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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
Energie ein Dieb an den Tag, der einen Schlüssel nachmacht, das heißt
sich eigenmächtig einen für das betreffende Schloss passenden Schlüs-
sel entweder nach dem Originalschlüssel dieses Schlosses oder nach
einem Abdruck desselben etc anfertigt oder anfertigen lässt, indem er
sich das Original oder den Abdruck verschafft hat oder der sich den
Originalschlüssel widerrechtlich aneignet und damit aufsperrt, nicht
aber ein Dieb, der bloß den Umstand nützt, dass er zufällig über einen
passenden, an sich aber zu einem anderen Schloss gehörenden Schlüs-
sel verfügt und mit diesem aufsperrt «.493
Auch aus dieser Aussage, die im Wesentlichen auf die kriminelle
Energie Bezug nimmt, lässt sich ableiten, dass ein Überwinden mehr
an krimineller Energie erfordert als das bloße Umgehen. In diesem
Sinn erläutert der OGH auch in einer weiteren E, dass die Umgehung
des Zündschlosses eines PKW durch Kurzschließen ( der Zündkabel )
nicht die Voraussetzungen der Überwindung einer Sperrvorrichtung
iSd § 129 Z 3 darstellt.494
Der Täter muss somit auch iZm § 118 a Abs 1 auf die im System in-
stallierte Sicherheitsvorkehrung entsprechend reagieren, um dieses
Hindernis direkt bezwingen zu können. Eröffnet sich daher eine zusätz-
liche Möglichkeit für einen Zugriff, ohne auf ein Hindernis zu stoßen,
so liegt kein tatbestandliches Überwinden vor. Zu denken wäre bspw an
ein Netzwerk, zu dem man sich über zwei unterschiedliche Remote Ac-
cess Server ( RAS ) anmelden kann, wovon jedoch nur einer mit Zugangs-
software gesichert ist. Verwendet der Täter den ungesicherten Zugang,
so würde zwar eine im System angebrachte Sicherheitsvorkehrung um-
gangen, nicht jedoch in Form eines Hindernisses überwunden werden.
Wählt der Täter den anderen ( gesicherten ) Weg, weil er etwa von der
zweiten Variante nichts wusste, so kommt ihm die zwar ebenfalls mög-
lich gewesene ungesicherte Zugriffsmöglichkeit nicht zu gute.495 Man
könnte aber in diesem Fall auch so weit gehen, die Eigenschaft der Si-
cherheitsvorkehrung als eine spezifische anzuzweifeln, da ein System,
das über mehrere Zugänge verfügt, eben an allen diesen Zugangsmög-
lichkeiten entsprechend gesichert sein muss, andernfalls keine » spezi-
493 Siehe OLG Linz 07. 01. 1997, 7 Bs 350 / 96 mit Verweis auf OGH 21. 04. 1977, 12 Os 9 / 77
verst Senat; OGH 29. 10. 1985, 10 Os 124 / 85; OGH 12. 01. 1993, 14 Os 156 / 92.
494 Siehe OGH 29. 07. 1981, 11 Os 70 / 81.
495 Siehe dazu den annähernd vergleichbar iZm dem Einbruchsdiebstahl Bertel in
WK 2 § 129 Rz 11 ( Stand Dezember 2008 ).
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Das materielle Computerstrafrecht
- Titel
- Das materielle Computerstrafrecht
- Autor
- Christian Bergauer
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 700
- Schlagwörter
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Kategorien
- Informatik
- Recht und Politik