Rainer Enskat (Halle/Germany)#
Aufklärung – für wen, wozu, über was?#
Kants Aufklärungs-Imperativ wird im Jahr 2017 im Rahmen dieses Internationalen Kongresses für Kinderphilosophie erneut zur Sprache gebracht. Er wird mit fast einem Dutzend Themen in Verbindung gebracht, die gegenwärtig einer aufgeklärten Behandlung zu bedürfen scheinen. Unter diesen Voraussetzungen werden zwei Spannungsfelder erzeugt, von denen sich schwer sagen läßt, ob und vor allem wie sie in fruchtbarer Weise aufgelöst werden können. Die Auf-klärungs-Imperative und Aufklärungs-Maximen des achtzehnten Jahrhunderts hatten am allerwenigsten Kinder zu ihren Adressaten. Andererseits war das Wort Aufklärung in Europa schon am Ende des achtzehnten Jahrhunderts unüberschaubar mehrdeutig geworden.
Als Kant und Moses Mendelssohn die Frage Was ist Aufklärung? 1784 mit Mitteln der Philosophie zum ersten Mal gestellt und zu beantworten gesucht haben, war dies bereits ein Akt semantischer Notwehr gegen den unüberschaubar vieldeutig werdenden Gebrauch des Wortes. Nach mehr als zweihundert Jahren und angesichts der nahezu weltweiten Verbreitung des Wortes und seiner Synonyme in fast allen lebendigen Sprachen hat sich die semantische Notwehr bis zur gänzlichen Hilflosigkeit verschärft. Angesichts dieser Situation suche ich einen Ausweg aus dieser Situation.
Ich setze voraus, dass die Aufklärung der Prozess der wichtigsten kognitiven Fortschritte ist; und ich beantworte die drei Leitfragen meines Vortrags in der folgenden Form: 1. Die wichtigste und förderungsbedürftigste Instanz der Aufklärung ist der individuelle Mensch. 2. Das wichtigste Medium, in dem sich der Grad der Aufklärung jedes individuellen Menschen zeigt, ist seine alltägliche Praxis. 3. Die wichtigste kognitive Fähigkeit, von der die Schritte im Prozess der Aufklärung abhängen, ist die praktische Urteilskraft jedes individuellen Menschen, also seine Fähigkeit da-rüber zu beurteilen, welches Wissen, welche Informationen und welche Handlungsweisen in einer konkreten Situation am besten und am nützlichsten sind. Im Vortrag soll gezeigt werden, welche Tragweiten diese elementaren Prämissen für Schwerpunkte aus dem Themenspektrum des Kongresses mit sich bringen.