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Ein "Österreichisches Lied" ?#

Das Fehlen einer Nationalhymne hatte auch Anton Wildgans verspürt, als er sich am 19. Februar 1929 an den Wahlösterreicher Richard Strauss wandte und ihn bat, eines seiner Gedichte als Vorlage für eine Volkshymne zu nehmen. Richard Strauss vertonte auch tatsächlich das Gedicht, wählte dafür jedoch keine volkstümliche, leicht singbare Weise, sondern widmete das Lied dem Wiener Männergesang-Verein, der das Werk seither auch gelegentlich zu Gehör bringt. Wie in seiner ebenfalls aus dem Jahr 1929 stammenden "Rede über Österreich" bemüht sich Wildgans in dem Gedicht "Wo sich der ewige Schnee spiegelt im Alpensee" den "österreichischen Menschen" herauszuarbeiten. Dieser sei "pflichtgewillt" und "duldensstark". Aufgrund seiner kulturellen Herkunft ist der Österreicher für Wildgans gleichzeitig "Deutscher" und "Phäake" - wie man sieht, auch hier wieder einer jener vielen unlösbaren Widersprüche, in die sich die Erste Republik hineinsteigerte. Anlässlich der Kriegserklärung an Serbien hatte 1914 der österreichische Diplomat Ottokar Graf Czernin den Satz geprägt:

"Die Donaumonarchie musste sterben. Nur die Todesart konnte sie wählen, und sie wählte die schrecklichste: den Krieg!"

In Abwandlung dieses Satzes könnte man für die Erste Republik sagen: "Die Republik wollte leben. Nur die Lebensart musste sie wählen, und sie wählte die schrecklichste: den Anschluss!"

ÖSTERREICHISCHES LIED#

Wo sich der ewige Schnee
spiegelt im Alpensee,
Sturzbach am Fels zerstäubt,
eingedämmt Werke treibt,
wo in der Berge Herz
dämmert das Eisenerz,
Hammer Gestein zerstampft,
zischend die Schmelzglut dampft,
wo durch der Ebene Gold
silbern der Strom hinrollt,
Ufer von Früchten schwillt,
hügelan Rebe quillt,
Pflügerschweiß, Städtefleiß
hat da die rechte Weis'
was auch Geschick beschied,
immer noch blüht ein Lied.

Österreich heißt das Land!
Da er's mit gnädiger Hand
schuf, und so reichbegabt,
Gott hat es liebgehabt!


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