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Sonstige Symbole Wiens#

von Peter Diem

Während bei den anderen Bundesländern die Landschaft eine große Rolle spielt, wenn es um die Frage geht, was denn die Symbole des jeweiligen Bundeslandes seien, stehen im Fall von Wien Bauten und Denkmäler an der Spitze. So ergab die Integral-Umfrage „Symbole für Österreich" (1993, n= 1.000) für den Stephansdom 47 Prozent Nennungen, das ist der höchste Wert unter den in allen Bundesländern genannten Symbolen. Aufgrund seiner großen Symbolkraft haben wir dem Wiener Stephansdom einen eigenen Beitrag gewidmet. Neben der Stephanskirche ist auch das Riesenrad mit 19 Prozent ein anerkanntes Wahrzeichen Wiens, während Schönbrunn (8 Prozent) und die Oper (6 Prozent) dagegen bereits stark abfallen. Interessant ist, daß das Rathaus und die UNO-City mit 5 Prozent gleich oft genannt werden, während auf die Hofreitschule 3 Prozent und auf die Hofburg 2 Prozent entfallen. Das Wappen Wiens wird mit 8 Prozent leicht unter dem gesamtösterreichischen Durchschnitt genannt.

Im folgenden wollen wir uns noch mit einigen Dingen beschäftigen, die nicht nur zum Wien-Klischee gehören, sondern auch eine tiefere Symbolbedeutung für diese Stadt besitzen.

Der Eiserne Rathausmann#

Bild 'rathausmann'
Rathausmann - Foto: P. Diem
Foto: P. Diem
Das zur 200-Jahr-Feier des Sieges über die Türken am 12. September 1883 im Aufbau vollendete Neue Rathaus von Friedrich Schmidt war unter dem Motto „saxa loquuntur" von Anfang an als lehrhafte „Symbolsammlung" gedacht. Die Spitze des 100 Meter hohen Mittelturms krönt ein in Kupfer getriebener, 3 m 40 hoher Bannerträger in Gestalt eines geharnischten städtischen Söldners. Sein Vorbild dürfte die Rolandsfigur sein, die man auf vielen norddeutschen Marktplätzen als Symbol der städtischen Freiheiten und Rechte oder auch der hohen Gerichtsbarkeit findet. Der wehrhafte Rathausmann hat sich in über einem Jahrhundert luftiger Präsenz neben Stephansturm und Riesenrad als Wahrzeichen Wiens etablieren können, wenn er auch naturgemäß stark mit Rathauspolitik und Rathausbürokratie assoziiert wird. Die doppelt mannshohe Figur wurde durch den Kunstschlosser Alexander Nehr in der Werkstätte des Schlossermeisters Wilhelm Ludwig gefertigt und von diesem der Kommune zum Geschenk gemacht. Das Modell stammt von dem Bildhauer Franz Gasteil;Vorbild für die Rüstung dürfte der Reiterharnisch Maximilians I. aus der kaiserlichen Waffensammlung gewesen sein. Der 1800 Kilogramm schwere Rathausmann ist pendelnd verankert, wodurch ihm auch starke Stürme nichts anhaben können. Abweichungen von der Vertikalen bis zu 25 Zentimeter sind dabei möglich. Der Rathausmann wurde mit Hilfe einer Lokomobile am 20. Oktober 1882 auf die Turmspitze gesetzt (bei der Ende des 20. Jahrhunderts erfolgten Renovierung erledigte dies ein Hubschrauber).



Zu Füßen des Rathausmannes findet sich an der Vorderseite des Turmes die Statue der Vindobona (s. d.) sowie ganz unten Halbreliefs mit Reiterbildern von Franz Joseph I., Rudolf von Habsburg und Rudolf IV., die als Geste an das Kaiserhaus zu verstehen sind, aber so angeordnet wurden, dass daraus keine Unterwürfigkeit abgeleitet werden konnte.

Die Vindobona#

Foto: P. Diem
Foto: P. Diem

Im Schatten des Rathausmannes ist die „Stadtgöttin" Vindobona nie recht populär geworden. Flankiert von zwei Bannerträgern mit dem Reichs- und dem Stadtwappen schmückt die Statue von Josef Fritsch den Rathausturm an zentraler Position. Sie trägt eine etwas schwer geratene Mauerkrone auf dem Haupt, in der Rechten hält sie einen klobigen Stadtschlüssel, die Linke ist auf einen Schild mit dem Stadtwappen gestützt. Durch ihre luftige Position inmitten einer Vielzahl von Figuren (u. a. Schildträgerinnen der Vorstädte und Schildhalter der Kronländer) kommt sie kaum zur Geltung.

Überdies hat sie eine Zwillingsschwester, eine von Edmund von Hellmer geschaffene Vindobona in der Mitte der Rückseite des Neuen Rathauses.

Diese durch Lanze und Schild recht wehrhafte, doch etwas mollige Dame ist von Allegorien wichtiger Tugenden wie „Weisheit" und „Treue" umgeben. Ihr selbst fehl allerdings ein Arm, ihrer rechten Nachbarin gar der Kopf - ist das noch niemandem aufgefallen?


Foto: P. Diem
Foto: P. Diem

Am Flötzersteig befindet sich das Vindobona-Denkmal; 1898 von L. Schadler entworfen, stellt es Vindobona als Samariterin dar. Eine weitere Vindobona findet sich am Deutschmeisterdenkmal vor der ringseitigen Front der Roßauer Kaserne.

Das Riesenrad#

Sehr oft wird das Wiener Riesenrad fälschlich mit der Wiener Weltausstellung von 1873 in Verbindung gebracht. Das 65 Meter hohe, sich zur Überraschung mancher ausländischer Gäste nur ganz langsam drehende Aussichtsbauwerk wurde aber erst 1897 für das 50-jährige Regierungsjubiläum Kaiser Franz Josephs von dem englischen Konstrukteur Walter Basset errichtet. Das Rad wiegt 430 Tonnen und steht genau Nord-Süd. Es bietet einen guten Überblick über die gegen die Donau liegenden Bezirke Wiens. Im letzten Kriegsjahr 1945 verbrannten alle 30 Waggons. Man entschloss sich beim Wiederaufbau, aus Sicherheitsgründen nur mehr halb so viele Gondeln einzusetzen. Am 25. Mai 1947 ging das neue Riesenrad in Betrieb. Durch den Film „Der dritte Mann" auch international sehr bekannt, ist es zu einem Wahrzeichen für das lebensfrohe Wien geworden.

Der Heurige#

Wenn das Wort „Wien" etymologisch auch nicht von „Wein" kommt, sondern vom keltischen Vedunia („Waldbach"), so gehören beide Begriffe doch eng zusammen. Der Weinbau in Wien geht auf die Römerzeit zurück und bildete auch einen wichtigen Wirtschaftsfaktor im Mittelalter: man erinnert sich an die Legende vom sauren Wein, dessen Unverkäuflichkeit Friedrich III. auf die Idee brachte, den Mörtel für den Nordturm des Stephansdoms damit anrühren zu lassen. Früher reichten die Weinberge noch weiter in die Nähe des Stadtzentrums als heute; so war die Vorstadt Gumpendorf für ihren edlen Tropfen berühmt. Und auch das Belvedere, das berühmte Barockschloß des Prinzen Eugen, wurde auf einem Weinberg errichtet. Aber auch heute ist es nicht weit „zum Wein": von Nußdorf über Grinzing, Sievering und Dornbach bis Ottakring und Stammersdorf reichen Weingärten bis knapp an die Endstationen der Straßenbahnlinien.

Der Wiener Heurige in seiner Doppelbedeutung - der zuletzt gelesene Wein und der Ort seines Ausschanks - ist trotz seiner stellenweisen Kommerzialisierung für den Tourismus eine der liebenswürdigsten Traditionen dieser Stadt. Die Berechtigung „auszustecken", also einen Buschen aus grünen Föhrenzweigen an einer Stange über den Eingang zu hängen, geht auf eine Verordnung aus dem Jahre 1784 zurück. Sie berechtigt den Weinbauern, Weine aus eigener Fechsung ein paarmal im Jahr auszuschenken und dazu eine beschränkte Zahl meist kalter Speisen anzubieten. Es ist dem Heurigenbesucher deshalb auch erlaubt, sein eigenes „Packerl" mitzubringen, um eine gute „Unterlage" zu haben, wenn er das massive Henkelglas mit dem „Vierterl Heurigen" oder „Alten" bestellt. Der wahre Connaisseur des Wiener Weines - zumeist werden Weißweinsorten mit leichter Säure ausgeschenkt - nennt sich „Weinbeißer", zieht er es doch vor, den Wein nicht schnell hinunterzustürzen, sondern langsam zu „beißen". Er will dazu auch keine laute Musik haben und schon gar keine Schunkellieder, sondern er liebt seine Musik einschmeichelnd und eher leise.

Liedertexte kann er im Gegensatz zur Tradition anderer Nationen prinzipiell nicht auswendig. Sehr oft sind es eher leichte Tanzweisen und Molltöne, die zur wirklichen Heurigenstimmung passen. Wenn das traditionelle Schrammelquartett aufspielt (zwei Geigen, Baßgitarre und Ziehharmonika) kann es schon vorkommen, daß manches Auge feucht wird, wenn die „gute alte Zeit" musikalisch beschworen wird. Der Heurige ist eine der wenigen „klassenlosen" Institutionen, die die Zeiten zu überdauern vermochten; hier sitzt der Generaldirektor neben dem einfachen Angestellten, der Arbeiter neben dem Studenten. Wer zum Heurigen geht, bleibt dort selten allein. Dafür sorgt schon der Wein. Die zwanglose Stimmung kann zwar emphatisch und euphorisch werden, artet aber selten in rohe Trunkenheitsformen aus. Zur Sperrstunde gibt es jedenfalls die Gelegenheit, bei einem kleinen Spaziergang „auszulüften".

Das Wiener Kaffeehaus#

Neben dem vielbesungenen Heurigen ist das vielbeschriebene Kaffeeehaus die zweite Institution, die sich zu einem Symbol - ja , zu einem Synonym - für Wiener Lebensart entwickelt hat. Dem Wiener fällt es erst im Ausland auf, was er an seinem Kaffeehaus wirklich hat: den Ort des Verweilens bei individuell zubereiteter Kaffeesorte und verlockender Mehlspeise, allein oder in Gesellschaft, zur geschäftlichen Besprechung, um Zeitung zu lesen oder einfach deshalb, weil man gerade Zeit hat, „nicht zu Hause und doch nicht an der frischen Luft" (Alfred Polgar) zu sein.

Das Wiener Kaffeehaus geht zwar auf die Zeit unmittelbar nach der zweiten Türkenbelagerung zurück, doch wurde es nicht, wie immer wieder hartnäckig behauptet wird, von Franz Georg Kolschitzky (richtig: Koltschitzky) begründet, der zum Dank für seine Dienste als Kundschafter und Hilfsdolmetsch eine Konzession als Kaffeesieder erhalten habe, sondern von einem „Kollegen", dem armenischen Orientkaufmann und Geheimagenten Johannes Diodato.

--> Karl Teply, Kundschafter, Kuriere, Kaufleute, Kaffeesieder. In: Österreich in Geschichte und Literatur, 22. Jg., Heft 1, Jänner/Feber 1978, 1 ff. Vgl. auch Hans Weigel, Das Wiener Kaffeehaus. Wien 1978 und viele andere Publikationen

Johannes Diodato war ein armenischer Kaufmann aus Istanbul, der sich in der Zeit vor der zweiten Türkenbelagerung auf den Schmuggel von Silber und Waffen aus dem Orient verlegt hatte. Zum Katholizismus konvertiert, wurde er Ende des 17. Jahrhunderts
Bürger von Wien und Mietshausbesitzer. Am 17. Jänner 1685 hatte ihm eine kaiserliche Hoffreiheit das Privileg bescheinigt, „solches orientalisches Getränkh auf 20 Jahr allein zu verkauffen". Das erste Wiener Kaffeehaus dürfte sich in der Rotenturmstraße befunden haben. Damit stehen also Geburtstag, Geburtsort und wirklicher Taufpate des Wiener Kaffeehauses fest. Um 1700 entwickelte sich ein veritabler Konkurrenzkampf um Konzessionen, den „gebrannten Türkh" ausschenken zu dürfen. Vorreiter im neuen Gewerbe waren wieder Armenier, darunter ein weiterer Hofkurier, Isaak de Luca. Sein von ihm und später von seinem Sohn jahrzehntelang geführtes Wiener „Urkaffeehaus" trug den klingenden Namen „Zur blauen Flasche" und befand sich im Schlossergaßl in der Nähe der heutigen Goldschmiedgasse. Auch in anderen Ländern Europas waren es aller Wahrscheinlichkeit nach Armenier, die das Kaffeehaus heimisch gemacht haben. In Wien gab es um 1910 mehr als 1200 Kaffeehäuser; heute sind es etwa halb so viele, doch ist die Tendenz wieder steigend: während noch vor einigen Jahren Cafes in Bankfilialen umgewandelt wurden, gibt es heute bereits Banken mit angeschlossenem Kaffeehaus.

Die Geschichte des Wiener Kaffeehauses ist reich an Anekdoten, die sich zumeist um den Typus des Kaffeehausliteraten der Zeit vor 1938 ranken. Die bekannteste ist wohl jene vom Minister des Äußeren, der die Möglichkeit einer Revolution in Rußland mit den Worten bezweifelte „Aber ich bitt' Sie, wer soll denn diese Revolution machen? Vielleicht der Herr Bronstein aus dem Cafe Central?" Lew Bronstein, der spätere Leo Trotzki, war tatsächlich Stammgast in der Herrengasse gewesen.

Es soll hier nicht auf die verschiedenen Arten von Kaffee eingegangen werden, die man sich in einem Wiener Espresso oder Kaffeehaus zur Zeitung bestellen kann, dafür wären wieder einige Absätze notwendig. Vielleicht probiert es der geneigte Leser einmal selbst aus, wenn er „allein sein will, aber dazu Gesellschaft braucht" (Alfred Polgar).

Der Wiener Walzer#

Hans Weigel hat mit seinem „Kleinen Walzerbuch" (Salzburg, 1965) eine „Introduction" in das Phänomen des mit Wien besonders eng verbundenen Walzers gegeben, worin er ihn als „das Bild, die Vision, die Idee des Tanzes" bezeichnet. Der Chronist Gottfried Heindl bezeichnete den Wiener Walzer als Symbol einer Zeitenwende:

In den Klängen des Wiener Walzers hat die Menschheit im Anbruch des industriellen Zeitalters musikalischen Abschied von einer tausendjährigen Lebensform genommen, den Abschied von der Welt ohne Technik und dem Dasein in unberührter Natur.

--> Gottfried Heindl, Die Welt in der Nuss oder Österreichs Hauptstadt. Wien 1972, 213

Man könnte diese doch etwas wehmütige Feststellung auch ins Positive kehren und sagen: Wenn es eine Möglichkeit gibt, sich in die sogenannte „gute alte Zeit", in das vorindustrielle Zeitalter, in die Romantik des alten Wien zurückzuversetzen, so bietet sie der Wiener Walzer auf einem Wiener Ball. Wer sich seinen Klängen hingibt, indem er im wienerisch verhalten akzentuierten Dreivierteltakt über das Parkett zu schweben versucht, wird gewissermaßen „metaphysisch" in eine andere Zeit versetzt, wird „Geschichten aus dem Wienerwald", „Frühlingsstimmen" oder „Dorfschwalben" hören, die „Morgenblätter" aufschlagen, im „Kaiserwalzer" versinken oder auch vom Duft der „Rosen aus dem Süden" bezaubert werden. Möge uns diese vollkommenste aller bewußtseinserweiternden Drogen noch lange erhalten bleiben!


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