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Risiko unterschätzt#

ForscherInnen der Universität Graz zeigen, dass kleinräumige Extremniederschläge unzureichend erfasst werden#

Grafik Untersuchungsgebiet in Südostösterreich
Das Untersuchungsgebiet in Südostösterreich schließt über 150 Stationen des WegenerNet Feldbachregion (grüne Punkte) sowie das umliegende Messnetz von ZAMG und Hydrografischem Dienst (AHYD) ein. Das bietet einmalige Analysemöglichkeiten. Grafik: Schröer et al. GRL 2018

Im Sommer häufig zu beobachten: Während an einem Ort ein starker Gewitterregen niedergeht, bleibt es drei Kilometer weiter trocken. „Kleinräumige Extremniederschläge werden mit der Klimaerwärmung intensiver“, weiß Gottfried Kirchengast, Leiter des Wegener Center der Universität Graz. Die heftigen Regengüsse führen immer wieder zu Überflutungen, Vermurungen, Hangrutschungen und enormen Schäden. Für wirksame Schutzmaßnahmen ist eine zuverlässige Risikoeinschätzung essenziell, und genau dafür orten ForscherInnen des Wegener Center klares Verbesserungspotenzial. In einer soeben im renommierten Fachjournal Geophysical Research Letters erschienenen Arbeit zeigen sie auf, dass kurzzeitige kleinräumige Extremniederschläge von den üblichen Wetterdienst-Messnetzen, deren Stationen rund zehn Kilometer oder mehr voneinander entfernt sind, nur mangelhaft erfasst werden. „Das hat zur Folge, dass auch Modelle und Prognosen die über kleinen Gebieten zu erwartenden Regenmengen oft stark unterschätzen“, erklärt Kirchengast. Den AutorInnen der Studie gelang es erstmals, den Grad der Unterschätzung in Abhängigkeit von der Stationsnetzdichte zu berechnen, um diese Resultate in Zukunft bei der Risikobewertung und Extremwettermodellierung nutzen zu können.

Für die bahnbrechende Analyse stützten sich die KlimaforscherInnen primär auf die Aufzeichnungen des WegenerNet, das mit seiner weltweit einzigartigen, langjährig angelegten Messdichte die neuen Ergebnisse ermöglicht hat. Rund 150 Stationen in der südoststeirischen Region Feldbach sind jeweils nur ein bis zwei Kilometer voneinander entfernt und zeichnen seit 2007 im Fünf-Minuten-Takt Daten zu Temperatur, Niederschlag und weiteren wichtigen Klimagrößen auf. Die Stationen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) sowie des Österreichischen Hydrografischen Dienstes lieferten wertvolle ergänzende Daten für das südostösterreichische Untersuchungsgebiet der Arbeit.

„In unserer Studie haben wir die räumliche Dichte der Messungen sukzessive ausgedünnt – von einem Kilometer bis auf 30 Kilometer Stationsabstand. Dabei haben wir entdeckt, dass der maximale Flächenniederschlag bei einer Ausdünnung von einem auf fünf Kilometer bereits um die Hälfte unterschätzt wird, bei zehn Kilometern sogar um zwei Drittel“, berichtet Katharina Schröer, Erstautorin der Publikation und Mitglied des Doktoratskollegs Klimawandel der Universität Graz.

Diese Gesetzmäßigkeit gilt im Speziellen für die landschaftlichen und klimatischen Bedingungen des Alpenvorlandes sowie ähnlicher Gebiete der Erde, wo an heißen Sommertagen die typischen hoch aufquellenden Gewitterwolken entstehen. Da wärmere Luft auch mehr Wasserdampf halten kann, führt das insgesamt zu intensiveren Niederschlägen. Wie die ForscherInnen kürzlich für Südostösterreich herausfanden und in der Fachzeitschrift Climate Dynamics berichteten, nimmt die Intensität der kurzzeitigen Extremniederschläge mit jedem Grad Anstieg der Tagesmitteltemperatur um etwa neun bis 14 Prozent zu. „Nun ist beispielsweise in der Südoststeiermark seit den frühen 1970er-Jahren die durchschnittliche Sommertemperatur von rund 18 auf 21 Grad Celsius gestiegen und damit auch die Tagesmitteltemperatur. Wir erwarten also, dass sich mit dem Klimawandel auch das Risiko durch intensive Gewitterniederschläge erheblich erhöht“, ergänzt Schröer.

Grafik Sommerliche Gewitterzellen
Sommerliche Gewitterzellen bringen kurzdauernde kleinräumige Extremniederschläge, wie die Bilder an zwei Beispielen zeigen. Grafik: Schröer et al. GRL 2018

Die neu errechneten Abhängigkeiten der Regenintensität von der Messdichte und der Temperatur lassen nun zuverlässiger bestimmen, welche Starkregenmengen tatsächlich in kurzer Zeit in räumlich eng begrenzten Gebieten niedergehen können. „Diese Informationen sind zum einen für hydrologische Modelle zur Vorhersage von Sturzfluten und Überschwemmungen von Bedeutung und ermöglichen, Schutzmaßnahmen, wie etwa Bachverbauungen, angemessener zu dimensionieren. Zum anderen erlauben sie eine realistischere Gefahren- und Schadensabschätzung. Und gleichzeitig können wir in der Forschung durch die neuen Erkenntnisse Wetter- und Klimamodelle verbessern, für zuverlässigere Prognosen und Szenarien kleinräumiger Wetterextreme“, unterstreicht Kirchengast die hohe Relevanz der Erkenntnisse.

Die Arbeit ist in das FWF-Doktoratskolleg „Klimawandel – Unsicherheiten, Schwellenwerte und Strategien“ der Universität Graz eingebettet und trägt zum interdisziplinären Forschungsfokus „Hydrologische Extreme unter Klimawandel verstehen und bewältigen“ des Wegener Center bei. Das WegenerNet wird primär vom Wissenschaftsministerium und der Universität Graz finanziert und vom Land Steiermark gefördert. Auch die Stadt Graz und weitere kleinere Sponsoren tragen unterstützende Mittel bei.

Publikationen#

Schroeer, Katharina, Gottfried Kirchengast, and Sungmin O (2018)
Strong dependence of extreme convective precipitation intensities on gauge network density
Geophysical Research Letters, 45, earlyonline

Schroeer, Katharina, and Gottfried Kirchengast (2018)
Sensitivity of extreme precipitation to temperature: the variability of scaling factors from a regional to local perspective
Climate Dynamics, 50, 3981-3994


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