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Dogmatische Betrachtung des Computerstrafrechts im engen Sinn
Christian Bergauer • Das materielle Computerstrafrecht ¶
Täuschung eines Menschen auch der Schutz des Rechtsguts der Wil-
lensbildungsfreiheit zukommt. Dieser Schluss liegt deshalb nahe, weil
die Täuschung nach § 108 ein dem Betrug verwandtes Delikt ist, bei
dem durch die Täuschungshandlung des Täters der Getäuschte selbst
eine – ihn oder einen Dritten in seinen Rechten schädigende – Hand-
lung, Duldung oder Unterlassung setzen muss ( Selbstschädigungs-
delikt ). Das Tatbild des Betrugs ist dem der Täuschung nämlich an-
geglichen, weshalb die in beiden Delikten verwendeten gesetzlichen
Begrifflichkeiten – wie zB das Täuschen über Tatsachen – auch gleich
zu interpretieren sind.1802 Lediglich für die Schadenszufügung wird für
die Täuschung nach § 108 Absicht ( iSd § 5 Abs 2 ) verlangt. Auf einen
erweiterten Vorsatz ( wie Bereicherungsvorsatz beim Betrug ) wird aber
verzichtet.
§ 108 schützt nun prinzipiell andere Rechtsgüter als das Vermö-
gen, da nach überwiegenden Meinungen die Herbeiführung von täu-
schungsbedingten Vermögensschäden abschließend in § 146 geregelt
wird.1803 Doch kann vorrangig gerade daraus geschlossen werden, dass
deshalb von § 146 auch das Rechtsgut der Willensbildungsfreiheit ( ne-
ben dem Vermögen ) mitgeschützt sein müsste. Andernfalls würde für
eine absichtliche Täuschung um jemanden – ohne Bereicherungsvor-
satz – im Vermögen ( Vermögensrechten ) zu schädigen, anders als bei
anderen ( Individual- ) Rechten, eine Strafbarkeitslücke bestehen, selbst
wenn es sich bei § 108 grundsätzlich lediglich um ein Auffangdelikt 1804
handelt.
Kontrovers wird im Schrifttum diskutiert, welche Rechte zur Ver-
wirklichung des § 108 nun tatsächlich in Frage kommen können. Da-
bei wird § 108 » überhaupt als unanwendbar « 1805 gesehen bzw mangels
1802 Vgl Fabrizy, StGB 11 § 108 Rz 2.
1803 Siehe etwa Bertel in WK 2 § 108 Rz 4 und 14; Bertel / Schwaighofer, BT I 12 § 108 Rz 3;
Kienapfel / Schmoller, StudB BT II § 146 Rz 25; Schmoller in SbgK § 108 Rz 20 ( Stand
Mai 1996 ); auch der Gesetzgeber dürfte sich dieser Argumentation anschließen,
verweisen doch die GMat zur Einführung des § 107 a ( Beharrliche Verfolgung ) iZm
§ 108 auf Bertel in WK 2 § 108 Rz 4 ( Stand August 2000 ) ( siehe ErlRV 1316 BlgNR
XXII. GP, 5 ); aA auch Fabrizy, StGB 11 § 108 Rz 1 mwN, der das Vermögen ebenfalls
als Rechtsgut hinter § 108 begreift, sofern kein Bereicherungsvorsatz vorliegt und
daher Betrug unanwendbar bleibt; Fuchs / Reindl-Krauskopf, BT I 4, 98 f; Kirchbacher
in WK 2 § 146 Rz 136; Leukauf / Steininger, StGB 3 § 108 Rz 9; wohl auch Kert in SbgK
§ 146 Rz 369 ( Stand Mai 2012 ); ebenso OGH 12. 06. 1991, 13 Os 149 / 90.
1804 Siehe etwa OGH 19. 11. 1987, 13 Os 162 / 87; weiters OGH 02. 09. 1986, 11 Os 107 / 86
mwN.
1805 Vgl zB Bertel in WK 2 § 108 Rz 14.
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Das materielle Computerstrafrecht
- Titel
- Das materielle Computerstrafrecht
- Autor
- Christian Bergauer
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0043-3
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 700
- Schlagwörter
- Cybercrime, substantive criminal law, malicious software, denial of service-attacks, hacking, Cyber-bullying, Computerkriminalität, Computerstrafrecht, Malware, Datenbeschädigung, Systemschädigungen, Hacking, Cyber-Mobbing
- Kategorien
- Informatik
- Recht und Politik