elektrophysiologisch zu untersuchen, wie sich die Handynutzung in den letzten zwei Stunden vor dem Zubettgehen auf die Schlafspindeln und die Gedächtniskonsolidierungsleistung bei Jugendlichen auswirkt.

Ende Mai 2018 hat sich Hödlmoser an der Universität Salzburg erfolgreich habilitiert und trat im Rahmen des renommierten Fulbright Programms einen viermonatigen Forschungsaufenthalt bei Professor Matthew Walker an der University of California, Berkeley an. Matthew Walker ist ein Pionier in der Schlafforschung. Hödlmoser wird mit ihm gemeinsam zum Thema Schlaf und motorisches Lernen forschen und eine Kollaboration aufbauen.

Frau Hödlmoser ist während ihres Forschungsaufenthalts in Berkeley gut per Skype und Telefon und sowieso per Email erreichbar (skypename: schlafkerst, phone: 01 (510) 502 8827; whatsapp: 0043 650 5983523; Email: kerstin.hoedlmoser@sbg.ac.at)

Publikation: #

Hahn, M., Joechner, A., Roell, J., Schabus, M., Heib, D.P.J., Gruber, G., Peigneux, P. Hödlmoser, K. (accepted). Developmental Changes of Sleep Spindles and their Impact on Sleep-Dependant Memory Consolidation and General Cognitive Abilities. Developmental Science.

Kontakt: #

Ass.-Prof. Mag. Dr. Kerstin Hödlmoser, Fachbereich Psychologie, Centre for Cognitive Neuroscience, Laboratory for Sleep, Cognition & Consciousness Research, Universität Salzburg, Hellbrunnerstraße 34, 5020 Salzburg, t.: 0662 8044-5143; kerstin.hoedlmoser@sbg.ac.at; Laboratory for Sleep & Consciousness Research

Derzeit: Fulbright-Research-Fellow @ Prof. Walker's lab Berkeley Psychology Department, University of California