Oskar Benda#
Geistige Idee#
„Österreichisch", das ist nicht nur ein geographischer Begriff, sondern in der Tat auch eine geistige Idee, die Idee eines aus ethisch geläuterter Humanität quellenden, Menschen, Stände und Völker verbindenden Humanismus. Und diese Idee ist nicht etwa nur ein frommer Wunsch unserer Staatsführer, sie ist kein bloßes Postulat der praktischen Staats Vernunft, keine theoretische Schulkonstruktion, kein „ideologischer Ueberbau", kein erdichteter „nationaler Mythos', sondern zur Idee erhoben lebendigen Erfahrung, einer in der geschichtlich geworden geistig-sittlichen Substanz des österreichischen Menschentums tief begründete „Wirklichkeit" höherer Ordnung, die über die jeweilige empirischen Wirklichkeiten verpflichtend hinaus- und emporweist. Abstrakte „Ideologien" und „Mythen' haben, wie die Vergangenheit lehrt, nur geringe Widerstandsfestigkeit, Wirklichkeiten höherer Ordnung aber überdauern, wie die Gegenwart zeigt, alle empirischen Katastrophen. Der so viel missbrauchte Spruch „Austria erit in orbe ultima" gewinnt im Lichte unserer Erkenntnis einen sehr tiefen Sinn. Das österreichische Menschentum, aus dem Schoße einer tausendjährigen Geschichte entbunden, ist als historisch-politische wie als kulturelle Formkraft der Menschheit unverlierbar.
(1936)