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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
suchsstrafbarkeit des Täters führt, da in einem solchen Fall das Opfer
gerade nicht ( tödlich ) getroffen wird. Um die Sachverhalte vergleichen
zu können, muss das menschliche Opfer durch den Schuss tödlich ge-
troffen worden sein, aber dennoch in » gleicher Gestalt « und » seinem
individuellen Wesen « unversehrt vorhanden sein. Dieses nur in der
IKT mögliche » Paradoxon « entsteht aufgrund der Ubiquität und der
Möglichkeit der verlustfreien Datenreproduktion, was bedeutet, dass
das Original und seine Kopie faktisch ident sind.
Doch bei genauer Betrachtung muss nicht in jedem Fall ein sol-
cher Versuch auch strafbar sein. Gem § 15 Abs 3 ist ein Versuch näm-
lich als » absolut untauglich « und daher straflos zu beurteilen, wenn
die Vollendung der Tat aufgrund der Untauglichkeit des Subjekts, der
Art der Handlung oder aufgrund des Tatobjekts unter keinen Umstän-
den möglich war.1379
Überprüft man nun den Sachverhalt hins der Tauglichkeit der Tat-
handlung anhand der Eindruckstheorie 1380 auf der einen Seite und der
objektiven ex ante 1381-Betrachtung auf der anderen, so kommt man zu
unterschiedlichen Ergebnissen.
Der den Täter im Handlungszeitpunkt fiktiv begleitende mit Durch-
schnittswissen und Tatplankenntnis ausgestattete Beobachter ( iSd
Eindruckstheorie ) kann nicht wissen, dass die Sicherungskopie, die
in der Schreibtischlade aufbewahrt wird, existiert, was – aufgrund des
Eindrucks dieses Beobachters – zu einem nur relativ untauglichen und
daher strafbaren Versuch führt.
Würde der Beobachter jedoch wissen, dass es sich beim Tatop-
fer um ein Unternehmen handelt, das stets vollständige und aktuelle
Backups anlegt, welche auch einwandfrei funktionieren, dann könnte
man ggf auch an einen absolut untauglichen Versuch denken.
Wird der Sachverhalt nun aus der Perspektive eines objektiven Be-
obachters beurteilt, der zum Handlungszeitpunkt die gänzlich wahre
Sachlage kennt, also auch die Tatsache, dass eine entsprechende Siche-
rungskopie existiert, so weiß der Beobachter, dass der Computervirus
1379 Zur grundsätzlichen Problematik und den einzelnen Theorien siehe zusammen-
fassend statt vieler Kienapfel / Höpfel / Kert, AT 14, Z 24 Rz 10 ff.
1380 Der Eindruckstheorie schließt sich bei der Betrachtung der Untauglichkeit der
Handlung neben dem überwiegenden Teil der Lehre ( anstatt vieler Kienapfel / Höp-
fel / Kert, AT 14 Z 24 Rz 13 mwN ) auch der OGH wieder an ( vgl jüngst OGH 25. 01. 2012,
15 Os 165 / 11w; weiters RIS-Justiz RS0115363 mwN ).
1381 Vgl etwa Fuchs, AT I 8, Rz 30 / 34 f.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Titel
- Das materielle Computerstrafrecht
- Autor
- Christian Bergauer
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 700
- Schlagwörter
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Kategorien
- Informatik
- Recht und Politik