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unbekannter Gast

Hans Weigel#

Zwei Seelen#

Österreich hat zwischen sechs und sieben Millionen Einwohner, aber mindestens zwölf bis vierzehn Millionen Seelen, wenn nicht sogar weit über zwanzig Millionen.

Dagegen#

Der Österreicher ist von Natur aus dagegen. Aber nur, solange der Bestand dessen, wogegen er ist, gesichert scheint. Würde nämlich das, was er bekämpft, wirklich verschwinden, wogegen sollte er denn dann sein?

Bürokratie#

Österreich, Altmeister der Bürokratie, ist immun gegen sie durch uralte Übung. Das Tor des Amts ist reine Zier — die Hintertür allein erheblich. Die direkteste Verbindung zwischen zwei Punkten ist der Umweg.

--> O Du mein Österreich, Wien, 1956, S. 86

Verfassung#

Die alte österreichisch-ungarische Doppelmonarchie hat hübsch lange bestanden und sogar vergleichsweise floriert, ohne daß irgend jemand anzugeben in der Lage gewesen wäre, auf Grund welcher Staats- und verfassungsrechtlichen Grundlagen dies der Fall war. Die relativ günstige Verfassung der Völker ersetzte die geschriebene Verfassung, welche Monarch oder Parlament ihnen eigentlich zu geben gehabt hätten.

--> O Du mein Österreich, Wien, 1956, S. 87

Zukunft#

Wenn Österreich Zukunft haben soll, darf es nicht gegen seine Vergangenheit sündigen.

Sünden#

Von den vielen Sünden, die Österreich zu begehen pflegt, begeht Österreich die meisten Sünden gegen Österreich.

Was ist österreichisch?#

Nie mit sich und dem Seinen zufrieden, aber doch stolz drauf — lokalpatriotisch statt nationalistisch — in der Improvisation übertreffen, was andere erarbeiten — verspielt bis zur Genialität, skeptisch bis zur Selbstverneinung — offener für Schönes und Fremdes als andere Völker — auch nicht charakterloser und unverlässlicher als andere Völker — das ist gut österreichisch. Auf die unrühmlichen Leistungen stolzer als auf das wirklich Große, namentlich wenn dieses noch nicht mumifiziert ist — dabei mehr dreivierteltakt-voll als taktvoll — sich auf das Wunder der Improvisation, gefördert durch allgemeine Beliebtheit, zu sehr verlassen — auf große Vergangenheit und landschaftliche Schönheit wie auf persönliche Leistungen hinweisen — die Offenheit für das Fremde in Servilität ausarten lassen — guten alten Zeiten nachtrauern, auch wenn sie nur alt und gar nicht gut waren das ist leider auch österreichisch.

Wien, September 1946.