Libussa#
Alle Fotos: P. Diem
Der österreichische Dichter Franz Grillparzer wählte ein Motiv aus dem Gründungsmythos der Tschechen als Stoff für seine 1847 geschaffene Tragödie "Libussa". Die Libussa-Sage wurde erstmals in der Christianslegende um 994 n.Chr. erwähnt und handelt von den drei Töchtern aus königlichem Geschlecht, deren eine, Libussa, die Regentschaft ihres Vaters antritt, Primislaus/Premysl, einen Pflüger, zum Mann nimmt und mit ihm die Stadt Prag gründet. (Inhalt siehe unten).
Als Märchen wurde diese mystische Erzählung u.a. von J. K. A. Museäus überliefert.
Der Vyšehrad ("Hohe Burg") wurde in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts südlich gegenüber der Prager Burg als zweite Burg der Přemysliden gegründet. Nach der Legende soll der Fels an der Moldau Sitz der ersten tschechischen Herrscher, vor allem der sagenhaften Fürstin Libussa (Libuše), der Stammmutter der Tschechen, gewesen sein, die hier auch in einer Vision die Gründung Prags voraussah und der Stadt große Zukunft weissagte. "Ich sehe eine große Stadt, deren Ruhm bis zu den Sternen reichen wird." ("Vidím mesto veliké, jehož sláva hvezd se dotýkati bude."). Sie gab ihren Leuten Anweisung, zu gehen und dort ein Schloss zu errichten, wo ein Mann gerade dabei war, die Schwelle (auf Tschechisch práh) zu einem Haus zu legen. "Und weil selbst die Edlen vor einer Schwelle niederknien müssen, sollt Ihr ihm den Namen Praha (Prag) geben."
Noch eine kleine Legende im Zusammenhang mit dem Burghügel Vyshehrad.
Ein Bauer namens Horymír hatte einen Schimmel von außerordentlicher Intelligenz mit dem Namen Šemík. Horymír war unzufrieden mit der Herrschaft des Prinzen Kresomysl und warnte, dass die Vernachlässigung der Landwirtschaft zu einer Hungersnot führen würde. Sein Protest stieß bei den Bergarbeitern auf taube Ohren, und so steckten sie eines Tages sein Anwesen in Brand. Daraufhin brannten Horymír und seine Anhänger das Dorf der Bergarbeiter nieder. Horymír wurde angeklagt und zum Tode verurteilt. Als man ihn nach seinem letzten Wunsch befragte, bat er um einen letzten Ritt auf dem Schlosshof auf seinem geliebten Pferd Šemík. Sein Wunsch wurde ihm gewährt. Als Horymír auf sein weißes Pferd stieg, flüsterte er etwas in dessen Ohr. Šemík rannte zu den Wällen, sprang über sie und glitt die Klippen hinab. Als die Schaulustigen zu den Wällen kamen waren sie erstaunt, Horymír und Šemík auf der anderen Seite des Moldau in Richtung Neumetely galoppieren zu sehen. Der wundersame Sprung hatte Šemík erschöpft. Das sterbende Pferd sprach mit einer menschlichen Stimme zu Horymír und bat ihn, ihm ein Grab zu errichten. Horymír tat, was sein Pferd wünschte. Das Grab ist seitdem verschwunden, aber man sagt, dass Šemík in dem Felsen von Vyšehrad schläft, bereit herauszukommen, wann immer sein Hilfe von Neuem benötigt würde.
Quelle: My Czech Republic
Im Folgenden einige Bilder von einem winterlichen Rundgang auf dem Vyshehrad.
Inhalt des Dramas "Libussa" von Franz Grillparzer
Die böhmische Königstochter Libussa, übernimmt nach dem Tod ihres Vaters die Regierung des Landes. Gefühl und Vertrauen, Milde und Demut bestimmen das Zusammenleben der Menschen in ihrem Staat. Ein schriftlich fixiertes Recht verweigert sie, weil sie einer starren Ordnung misstraut. Aber das fehlende Gesetz bringt Libussas soziales Experiment ins Wanken, es gibt Streit: die Männer verlangen nach Männerherrschaft, Libussa wird zur Heirat gezwungen. Sie heiratet Primislaus, den Mann, den sie liebt und der ihr einst das Leben rettete. Er nimmt die Regierungsgeschäfte in die Hand und demokratisiert und rationalisiert die Gesellschaft. Obwohl Libussa diesen praktischen Humanismus billigt, kostet sie die geplante Gründung einer Stadt schließlich das Leben. Bevor sie stirbt entwirft sie in einer großen Abschiedsrede ein visionäres Bild der Zukunft, warnt vor den Verblendungen durch Eigennutz und Entfremdung und fordert Demut von den Menschen. Nur dann hätten Kultur und Weisheit in einer neuen Epoche wieder ein Zuhause. ‚Libussa‘ ist eine Geschichte des Übergangs, die auf die Sage von der Gründung der Stadt Prag zurückgeht: Prag (Praha) heißt Schwelle. Das Stück, das 1874 am Burgtheater in Wien uraufgeführt wurde, konfrontiert das ‚goldene‘ Zeitalter eines Naturzustandes mit einer modernen Welt, in der die Selbstbestimmung des Einzelnen schwierig geworden ist. Quelle: Grillparzer-Website
Der Schluss des Märchens nach dem Volksmärchenbuch von Musäus (Ausgabe 1912)