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98 Christian Bergauer
Christian Bergauer • Das materielle
Computerstrafrecht¶
Man denke zB an den Fall, dass sich ein versierter Systembetreiber
selbst eine grundsätzlich taugliche – aber fehlerbehaftete – Passwort-
zugangssoftware programmiert hat, die jedoch ungewollt jedes einge-
gebene Passwort für eine Zugangsfreigabe akzeptiert. Es wäre nicht
zu verstehen, warum eine derartige – wenn auch mangelhafte – Vor-
kehrung nicht geeignet sein soll, das Schutzinteresse des Systembe-
rechtigten vor unbefugten Zugriffen Dritter zum Ausdruck zu bringen.
Nach außen hin würde man dieses Programm auch als eine Sicher-
heitsmaßnahme ( vergleichbar mit einem » Einfahrt verboten – Ausge-
nommen Berechtigte « Verkehrszeichen ) wahrnehmen können. Ob in
solchen Fällen aber auch ein tatbestandliches Überwinden vorliegen
würde, ist in einem anderen Zusammenhang zu prüfen. Reindl-Kraus-
kopf verlangt ein bestimmtes Maß an » aktivem Zutun « ( iS einer gewis-
sen Anstrengung ) des Täters, um die Schwelle der Strafbarkeit zu über-
schreiten.481 Dieses Zutun würde daher entfallen, wenn der Täter ohne
aktiven Aufwand Kenntnis vom Passwort erlangen würde, weil zB der
Systemberechtigte selbst dem Täter das Passwort mitgeteilt hat. Die-
sem Erfordernis folgend dürfte daher im bloßen Eingabeversuch eines
Passworts, der im Beispielsfall mit der fehlerhaften Zugangssoftware
bereits zu einem Zugang führen würde, ebenfalls mangels » Überwin-
dung « keine Tatbestandsmäßigkeit vorliegen. Das bloße Tippen auf ei-
ner fremden Tastatur wäre als noch sozial adäquate Handlung straf-
rechtlich unbeachtlich. Die Vorgehensweise des Täters ist vergleichbar
mit dem Drücken einer Türklinke, um zu sehen, ob eine Türe versperrt
ist oder nicht; ist diese nicht versperrt besteht keine wirksame Siche-
rung. Dass darin bereits eine gewisse Anstrengung 482 gesehen werden
kann, um mit einer Schwierigkeit fertig zu werden, ist mE zu vernei-
nen, ist doch wohl eine Sicherheitsvorkehrung wie ein Hindernis zu
betrachten, das idR auch im Stande sein muss, Widerstand gegen ei-
nen entsprechenden Zugriff zu leisten.
Ähnlich wäre ein Sachverhalt zu beurteilen, in dem als Vorberei-
tungshandlung das neben dem Computersystem auf Papier geschrie-
bene Passwort, das daher vom Systemverantwortlichen dem Täter
nicht ausdrücklich mitgeteilt wurde und auch nicht allgemein be-
kannt ist, durch Ablesen eruiert wird und in weiterer Folge ohne be-
481 Siehe Reindl-Krauskopf in WK 2 § 118 a Rz 28.
482 Vgl Reindl-Krauskopf in WK 2 § 118 a Rz 26, die auf die Definition des Begriffs » über-
winden « nach dem Duden verweist.
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Buch Das materielle Computerstrafrecht"
Das materielle Computerstrafrecht
- Titel
- Das materielle Computerstrafrecht
- Autor
- Christian Bergauer
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 700
- Schlagwörter
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Kategorien
- Informatik
- Recht und Politik